Abrisse palästinensischer Häuser, Vertreibungen ihrer Bewohner*innen, Zerstörung von Fahrzeugen und Bäumen – in den vergangenen drei Jahren haben im israelisch besetzten Westjordanland gewaltsame Vorfälle durch israelische Siedler und Sicherheitskräfte gegen Palästinenser*innen kontinuierlich zugenommen. Von Anfang 2017 bis Ende April 2020 gab es 2.308 solcher Vorfälle, 817 davon alleine im Jahr 2019, 52 Prozent mehr als im Jahr 2017. Seit Anfang 2020 fanden bereits 234 gewaltsame Angriffe statt, 136 davon nachdem die israelischen Behörden den Ausnahmezustand verhängten, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern.  

Dies dokumentiert Oxfams Bericht „Violence and impunity in the West Bank during the COVID-19 pandemic”, der auf Daten der Vereinten Nationen und Interviews mit israelischen und palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen, palästinensischen Behörden und Regierungsstellen sowie Betroffenen von Angriffen israelischer Siedler basiert. Er belegt zudem Versäumnisse der israelischen Behörden, Angriffe von Siedlern gegen Palästinenser*innen zu verhindern sowie polizeilich und gerichtlich zu verfolgen. Vielmehr treiben diese ungeachtet der Ausbreitung von COVID-19 die Vertreibung von Palästinenser*innen, die Zerstörung ihrer Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie die Beschlagnahmung ihres Landes im sogenannten „C-Gebiet“ weiter voran. Dies sind jene 61 Prozent der Fläche des Westjordanlandes, über die Israel gemäß der Oslo-Verträge die volle Verwaltungs- und Sicherheitshoheit ausübt.

Shane Stevenson, Landesdirektor von Oxfam in Israel und dem besetzten palästinensischen Gebiet: „Es ist eine Schande, dass palästinensische Bürgerinnen und Bürger mitten in der COVID-19-Pandemie nicht geschützt, sondern angegriffen und aus ihren Häusern vertrieben werden. Viel zu lange herrscht im besetzten palästinensischen Gebiet bereits eine Kultur der Straflosigkeit für kriminelle israelische Siedler. Das muss aufhören! Gewaltakte, gleich von wem sie ausgehen, müssen von den Behörden verhindert, verfolgt und die Täter vor Gericht gebracht werden.“

Die Gewalt radikaler Siedler geht mit dem Ausbau der völkerrechtswidrigen Siedlungen einher und fügt sich in die israelische Politik der fortschreitenden gewaltsamen Aneignung von palästinensischem Land ein. Laut jüngster Ankündigung der neuen israelischen Koalitionsregierung soll in naher Zukunft die formelle Annexion großer Teile des besetzten palästinensischen Gebietes erfolgen.

 

Redaktionelle Hinweise:

  • Die israelischen Behörden haben am 5. März 2020 den Ausnahmezustand verhängt, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern. Seither haben die Vereinten Nationen einen Anstieg der Angriffe israelischer Siedler auf palästinensische Zivilisten und deren Eigentum gemeldet, wobei zwischen dem 5. März und dem 30. April insgesamt 136 Vorfälle verzeichnet wurden. Dies ist eine Steigerung von 37% gegenüber dem Zeitraum vom 12. Januar bis 4. März 2020. Oxfam verglich die Zeiträume vom 8. Januar bis 4. März (99 Vorfälle) und vom 5. März bis 30. April (136 Vorfälle). Beide Zeiträume umfassen 56 Tage.
  • Seit dem 5. März 2020 haben die israelischen Behörden 40 Gebäude abgerissen oder ihre Besitzer gezwungen diese abzureißen oder sie beschlagnahmt; dabei wurden 26 Palästinenser vertrieben und über 260 weitere betroffen.