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Großer Wassertank aus Metall
Wassertanks vor dem Geflüchtetencamp Jewi in Gambela, Äthiopien. Das Wasser wird hier in großen Mengen gespeichert und zu den Entnahmestellen weitergeleitet.

Nachhaltiger Wasserversorgung auf der Spur

Äthiopien
21. September 2022

In der Region Gambela im Südwesten Äthiopiens leben etwa 370.000 Geflüchtete aus dem Südsudan. Damit ist ihre Zahl größer als die der äthiopischen Bevölkerung in der Region. Sieben Camps für Geflüchtete existieren in Gambela. Die äthiopische Regierung hält die Grenzen für Geflüchtete offen. Sollte sich die Lage im Südsudan wieder verschlechtern, könnte diese Zahl daher noch weiter ansteigen.

Vor sechs Jahren hat Oxfam in Gambela gemeinsam mit anderen humanitären Organisationen Wasserversorgungssysteme für die Camps aufgebaut. Wir sind vor kurzem nach Gambela gereist, um uns anzuschauen, was aus diesen Systemen geworden ist. Zudem wollten wir uns ein Bild von der aktuellen Situation der Menschen in der Region machen.

Wasserversorgung in beeindruckenden Dimensionen

Die Dimension der örtlichen Wasserinfrastruktur für die Geflüchteten ist beeindruckend: Allein im Camp Nguenyyiel, das wir besucht haben, leben mehr als 100.000 Menschen. In den benachbarten Camps Kule und Tierkidi leben weitere 110.000 Menschen. Die drei Camps teilen sich ein Zuleitungssystem, das Wasser aus Bohrlöchern entlang des nahegelegenen Flusses Baro abpumpt, aufbereitet und zu den Camps führt. Das System nennt sich Itang Water Scheme und versorgt auch Menschen im Umfeld der Camps. Riesige Generatoren treiben die Pumpen an, da die öffentliche Stromversorgung häufig ausfällt.

Pumpstation in Gambela, Äthiopien. Im Bild sind Rohre und Pumpen in einem Gebäude zu sehen. Im Hintergrund arbeiten drei Männer.
Eine Wasser-Pumpstation in Gambela, Äthiopien.

Geflüchtete bleiben dauerhaft

Die Camps gleichen mittelgroßen Städten: Provisorische Unterkünfte sind hier kaum noch zu sehen, stattdessen fest gebaute Häuser, zu denen häufig noch ein kleiner Gemüsegarten gehört. Nichts deutet darauf hin, dass die Menschen nur vorübergehend hier leben. Auch unsere Gesprächspartner*innen berichten uns, dass in der Camp-Bevölkerung von Rückkehr keine Rede ist. Viele der Menschen müssen dauerhaft hierbleiben, weil ihre Lebensgrundlagen im Südsudan zerstört sind.

Finanzierung bleibt provisorisch

Die Versorgung der Camps wird allerdings noch immer hauptsächlich über kurzfristig angelegte humanitäre Finanzierungen sichergestellt. Und diese Finanzierungen werden immer knapper: Angesichts der anderen großen Krisen, mit denen Äthiopien, Ostafrika und viele andere Weltregionen derzeit konfrontiert sind, gerät Gambela zunehmend in Vergessenheit. Das Welternährungsprogramm musste hier im Juni wegen Geldmangels die Nahrungsmittelrationen für die Geflüchteten auf 50 % der eigentlich vorgesehenen Menge reduzieren.

Geflüchtete in Äthiopien sollen besser integriert werden

Äthiopien ist bekannt für seine liberale Flüchtlingspolitik: Die Landesgrenzen sind offen, Geflüchtete erhalten Zugang zu humanitärer Hilfe und Schutz. Aber welche Perspektive gibt es für diese Menschen über die humanitäre Hilfe hinaus, wenn sie bleiben wollen oder müssen?

Die äthiopische Regierung hat neue Gesetze verabschiedet, die die Rechte von Geflüchteten stärken und ihnen Möglichkeiten der Integration in lokale Strukturen und Versorgungssysteme einräumen. Beispielsweise haben Geflüchtete in Äthiopien nun eine Arbeitserlaubnis und ein Recht auf Zugang zu Grundschulbildung. Zum Ziel der Integration gehört auch, dass Geflüchtete in Äthiopien perspektivisch Zugang zu staatlich organisierter Wasserversorgung erhalten und somit unabhängiger von humanitärer Hilfe werden sollen.

Pilotprojekt: Wasserversorgung in staatlicher Hand

Mit Unterstützung von Oxfam und in Zusammenarbeit mit der regionalen Regierung von Gambela engagiert sich UNICEF bereits seit einigen Jahren dafür, die Wasserversorgung der Camps in die Hände staatlich geleiteter Wasserbetriebe zu geben. Das Itang Water Scheme wurde bereits 2018 an einen solchen staatlichen Betrieb übergeben, der seit seiner Gründung 2017 intensiv von internationalen Partnern unterstützt wird. Das Projekt von Itang gilt als international viel beachtetes Pilotprojekt zur Erprobung einer nachhaltigen Versorgungslösung für Geflüchtete, die auch auf andere Länder übertragen werden könnte.

Ein ähnliches Modell ist nun für die Stadt Gambela und das nahegelegene Camp Jewi geplant. Die Idee ist einleuchtend: Ein staatliches Unternehmen erwirtschaftet Einnahmen aus der Bereitstellung von sauberem Wasser und ist damit in der Lage, die örtliche Infrastruktur nachhaltig zu betreiben. Dadurch soll das System mit der Zeit unabhängig von externer Hilfe betrieben werden – eine nachhaltige Lösung!

Abhängigkeit von humanitärer Hilfe noch nicht überwunden

Die Abhängigkeit von humanitärer Hilfe konnte im Fall des Itang Water Scheme jedoch bislang nicht beendet werden: Die Menschen in den Camps haben in aller Regel kein Einkommen und sind deshalb nicht in der Lage, selbst für das Wasser zu bezahlen. Ihr Wasser wird daher vom UNHCR finanziert. Da die Geflüchteten jedoch die mit Abstand größte Nutzer*innengruppe darstellen, hängt die Finanzierung des Systems maßgeblich von den Beiträgen des UNHCR ab.

Wir hören vom Leiter des Wasserbetriebs, dass aktuell nur wenige zahlende Kund*innen aus der lokalen Bevölkerung das Wasser aus dem Itang Water Scheme nutzen. Am Preis liegt das nicht: Trotz gestiegener Treibstoffpreise, die sich auch auf den Wasserpreis ausgewirkt haben, zahlt man für 20 Liter Wasser – dem UNHCR Standard pro Person und Tag – umgerechnet aktuell weniger als 1 Cent.

Die Menschen in der Region erwarten jedoch, dass das Wasser kostenlos bereitgestellt wird, weil sie wissen, dass auch die Geflüchteten dafür nichts bezahlen müssen. Oxfam arbeitet gemeinsam mit den anderen WASH-Akteuren vor Ort daran, die Menschen davon zu überzeugen, dass es ohne Bezahlung dauerhaft keine funktionierende Wasserversorgung geben kann.

Trotz dieser Herausforderungen ist die Übernahme der Wasserversorgung durch einen staatlichen Betrieb ein wichtiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und Lokalisierung. Die Lage der südsudanesischen Geflüchteten in Äthiopien ist leider nur eins von vielen Beispielen, die zeigen, dass Krisen sich weltweit immer mehr verstetigen. Es ist deshalb erforderlich, in der humanitären Arbeit grundlegend umzudenken und von Beginn an eine längerfristige Perspektive, unabhängig vom humanitären System, mitzudenken.

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