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In Lederhosen und vor alpiner Kulisse grillen die Bigheads (Karikaturen der Staats- und Regierungschefs der G7) die Erde. Oxfam fordert: „Stop burning our planet!“
Wie will Olaf Scholz erklären, dass Deutschland mit neuen Investitionen in fossile Infrastruktur die Erde weiter erhitzt?

Petersberger Klimadialog: Chance für mehr Klimagerechtigkeit?

13. Juli 2022

Der gerade erst veröffentlichte sechste Sachstandsberichts des UN-Wissenschaftsrats zum Klimawandel (IPCC) hat – wenig überraschend – in aller Deutlichkeit noch einmal vor der sich verschlimmernden Klimakrise gewarnt. Die globale Durchschnittstemperatur ist seit Beginn der Industrialisierung um 1,1°C angestiegen; heftigere Stürme, häufigere Hitzewellen, stärkere Folgen von Dürren und der steigende Meeresspiegel bedrohen weltweit die Lebensgrundlagen, vor allem der Menschen in den von Armut geplagten Weltregionen. Die bisherigen Antworten der Politik sind nach wie vor viel zu schwach und zu sehr von kurzsichtigen Interessen geleitet, um den Klimawandel langfristig wenigstens halbwegs in den Griff zu bekommen.

An dieser Stelle muss der diesjährige Petersberger Klimadialog ansetzen. Auf Einladung der Bundesregierung und der ägyptischen Regierung, die in diesem Jahr den Vorsitz für die kommende UN-Weltklimakonferenz COP27 im November innehat, kommen Anfang nächster Woche Minister*innen aus aller Welt in Berlin zusammen, um die COP27 politisch vorzubereiten. Geleitet und moderiert wird die Veranstaltung von Außenministerin Annalena Baerbock, der also eine wichtige Rolle zukommt, damit der Petersberger Klimadialog für mehr Klimagerechtigkeit punkten kann – zum Beispiel auf den folgenden vier Feldern:

  1. Klimaziele verschärfen: Um die Erderhitzung auf maximal 1,5°C zu begrenzen, müssten die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2030 um knapp die Hälfte sinken. Davon sind wir weit entfernt. Die unter dem Pariser Abkommen eingereichten Klimaschutzziele der Länder deuten auf eine Erhitzung um 2,4°C hin, nach aktuellen Umsetzungsstand auf 2,7°C. Deswegen hat die letzte Weltklimakonferenz COP26 alle Staaten aufgerufen, ihre Ziele so zu verschärfen, dass sie mit der 1,5°C-Grenze kompatibel sind. Passiert ist fast nichts. Weder die G7, noch die EU, noch die großen Schwellenländer haben bisher Bereitschaft gezeigt, dem Aufruf der COP26 zu folgen, obwohl derzeit keines dieser Länder fair und ausreichend zum globalen Klimaschutz beiträgt. Diese Verweigerungshaltung muss der Petersberger Klimadialog thematisieren und zumindest einen Weg nach vorne aufzeigen.
     
  2. Weltweit Energiewende beschleunigen: Auch wenn die weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien steigen, wollen die großen fossilen Konzerne bis 2030 über 800 Milliarden US-Dollar in die Erschließung neuer fossiler Lagerstätten investieren. Dabei helfen ihnen die rund 580 Milliarden US-Dollar, mit denen die Regierungen der G20 die Nutzung von Kohle, Öl und Gas jährlich subventionieren – Geld, das für den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien fehlt und die Abhängigkeit von fossilen Energien aufrechterhält. Neue Kooperationen zur Abkehr von den fossilen Energien sind dringend nötig. Als Beispiel könnten die Energiepartnerschaften dienen, die die G7-Staaten mit Indien, Indonesien, Senegal und Vietnam eingehen wollen – wenn diese Partnerschaften mit ausreichend Finanzzusagen unterfüttert werden und über partizipative, inklusive und geschlechtersensible Ansätze eine gerechte und sozial verträgliche Energiewende befördern, die insbesondere die Bedürfnisse der in Armut lebenden Menschen in diesen Ländern in den Fokus nimmt. Der Petersberger Klimadialog sollte hier neue Wege skizzieren, wie die Länder ergänzend zum Pariser Abkommen neue Wege der Kooperation eingehen können, um weltweit die Transformation weg von den fossilen Energien erheblich zu beschleunigen.
     
  3. Unterstützung für Verluste und Schäden sicherstellen: In seinem Sachstandsbericht hat der UN-Wissenschaftsrat zum Klimawandel (IPCC) deutlich gemacht, dass in vielen Ländern und für viele Menschen mehr und mehr die Grenzen der Anpassungsmöglichkeiten erreicht und deswegen Schäden und Verluste deutlich zunehmen werden – etwa wenn der Anbau von Nahrungsmitteln komplett unmöglich wird, Küstenstreifen dauerhaft unter den Fluten verschwinden, Grundwasserreservoirs versalzen oder Unwetterkatastrophen immer wieder die Lebensgrundlagen der Menschen zerstören. Für die Bewältigung solcher Schäden fordern die betroffenen Länder, insbesondere die kleinen Inselstaaten, zu Recht verlässliche finanzielle Unterstützung. Doch die Industrieländer verweigern ihnen diese Unterstützung aus Angst vor endlosen Kompensationsforderungen für von ihnen verursachte Klimaschäden. Hier könnte der Petersberger Klimadialog einen Brückenschlag zwischen den Industrieländern und den besonders gefährdeten Ländern unternehmen, damit auf der kommenden Klimakonferenz die Weichen für geeignete Mechanismen gestellt werden, um die notwendige Unterstützung in Zukunft bereitstellen zu können.
     
  4. Zusagen zur Klimafinanzierung einhalten: Vor inzwischen 12 Jahren hatten die reichen Industrieländer versprochen, die finanzielle Unterstützung für Klimaschutz und Anpassung an die Veränderungen in den Ländern des Globalen Südens bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar zu steigern. Das Versprechen wurde nicht gehalten, stattdessen soll das Niveau nun erst 2023 erreicht werden. Die COP26 hatte 2021 zudem das Ziel gesetzt, die Hilfsgelder für den Bereich der Anpassung bis 2025 zu verdoppeln. Jetzt stehen die Industrieländer in der Pflicht, dieses Ziel mit einem konkreten Aufwuchsplan zu untermauern – und dies auf dem Petersberger Klimadialog auch verbindlich zuzusagen. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass die Industrieländer auch ihre individuellen Zusagen einhalten, darunter die Zusage Deutschlands vom G7-Gipfel 2021, die Mittel für die Klimafinanzierung bis spätestens 2025 auf jährlich sechs Milliarden Euro anzuheben. Aber: Bisher plant die Bundesregierung keinerlei Steigerungen – und dies für eine Zusage, die Deutschlands Rolle nicht einmal gerecht wird. Angemessener wäre es, wenn Deutschland seine Unterstützung bis 2025 auf mindestens acht Milliarden Euro pro Jahr anheben würde. Der Petersberger Klimadialog wäre der Moment, solch eine Steigerung anzukündigen.

Als Gastgeberin steht die Bundesregierung unter besonderer Beobachtung. Umso ärgerlicher ist es, dass Bundeskanzler Olaf Scholz gerade erst auf dem G7-Gipfel unter der deutschen Präsidentschaft einen Passus in der Gipfelerklärung durchgesetzt hatte, der neue öffentliche Gelder für die Ausbeutung fossiler Ressourcen ermöglichen soll – ein halbes Jahr, nachdem Deutschland auf der letzten Weltklimakonferenz COP26 einer Allianz von Ländern beigetreten war, die sich zum Ende genau dieser öffentlichen Finanzierung für fossile Energieprojekte verpflichtet hatte. Gerechtfertigt wird das mit der Energiekrise infolge des Kriegs in der Ukraine – dabei dürften neue Investitionen in fossile Infrastruktur wohl kaum kurzfristig Erleichterungen bedeuten, gleichzeitig die Klimakrise aber langfristig weiter beschleunigen. Man darf gespannt sein, wie der Bundeskanzler das den Minister*innen in seiner für Montagmittag geplanten Rede auf dem Petersberger Klimadialog erklären wird.

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