Marion Bouchetel, Oxfam-Migrationsexpertin in Griechenland, kommentiert:

„Tausende Flüchtlinge und andere Migranten sitzen auf den griechischen Inseln fest und müssen in Zelten und Containern ausharren, die im Sommer glühend heiß und im Winter eiskalt sind. Der Zugang zu fließendem Wasser ist begrenzt. Unbegleitete Kinder, Schwangere und Menschen mit körperlichen und psychischen Erkrankungen müssen mehr als 10 Monate warten, bevor sie überhaupt mit einem Beamten der griechischen Asylbehörde darüber sprechen können, wie es mit ihnen vielleicht weitergehen könnte und ob sie eine Chance haben, ihre Familien jemals wiederzusehen. Dieses Warten ist äußerst qualvoll.

Die Camps auf den Inseln sind bereits gefährlich überfüllt. Diese Situation ist besonders für Frauen bedrohlich, da sie einem erhöhten Risiko sexueller Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind. Die von der griechischen Regierung unterstützte EU-Politik zielt darauf ab, Menschen auf den ägäischen Inseln gefangen zu halten, um sie im Rahmen des EU-Türkei-Deals in die Türkei schicken zu können – anstatt ihnen zu erlauben, in Europa Asyl zu beantragen.

Wenn die EU ihre Pläne zur Einrichtung der sogenannten kontrollierten Zentren für Asylbewerber verwirklicht, werden noch mehr Menschen unter unwürdigen Bedingungen auf den Inseln gefangen sein. Anstatt mehr Flüchtlingscamps zu schaffen, sollte die EU ihr Asylsystem reformieren, um sicherzustellen, dass die Verantwortung für den Schutz von Geflüchteten auf die Mitgliedsstaaten verteilt wird, während ihre Asylanträge bearbeitet werden. Niemand sollte gezwungen sein, unter diesen entsetzlichen Bedingungen zu leben.“

 

Redaktionelle Hinweis:

  • Für Interviews und Hintergrundinformationen stehen Oxfam-Ansprechpartner*innen in Lesbos und in Brüssel zur Verfügung
  • Die EU hat angekündigt, „kontrollierte Zentren“ für Migrant*innen und Asylbewerber*innen innerhalb der Europäischen Union sowie „Ausschiffungsplattformen“ für auf See gerettete Migrant*innen in Nordafrika einzurichten. Oxfams Erfahrungen bei der Arbeit mit Flüchtlingen und anderen Migrant*innen in Griechenland, Italien und auf dem Balkan zeigen, dass diese Pläne zum Scheitern verurteilt sind.
  • Zurzeit leben mehr als 8.800 Personen im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos, das eine offizielle Kapazität von 3.100 Personen hat. Der Bereich, in dem alleinstehende Frauen untergebracht werden sollen, ist ebenfalls bei weitem überbelegt. Dadurch waren bereits Dutzende Frauen gezwungen, in anderen Bereichen zu schlafen, in denen sie nicht ausreichend geschützt waren. In Moria mit seinen überfüllten Unterkünften kommt statistisch nur eine funktionierende Toilette auf 72 Personen und nur eine funktionierende Dusche auf 84 Personen.
  • Häufig warten die Menschen monatelang darauf, dass ihre Asylanträge bearbeitet werden. Viele Flüchtlinge haben keinen Zugang zu Rechtshilfe, entweder weil sie nicht über ihr Recht auf einen Anwalt informiert sind, oder weil nicht genügend Anwälte zur Verfügung stehen. Trotz des Rechts jeder Asylbewerberin und jedes Asylbewerbers auf Rechtsbeistand während ihres bzw. seines Asylantragverfahrens in Griechenland gibt es seit Mai 2018 keinen staatlich beauftragten Anwalt, der diesen Dienst anbietet.
  • Der Gouverneur der griechischen Region Nord-Ägäis hat den staatlichen Stellen, die den „Hotspot“ Moria auf Lesbos betreiben, eine Frist gesetzt und damit gedroht, das Camp zu schließen, da die Situation dort völlig unangemessen, außer Kontrolle und gefährlich für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt sei.