Oxfam fordert Untersuchung des Missbrauchs von  Einkaufsmacht bei Edeka, Rewe & Co.

Heute setzt sich der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in einer öffentlichen Anhörung erstmals mit der Nachfragemacht des Lebensmitteleinzelhandels auseinander. Oxfams Handelsexpertin Marita Wiggerthale ist als Sachverständige geladen. Wiggerthale ist Mitbegründerin der "Supermarktinitiative", die sich für faire Einkaufspraktiken im Lebensmitteleinzelhandel einsetzt. Die Supermarktinitiative fordert eine umfassende Untersuchung des Missbrauchs der Nachfragemacht im Lebensmitteleinzelhandel, mehr Transparenz für Verbraucher und verbindliche Regeln zur Einhaltung von sozialen und ökologischen Mindeststandards in der gesamten Lieferkette.

"Die Supermarktketten sitzen beim Einkauf am längeren Hebel", sagt Wiggerthale. "Ihre unfairen Einkaufspraktiken erhöhen den Druck auf die Löhne und verschlechtern die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen in Entwicklungsländern", so Wiggerthale. Der Bundestag müsse sich in einem ersten Schritt für eine umfassende Untersuchung der Einkaufspraktiken einsetzen. Diese könne dann als Grundlage zur Überprüfung des Wettbewerbsrechts dienen.

"Es vergeht in der Ernährungswirtschaft kaum eine Tarifverhandlung oder eine Verhandlung im Betriebsrat, in der Unternehmensvertreter nicht Forderungen nach niedrigeren Löhnen und geringeren Sozialleistungen mit dem Preisdruck des Handels begründen", erklärt Franz-Josef Möllenberg von der Gewerkschaft Nahrungsmittel, Genuss und Gaststätten, der ebenfalls als Sachverständiger geladen ist.

Die Supermarktinitiative ist ein Bündnis von 24 Organisationen aus den Bereichen Entwicklung, Umwelt und bäuerliche Landwirtschaft sowie Gewerkschaften. Ebenfalls bei der Anhörung sind vertreten: Verbraucherzentrale Hamburg, Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Deutscher Bauernverband, Handelsverband und tegut.

Hintergrund

  • 1999 gab es noch acht große Supermarktketten in Deutschland, die gemeinsam über einen Marktanteil von 70 Prozent verfügten. Heute entfallen auf die sechs größten Supermarktketten - Edeka, Rewe, Aldi, Lidl [einschließlich Kaufland], Metro und Tengelmann - 90 Prozent der Marktanteile.
  • Bislang gibt es für Deutschland keine umfassende Untersuchung über den Einsatz unfairer Einkaufspraktiken seitens der Supermarktketten. In acht europäischen Ländern wurde hingegen bereits eine nationale Untersuchung durchgeführt.
  • Unfaire Einkaufspraktiken bei Edeka: Edeka forderte einen Hochzeits-, Distributions-, Partnerschafts- und Synergiebonus sowie teilweise rückwirkende Änderungen von Vertragskonditionen (teilweise müssen Lieferanten mehr als 10 Prozent des Umsatzes, den Edeka mit ihren Produkten gemacht hat, nachträglich zusätzlich bezahlen). Der Partnerschaftsbonus - gemeint ist eine Einmalzahlung für den anstehenden Umbau der Plus-Filialen - beläuft sich je nach Lieferant auf mehrere Hunderttausend Euro.
  • Bundeskartellamt im Edeka-Plus-Fusionsverfahren: Von den befragten Lieferanten haben 66 der Unternehmen angegeben, dass sie nach dem im Jahr 2005 vollzogenen Zusammenschluss EDEKA/Spar Rabatt(nach)forderungen für zurückliegende Zeiträume (sog. "Hochzeitsrabatte") ausgesetzt waren, während 16 der befragten Lieferanten dies verneinten.
  • Die britische Wettbewerbsbehörde kommt bei ihrer ersten Untersuchung des Lebensmitteleinzelhandels aus dem Jahr 2000 zum Ergebnis, dass Supermarktketten bereits mit einem Anteil von acht Prozent der Lebensmittelbeschaffung (grocery purchase) über ausreichend Nachfragemacht verfügen, um unfaire Einkaufspraktiken einzusetzen.

Hintergrund- und Positionspapiere

www.oxfam.de/publikationen/supermarkt-hintergrundpapiere

Weitere Infos

www.supermarktmacht.de