"Die kleinen Schritte, die die COP26 nach vorne gemacht hat, dürfen uns nicht zu der Illusion verleiten, mit einem echten Erfolg nach Hause zu fahren. Es ist schon bitter, dass wieder einmal die von der Klimakrise besonders betroffenen, ärmeren Länder des Globalen Südens an den Rand gedrängt wurden. Ihr Ruf nach Unterstützung bei der Bewältigung von Schäden und Zerstörungen infolge des Klimawandels – wenn die Grenzen der Anpassung erreicht sind – blieb wieder nahezu ungehört. Mit Glück können sie in den kommenden Jahren auf begrenzte technische Unterstützung etwa bei der Planung beim Wiederaufbau nach Unwetterkatastrophen hoffen, nicht aber auf Finanzhilfen für den Wiederaufbau selbst. Mit den wachsenden Kosten der ökonomischen Folgeschäden bleiben die betroffenen Länder also weiterhin allein. Diese kolossale Ungerechtigkeit ist der hässliche Fleck auf dem Ergebnis von Glasgow.
Im Abschlussdokument sind die Industrieländer aufgerufen, ihre Unterstützung für die Anpassung an die klimatischen Veränderungen zu verdoppeln. Damit bleibt die Konferenz ein gutes Stück hinter den Forderungen der einkommensschwachen Länder zurück. Trotzdem ist das ein Schritt nach vorne, den nun auch die nächste Bundesregierung gehen muss, indem sie die Klima-Hilfen aus Deutschland in den kommenden Jahren über die geltenden Zusagen der bisherigen Bundesregierung hinaus deutlich erhöht.
Der Appell der Konferenz an alle Länder, ihre Klimaziele nachzubessern, wird erst dann zum Erfolg, wenn vor allem die G20-Länder diesem Appell auch folgen. Niemand darf sich jetzt zurücklehnen. Keine der großen Wirtschaftsnationen ist derzeit bereit, ausreichend und fair zum global nötigen Klimaschutz beizutragen, auch Deutschland nicht. Glasgow sendet damit ein unmissverständliches Signal an die laufenden Koalitionsverhandlungen in Berlin: Die nächste Bundesregierung muss unverzüglich einen robusten Plan vorlegen, der Deutschland auf einen mit der 1,5°C-Grenze des Pariser Abkommens verträglichen Pfad bringt. Hier müssen sich vor allem FDP und SPD in den nächsten Wochen deutlich bewegen, wenn sie die Beschlüsse von Glasgow nicht im Kleinklein ihrer Klientelpolitik gleich wieder verraten wollen.
Problematisch sind Teile der Ergebnisse zur Umsetzung des Artikel 6 des Pariser Abkommens. Ab demnächst sollen ungenutzte CO2-Gutschriften aus alten Klimaschutzprojekten mit oft zweifelhafter Qualität unter den Mechanismen des Kyoto-Protokolls auf die derzeitigen Klimaziele der Länder unter dem Pariser Abkommen angerechnet werden dürfen. Diese ‚heiße Luft‘ hat schon damals über das Kyoto-Protokoll den europäischen Emissionshandel geschwächt. Auch für Unternehmen, die sich vielleicht weniger aus Einsicht, sondern eher zu PR-Zwecken die Klimaneutralität zum Ziel gesetzt haben, bieten die neuen Regeln Gelegenheit für kolossales Greenwashing.
Fast täglich gab es auf der Konferenz außerhalb der formalen Verhandlungen Ankündigungen und neue Initiativen, etwa zum Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle oder zum Ende der öffentlichen Finanzierung fossiler Energien im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit. Solche Initiativen senden zwar wichtige Signal aus, dass sich das Zeitalter der fossilen Klimakiller dem Ende neigt. Sie dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir die Klimakrise nur in den Griff bekommen, wenn die Regierungen solche letztlich freiwillige Initiativen auch in eine Verschärfung ihrer Klimaschutzziele übersetzen."