Soziale Ungleichheit und Steuerpolitik: Freifahrtschein für Steueroasen
Soziale Ungleichheit ist ein Kernproblem des 21. Jahrhunderts. Doch die G20 haben es versäumt, eine Steuerpolitik auf den Weg zu bringen, die dazu beiträgt, die Welt gerechter zu machen. Zwar haben sie sich offiziell den Kampf gegen Steuervermeidung von Konzernen, durch die Entwicklungsländer jährlich 100 Milliarden US-Dollar verlieren, auf die Fahnen geschrieben. Doch statt mit einer wirkungsvollen Schwarzen Liste Steueroasen unter Druck zu setzen, haben die G20 diesen Ländern de facto einen Freifahrtschein ausgestellt. Nur ein Land steht auf der von ihnen bei der OECD in Auftrag gegebenen Liste, die damit ein stumpfes Schwert im Kampf gegen Steueroasen ist. Auch die anderen Reformansätze der G20, Steuervermeidung von Konzernen einzudämmen, reichen nicht aus. Nötig wäre es, die Konzerne zu einer öffentlichen länderbezogenen Berichterstattung über ihre Gewinne und darauf gezahlte Steuern zu verpflichten und den ruinösen Wettlauf zwischen den Staaten um die geringsten Steuersätze zu stoppen.
Es ist enttäuschend, dass die Bundesregierung die G20-Präsidentschaft nicht dazu genutzt hat, die Finanztransaktionssteuer auf die Agenda zu setzen. Die Bundesregierung muss sich jetzt mit mehr Engagement dafür einsetzen, dass die Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene endlich eingeführt wird. Die Einnahmen müssen in die Bekämpfung von weltweiter Armut und sozialer Ungleichheit fließen, zum Beispiel durch Investitionen in Bildung und Gesundheit.
Klima: 19 Länder stehen hinter Pariser Abkommen
Es ist ein wichtiges Signal des G20-Gipfels, dass sich 19 Länder entschlossen hinter das Pariser Klimaschutzabkommen stellen und nun seine Umsetzung vorantreiben wollen. Damit ist der US-Präsident klimapolitisch isoliert. Sein Versuch, den fossilen Energien eine Zukunft unter dem Pariser Abkommen zu sichern, ist zwar ärgerliches Störfeuer, letztlich aber zum Scheitern verurteilt. Das sind gute Nachrichten für die Menschen in den armen Ländern, in denen der Klimawandel heute schon wütet und denen das Pariser Abkommen auch wichtige Unterstützung zum Schutz gegen die Folgen des Klimawandels zusichert. Leider hat der Gipfel beim Abbau klimaschädlicher Subventionen nichts Neues ergeben. Ein großes Versäumnis ist es zudem, dass die Abschlusserklärung insgesamt keinen neuen Schwung für deutlich mehr konkreten Klimaschutz erkennen lässt. Die Selbstverpflichtungen unter dem Pariser Abkommen reichen nicht, um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Die Bundeskanzlerin hätte den G20-Gipfel dafür nutzen müssen, den Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohlekraft in Aussicht zu stellen. Anders lassen sich die Ziele des Pariser Abkommens zur Abwendung eines katastrophalen Klimawandels nicht erfüllen.
Hungerkrisen: Zusagen reichen nicht aus
Oxfam begrüßt die Ankündigung der USA fast 640 Millionen US-Dollar zur Finanzierung der Nothilfe-Aufrufe für die aktuellen Hungerkrisen bereitzustellen. Dies war lange überfällig. Deutschland, Großbritannien und die Niederlande haben ihren Beitrag ebenfalls geleistet. Doch dies reicht nicht aus, um den betroffenen Menschen in Nigeria, Somalia, Südsudan und Jemen vor einer Hungersnot zu bewahren.
Erfreulich ist, dass die G20 die vier Hungerkrisen in ihrem Abschlusscommuniqué erwähnen und eine Verstärkung des humanitären Engagements in Aussicht stellen, um die riesige Deckungslücke in den internationalen Hilfsaufrufen zu schließen. Jetzt ist es vor allem wichtig, dass die neu zugesagten Mittel der USA so schnell wie möglich bereitgestellt und vor Ort eingesetzt werden. Positiv ist zudem das Bekenntnis, die wiederkehrenden und langwierigen Krisen zugrunde liegenden Ursachen anzugehen.
Es ist allerdings bedauerlich, dass die meisten großen G20-Länder die Gelegenheit nicht genutzt haben, ihre Beiträge zur Nothilfe aufzustocken. Die Folge ist, dass Menschen sterben werden, deren Leben andernfalls hätten gerettet werden können.
Compact with Africa: Initiative folgt falschen Annahmen
Die Initiative “Compact with Africa” baut auf dem irrigen Glauben auf, dass Privatinvestitionen schon irgendwie die Lebenssituation von Menschen in Armut verbessern werden. Damit Privatinvestitionen tatsächlich dazu beitragen, Armut zu reduzieren, müssen sie politisch gestaltet werden, im Dialog mit den Menschen und heimischen Unternehmen vor Ort, so dass alle profitieren, insbesondere Frauen. Dies sieht die Initiative jedoch weiterhin nicht vor. Stattdessen ist das Risiko groß, dass die Wünsche von Konzernen und Investoren im Vordergrund stehen. Der Ansatz, Vereinbarungen mit einzelnen afrikanischen Ländern zu vereinbaren, erschwert zudem die regionale Integration der afrikanischen Wirtschaft und treibt afrikanische Regierungen in einen ruinösen Wettbewerb um die Gunst ausländischer Investoren.
Oxfam begrüßt, dass sich die G20 verpflichten, die Partnerschaft mit Afrika auf die Agenda 2063 auszurichten. Diese betont allerdings die Wichtigkeit regionaler Integration, der Menschenrechte und Selbstbestimmung der Menschen vor Ort – alles Themen, die die Initiative „Compact with Africa“ bisher weitestgehend ignoriert. Damit die G20-Initiative die Agenda 2063 tatsächlich unterstützt, müsste sie grundsätzlich überarbeitet werden. Regionale Wirtschaftsorganisationen müssen eine führende Rolle einnehmen, es braucht eine angemessene Konsultation der afrikanischen Zivilgesellschaft und Investitionen müssten im Sinne der Nachhaltigen Entwicklungsziele und des Pariser Klimaabkommens gesteuert werden.
Die G20 und die beteiligten afrikanischen Regierungen müssen sicherstellen, dass die investierenden Unternehmen durch angemessene Steuerbeiträge ihren fairen Beitrag zum Gemeinwohl leisten, insbesondere für Investitionen in Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung.
Fairer Handel bleibt Lippenbekenntnis
Oxfam kritisiert die unzureichenden Beschlüsse der G20 in Handelsfragen, die nicht dazu beitragen werden, die Märkte demokratischer und gerechter zu machen. Freier Handel ist nicht unbedingt fairer Handel. Im Gegenteil trägt ein unzureichend regulierter Handel dazu bei, die weltweite soziale Ungleichheit zu vergrößern. Gerade zwischen ungleichen Partnern braucht es Regeln, damit aus Handelsfreiheit kein Freibrief für Ausbeutung wird. Freihandel hat in der Vergangenheit unter anderem dazu geführt, dass die Wirtschaften von Entwicklungsländern auf Förderung von Rohstoffen beschränkt blieben, während der Großteil der Wertschöpfung in reichen Ländern anfällt. Zudem machen es die massiven Agrarsubventionen vieler G20 Länder afrikanischen Bauern unmöglich, im Wettbewerb zu bestehen. Die G20 haben es versäumt, Lösungen für diese drängenden Probleme zu formulieren.
Geschlechtergerechtigkeit: Strukturelle Barrieren abbauen
Oxfam begrüßt das anhaltende Engagement der G20 für die wirtschaftliche Stärkung von Frauen. Die G20 müssen sich jedoch stärker darum bemühen, die strukturellen Barrieren abzubauen, die gleichberechtigter wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Teilhabe von Frauen im Wege stehen. Zwar eröffnen die drei angekündigten Initiativen neue Möglichkeiten für einige Frauen, der eingeschränkte Fokus auf die Förderung unternehmerischer Tätigkeiten und die Erhöhung des Erwerbstätigenanteils von Frauen reicht jedoch bei weitem nicht aus. Frauen gehen überproportional oft schlecht bezahlter, prekärer und Teilzeiterwerbsarbeit nach und leisten gleichzeitig den Großteil unbezahlter Pflege- und Sorgearbeit. Der Aktionsplan der W20 ist der richtige Ausgangspunkt, um echte Fortschritte bei der Stärkung von Frauen und für die Gleichberechtigung zu erzielen.
Flucht und Migration: Regierungen müssen Verantwortung wahrnehmen
Oxfam begrüßt das Bekenntnis, die anstehenden Verhandlungen der globalen Pakte für Flucht und für Migration zur Verbesserung der Lage von Menschen auf der Flucht und in Migration zu nutzen. Die Regierungen müssen dort entschlossen ihre gemeinsame Verantwortung für die Menschen auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und extremer Armut wahrnehmen. Insbesondere gilt es, ihre fundamentalen Rechte zu schützen und wesentlich mehr sichere und legale Wege für Migration und Zugang zu internationalem Schutz und einem würdevollen Leben zu schaffen. Migration ist in der Tat eine Chance für Gesellschaften und Wirtschaft in Aufnahme- und Herkunftsländern – doch müssen diese Vorteile noch stärker den Migrantinnen und Migranten sowie der Entwicklung in armen Ländern zugute kommen.
Bildung: Mehr Engagement für Grundbildung nötig
Oxfam begrüßt, dass die G20 endlich die globale Bildungskrise zur Kenntnis nehmen. Den Worten muss jetzt rasch entschiedenes Handeln folgen, damit die 264 Millionen Kinder ohne Schulzugang und die Millionen Kinder, deren Bildungsweg durch Kriege, Krisen und Flucht versperrt ist, endlich zur Schule gehen können. Deutlich mehr Engagement für Grundbildung ist nötig, um Ungleichheit zu überwinden. Beruflicher Bildung und e-skills4girls sind wichtig, reichen aber nicht aus, um Chance für alle Menschen zu schaffen. Die Wiederauffüllungskonferenz der Global Partnership for Education (GPE) Anfang nächsten Jahres muss nun zum Erfolg geführt werden. Oxfam erwartet, dass auch Deutschland seiner globalen Verantwortung gerecht wird, und jährlich mindestens 100 Millionen Euro für die GPE sowie 50 Millionen Euro für den Education Cannot Wait Fonds für Bildung in humanitären Krisen bereitstellt.
Globale Lieferketten: Verbindlichkeit menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht nötig
Oxfam begrüßt, dass die G20 übereingekommen sind, verantwortungsvolles Unternehmertum zu unterstützen, das menschenwürdige Arbeit fördert, die Menschenrechte achtet und globale Lieferketten entsprechend gestaltet. Es ist erfreulich, dass die G20 sich dazu verpflichten Arbeits-, Sozial und Umweltstandards sowie die Durchsetzung der Menschenrechte im Einklang mit den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte zu fördern und bestehende Herausforderungen anerkennen. Wichtig ist dabei allerdings auch, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in den Lieferketten für Unternehmen verbindlich zu machen. Dies müssen die Länder bei der weiteren Arbeit zu den nationalen Aktionsplänen berücksichtigen.