Zwischen 2010 und 2019 haben Aktionär*innen der im S&P 500 Index gelisteten Unternehmen sich gut neun Billionen US-Dollar ausschütten lassen – das entspricht über 90 Prozent ihrer Gewinne in diesem Zeitraum. Bei einigen Unternehmen lag das Verhältnis von Ausschüttung zum Gewinn über 100 Prozent: Die Unternehmen mussten sich für die Auszahlung verschulden oder Rücklagen nutzten. Diese Praxis setzt sich in der Corona-Krise fort. Oxfams Bericht zeigt, dass die 25 profitabelsten globalen Unternehmen des S&P Global 100 Index den Aktionär*innen im Jahr 2020 voraussichtlich mehr als 378 Milliarden Dollar zahlen werden. Das entspricht 124 Prozent ihrer Gewinne des laufenden Jahres.
Zwischen 2016 und 2019 haben die profitabelsten Firmen in den USA, Europa, Südkorea, Australien, Indien, Brasilien, Nigeria und Südafrika zwei Billionen US-Dollar an Aktionär*innen gezahlt, durchschnittlich 83 Prozent ihrer Gewinne. Durch Dividenden und Aktienrückkäufe zahlten die drei größten Unternehmen im Gesundheitssektor in Südafrika 163 Prozent der Gewinne an Anteilseigner aus.
„Die Konzernmanager fühlen sich zuallererst ihren Aktionären verpflichtet, und diese fordern oft Ausschüttungen ein. Doch Unternehmen haben eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung und der müssen sie nachkommen. Sie müssen in den notwendigen sozial-ökologischen Wandel ihrer Geschäftsmodelle investieren und menschenwürdige Arbeitsbedingungen für ihre Angestellten und innerhalb ihrer Lieferketten schaffen, bevor Geld in die Taschen der Eigentümer fließt“, fordert Barbara Sennholz-Weinhardt, Referentin für Wirtschaft und Globalisierung bei Oxfam.
Deutsche Unternehmen: Ausschüttungen trotz Staatshilfen
US-Unternehmen wie Apple, Microsoft, Walmart und der Google-Mutterkonzern Alphabet liegen in absoluten Zahlen vorn, wenn es um Ausschüttungen und Rückkäufe geht. Dafür zeichnen sich deutsche Unternehmen durch Dreistigkeit und Maßlosigkeit aus:
- Aktionär*innen von BMW, darunter einige der reichsten Menschen Deutschlands, haben sich in diesem Jahr über 1,6 Milliarden Euro an Dividenden auszahlen lassen. Gleichzeitig nimmt das Unternehmen von der Allgemeinheit finanzierte Hilfen für Kurzarbeit in Anspruch und forderte staatlich finanzierte Kaufprämien, von denen es nun profitiert. In den vergangenen Jahrzehnten hat BMW seine Profite lieber an Aktionäre ausgeschüttet, als ausreichend in menschengerechte Arbeitsbedingungen in seinen Rohstoff-Lieferketten oder in ein klimakompatibles Geschäftsmodell zu investieren.
- Aktionär*innen von BASF haben sich innerhalb der vergangenen sechs Monate satte 400 Prozent der Unternehmensgewinne ausschütten lassen, insgesamt 3,4 Milliarden Euro. Gleichzeitig hat der Konzern etwa 1,1 Milliarden Euro aus einem Nothilfefonds der britischen Regierung erhalten. In den vergangenen Jahrzehnten hat BASF exzessiv Profite ausgeschüttet, statt das eigene Geschäftsmodell ökologisch umzustellen, wie beispielsweise der hohe Anteil toxischer Pestizide, die als hochgefährlich für Menschen, Tiere und Ökosysteme eingestuft werden, an ihrer Gesamtproduktion zeigt.
- Die Aktionär*innen von Bayer haben entschieden, rund drei Milliarden Euro an Dividenden auszuzahlen. Gleichzeitig hat der Konzern etwa 670 Millionen Euro aus einem Nothilfefonds der britischen Regierung erhalten. In den vergangenen Jahrzehnten hat Bayer ebenso wie BASF exzessiv Profite ausgeschüttet, statt das eigene Geschäftsmodell ökologisch umzustellen.
Oxfam fordert wirtschaftlichen Systemwechsel
Oxfam fordert einen grundsätzlichen Kurswechsel der Wirtschaftspolitik, um zu verhindern, dass die Corona-Pandemie die Gesellschaft noch ungleicher und ungerechter macht. Die Bundesregierung muss im Rahmen ihrer EU-Präsidentschaft einen Beitrag dazu leisten, indem sie vorhandene Initiativen energisch vorantreibt. Dazu gehört:
- Gewinne gerecht verteilen: Die EU sollte eine Obergrenze für die Ausschüttung von Unternehmensgewinnen an Aktionäre einführen. Das Verhältnis bei Vergütungen von Konzernmanagern und Beschäftigen sollte maximal 20:1 betragen.
- Investitionen vor Gewinnausschüttung: Die EU sollte Unternehmen verpflichten, Gewinne in ausreichender Höhe in den sozial-ökologischen Umbau der eigenen Geschäftsmodelle zu investieren, bevor sie Geld an Eigentümer ausschütten.
- Unternehmen auf das Gemeinwohl verpflichten: Die EU sollte die Vorstände und Aufsichtsräte von Unternehmen gesetzlich verpflichten bei strategischen Entscheidungen die Interessen aller Betroffenen – inklusive Arbeitnehmer*innen, Lieferanten und Kund*innen – zu berücksichtigen anstatt einseitig die Interessen der Kapitaleigner zu bedienen.