Ole, du bist seit zwölf Jahren Kampagnenbotschafter für Oxfam. Wie ist die Zusammenarbeit zustande gekommen?
Kennengelernt habe ich Oxfam durch die Toten Hosen, die ich mit meiner Tournee-Cateringfirma seit über 30 Jahren begleite und die gesamte Belegschaft kulinarisch verpflege. Dazu gehören auch von den Hosen eingeladene NGOs, wie Oxfam oder Pro Asyl, die mit einem Stand und vielen Freiwilligen in den Foyers der Hallen für ihre aktuellen Kampagnen werben und Unterschriften für ihre Petitionen sammeln.
So habe ich unter anderem Caro und Sabine, die Gründerinnen von „Oxfam on Tour“ kennen und sehr schätzen gelernt. Irgendwann fragten sie mich, ob ich mir vorstellen könnte, Oxfams Kampagnen zu unterstützen. Weil mir Menschenrechte sehr wichtig sind, musste ich nicht lange überlegen und habe zugesagt. Außerdem passte es thematisch für mich als Koch sehr gut, Kampagnen wie Mahlzeit und Make Fruit Fair zu unterstützen.
Was ist dir beim Thema gerechte Lieferketten besonders wichtig, um das es beispielsweise in "Make Fruit Fair" ging?
Ganz klar: Ein Gesetz! Und zwar ein strenges, wirksames, europäisches (besser weltweites) Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Ich empfinde es als unerträglichen Zustand, dass Arbeiter*innen und Kleinbäuer*innen ausgebeutet werden und obendrein deren Gesundheit und die Umwelt durch übelste Pestizide zerstört werden.
Und das alles nicht nur, damit wir hier in den reichen Industrienationen möglichst günstige Lebensmittel kaufen können, sondern auch damit Großkonzerne wie EDEKA, Lidl oder Aldi immense, unanständige Gewinne einfahren. Das muss aufhören und diese Konzerne müssen dafür zur Verantwortung gezogen werden können. Menschenrechte sind nicht verhandelbar.
Dass es schlimme Ausbeutungen und Menschenrechtsverletzungen gibt, war mir natürlich schon vor meiner Arbeit mit Oxfam klar. Auf unserer gemeinsamen Reise 2016 nach Ecuador habe ich dann Bananenplantagen besucht und mit Arbeiter*innen gesprochen – teils in geheimen Treffen, damit ihre Arbeitgeber nichts davon mitbekommen. Da wurde es auf einmal gespenstisch real.
Kannst du uns deine Erlebnisse in Ecuador genauer schildern?
Die Arbeiter*innen werden unterbezahlt, arbeiten oft ohne Vertrag und wenn Frauen schwanger werden, bedeutet das meist den Verlust des Arbeitsplatzes. Die Arbeiter*innen bekommen nur selten Schutzkleidung und werden manchmal sogar während der Arbeit aus sogenannten Pestizidflugzeugen direkt mit Giften besprüht. Viele erkranken schwer. Einige haben uns großflächige Hautausschläge an Ihren Armen und Oberkörpern gezeigt. Es gab auch Todesfälle.
Unsere Kontaktperson in Ecuador war Jorge Acosta. Ein super Typ. Er war früher Pilot eines Pestizidflugzeuges, bis er selbst durch die Gifte erkrankte. Deshalb wechselte er die Seiten, gründete die Gewerkschaft ASTAC und setzt sich für die Arbeiter*innen ein. Dazu muss man wissen: Wollen Mitarbeitende einer Bananenfarm eine Betriebsgewerkschaft gründen, was ihnen rechtlich zusteht, werden sie unter fadenscheinigen Begründungen entlassen. Manche erhalten sogar Morddrohungen.
Als wir mit Jorge eine Schule, die inmitten von Bananenfeldern gelegen war, besuchten, musste ich mit den Tränen kämpfen. Dort wurden fast ausschließlich Kinder von Bananenarbeiter*innen unterrichtet. Fast jedes ist mit einer Behinderung zur Welt gekommen, was ganz offensichtlich auf die Pestizidvergiftungen ihrer Eltern zurückzuführen ist. Zudem wehen diese Gifte, wenn der Wind ungünstig steht, direkt auf die Schule.
Zurück in Hamburg habe ich ASTAC-Shirts drucken lassen, mit der Bitte an die Käufer*innen, ein Foto damit für eine Soli-Social-Media-Seite zu machen. Alle befreundeten Promis und Musiker*innen, mit denen ich in dieser Zeit auf Tour war, haben ebenfalls ein Foto mit dem Soli-Shirt gemacht. Das Geld aus dem Verkauf der T-Shirts kam ASTAC zugute. Wichtig war mir aber vor allem, Sichtbarkeit zu schaffen und den Arbeiter*innen unsere Solidarität zu zeigen. 2017, auf meiner zweiten Reise nach Ecuador, habe ich den Mitgliedern von ASTAC die Fotos präsentiert. Ich konnte sehen, wie ihnen das Mut gegeben und gezeigt hat, dass sie sich nicht alleingelassen fühlen müssen. Das war ein unglaublicher Gänsehautmoment für mich. Jorge hatte für seine Gewerkschaftsmitglieder auch Shirts mit „meinem“ Motiv drucken lassen.
Was waren für dich weitere wichtige Meilensteine deiner Arbeit mit Oxfam für ein Lieferkettengesetz?
Im Rahmen dieser Kampagne haben wir mit vielen Freiwilligen tolle Aktionen gestartet. Zum Beispiel versahen wir heimlich in Supermarktfilialen Früchte und Weinflaschen aus Südafrika mit Etiketten, auf denen Zitate von Feldarbeiter*innen aufgedruckt waren, die über die Zustände bei der Produktion aufklärten. Und bei einer Telefonaktion haben wir die Leitungen der Lidl-Hotline glühen lassen und uns nach der Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lidl-Lieferketten erkundigt. Spoiler: Wir wussten besser Bescheid als die Hotline-Telefonist*innen.
2020 hat mich unser damaliger Arbeitsminister Hubertus Heil in seinen Podcast „Arbeitsgespräch“ zum Thema „Faire Lieferketten“ eingeladen. Er war mit dem damaligen Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller, dabei, ein deutsches Lieferkettengesetz gegen die Kräfte des BDI (Bundesverband der deutschen Industrie) und der CDU durchzusetzen. In diesem Podcast habe ich Herrn Heil von meinen Erlebnissen in Ecuador berichtet und konnte die Dringlichkeit eines Lieferkettengesetzes deutlich machen. Ein, zwei Wochen nach diesem Gespräch habe ich Herrn Heil zum Thema reden gehört und war erstaunt, dass er auch von meinen Erfahrungen berichtete, um für ein Lieferkettengesetz zu argumentieren. Das hat mich sehr gefreut.
Was mich weniger freut, ist die aktuelle Entwicklung nach der Bundestagswahl. Da will die mit den meisten Stimmen gewählte CDU Bürokratie abbauen, was ja nicht schlecht sein muss. Aber mit „zu viel Bürokratie“ wurde auch immer gegen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz argumentiert.
Was würdest du Menschen empfehlen, die sich wie du für gerechte Lieferketten engagieren möchten?
Zum Beispiel aktiv zu werden – bei Oxfam oder bei einer anderen NGO. Auch oder jetzt erst recht, weil das Merz-Lager diverse NGOs gerade durch seine 551 kleinen Anfragen schikaniert.
Grundsätzlich sollte man auch darauf achten, was man einkauft, wenn man es sich finanziell leisten kann. Bananen beispielsweise nur Bio und mit Fair-Trade-Siegel!
Ich glaube auch, dass es hilft, wenn man in Supermärkten immer wieder nach fair gehandelten Lebensmitteln und Produkten fragt. Wenn das immer und immer wieder passiert, dringt vielleicht durch, dass wir „fair“ wollen. Übrigens hätte ich gar nicht nach Ecuador reisen müssen, um Arbeitsrechtsverletzungen zu bezeugen. Spanien hätte gereicht. Oder Deutschland. Ich sage nur Spargel – oder die Fleischindustrie.
Was motiviert dich persönlich, dich weiter zu engagieren?
Mich treibt an, dass in den mittlerweile zwölf Jahren mit Oxfam schon etliche Erfolge zu verzeichnen sind. Zum Beispiel hat Lidl in Sachen Achtung der Menschenrechte einen beachtlichen Schritt nach vorne gemacht und es gibt jetzt ein Lieferkettengesetz, auch wenn natürlich überall noch ganz viel Luft nach oben ist. Das alles ist nicht der Erfolg einer einzelnen Person, sondern vieler Mitarbeitender, Freiwilliger und anderer Organisationen.
Und was mich ganz besonders antreibt, sind die vielen tollen, kompetenten und liebenswerten Mitarbeitenden bei Oxfam. Vielen Dank, dass ihr mich schon so lange in euren Reihen „ertragt“.
Damit wir uns weiterhin für bessere Arbeits- und Menschenrechte auf der Welt einsetzen können, freuen wir uns über Ihre Spende!
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