In Mavrovouni auf Lesbos, auch bekannt als „Kara Tepe“ oder „Moria 2“, machen Afghan*innen 63 Prozent der Bewohner*innen aus. Im Juni beschloss die griechische Regierung, dass Menschen aus Afghanistan, Syrien, Somalia, Pakistan und Bangladesch in die Türkei zurückgeschickt werden können, auch wenn sie Flüchtlinge sind. Am 16. August, einen Tag nach dem Fall von Kabul, erklärte der griechische Migrationsminister Notis Mitarachi, dass „Griechenland kein Einfallstor" für Afghan*innen werden dürfe. Dies alles widerspricht den rechtlichen Verpflichtungen Griechenlands zur Aufnahme von Schutzsuchenden.

„In einem Fall weigerten sich die griechischen Behörden, den Asylantrag einer afghanischen Familie zu prüfen, obwohl europäisches Recht dies vorschreibt“, berichtet Vasilis Papastergiou, Rechtsexperte beim Griechischen Flüchtlingsrat. „Stattdessen trafen sie die Entscheidung, die Familie in die Türkei zurückzuschicken, wo sie auf der Durchreise nur vier Tage verbracht hatte, bevor sie nach Griechenland einreiste. Weil sich die Türkei aber seit 2020 weigert, Geflüchtete aus Griechenland aufzunehmen, sitzt die Familie nun auf Lesbos fest. Dies ist kein Einzelfall, sondern betrifft hunderte Menschen."

Ein Jahr nach dem Brand in Moria weiterhin katastrophale Zustände

In dieser Woche jährt sich zudem der Brand des berüchtigten Lagers Moria auf Lesbos. Damals hatte EU-Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson, versprochen, dass die Zustände in Moria sich nicht wiederholen dürften. Für die Geflüchteten, die in den provisorischen Behausungen im eilig errichteten „Moria 2“ leben, sind die Lebensbedingungen jedoch so schlimm wie eh und je. Die griechischen Behörden haben nicht dafür gesorgt, dass das Lager den europäischen Standards entspricht, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kürzlich festgestellt hat. Viele Menschen werden deshalb nun schon das sechste Jahr in Folge den Winter in Zelten verbringen. „Die griechische Regierung hat offen gesagt, dass sie die Menschen eher abschrecken als willkommen heißen will. Dies führt dazu, dass die Schutzsuchenden unter Bedingungen wie in einem Slum leben“, kritisiert Erin McKay, Leiterin der europäischen Migrationskampagne von Oxfam.

Insbesondere Frauen sind wegen der Sicherheitsrisiken im Camp gefährdet. Eine kürzlich von Nichtregierungsorganisationen durchgeführte Umfrage ergab, dass alleinstehende Frauen Angst haben, nach Einbruch der Dunkelheit Wasser zu holen oder die Duschen und Toiletten zu benutzen. Maßnahmen wie eine angemessene Beleuchtung, die Installation von Toiletten in der Nähe des Abschnitts für alleinstehende Frauen oder andere Sicherheitsmaßnahmen würden das Camp für Bewohnerinnen sicherer machen.

 

Redaktionelle Hinweise:

  • Lesen Sie hier die September-Ausgabe des Lesbos-Bulletins mit aktuellen Informationen zur Lage auf den griechischen Inseln.
  • Interviews mit Expert*innen in Athen, Lesbos (Englisch, Griechisch) und Brüssel (Englisch) sind möglich.  
  • Im Juni beschlossen die griechischen Behörden, die Türkei als sicheres Drittland für Asylbewerber*innen aus Afghanistan, Syrien, Somalia, Pakistan und Bangladesch einzustufen. Offiziellen Angaben zufolge machten Antragsteller*innen aus diesen fünf Ländern im Jahr 2020 65,8 Prozent aller Anträge aus.
  • Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 19. Juli 2021 bestätigt, dass die Lebensbedingungen im Lager Mavrovouni weiterhin den EU-Rechtsstandards nicht genügen.
  • Die Umfrage wurde von auf Lesbos tätigen internationalen Organisationen und NRO durchgeführt.