Grundlage des Berichts sind unter anderem Gespräche mit Bewohner*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen des so genannten „Geschlossenen Zentrums mit kontrolliertem Zugang” (Closed Controlled Access Center, CCAC), das auf der Insel Samos mit EU-Mitteln gebaut und im September 2021 eröffnet wurde. Einige zentrale Ergebnisse:
- Von den 450 Bewohner*innen befanden sich im Dezember 2021 rund 100 seit zwei Monaten de facto in Haft, d.h. sie durften die Anlage nicht verlassen. Und das, obwohl ein griechisches Gericht diese Praxis im vergangenen Dezember für illegal erklärt hat. Die griechische Verwaltung leugnet diese illegale Praxis weiterhin, doch die vom Griechischen Flüchtlingsrat und Oxfam zusammengetragenen Zeugenaussagen belegen das Gegenteil.
- Es gibt wiederholt Vergeltungsmaßnahmen von Sicherheitskräften in Reaktion auf Veröffentlichungen von NGOs, Medienberichte oder rechtliche Schritte von Asylbewerber*innen gegen ihre Inhaftierung. Dazu gehören Razzien am frühen Morgen, nicht begründete Verlegungen auf die Polizeiwache oder mündlich übermittelte Räumungsbescheide.
- Es gibt eine ständige Videoüberwachung aller Bewohner*innen und eine Ausgangssperre ab 20 Uhr. Zugang zum Camp haben Bewohner*innen nur mit einer speziellen Karte, die künftig auch Voraussetzung dafür sein wird, Lebensmittel und Kleidung zu erhalten. Doch Neuankömmlinge sowie einige weitere Personengruppen haben diese Karte nicht und sind dadurch stark eingeschränkt.
Das CCAC auf Samos ist Vorbild für die Einrichtung von weiteren Zentren auf den griechischen Inseln, in die die Europäische Union 276 Millionen Euro investiert. Nach Aussage eines EU-Beamten sollen sie ein „neues Kapitel in der Migrationssteuerung" einläuten. Deutlicher wird der griechische Minister für Migration und Asyl, der als Ziel ausgibt, Asylsuchende „davon abzuhalten, überhaupt zu kommen".
Alkistis Agrafioti vom Griechischen Flüchtlingsrat berichtet von seinen Eindrücken beim Besuch des CCAC: „Es fühlt sich an wie ein Gefängnis in der Mitte von Nirgendwo. Die Sicherheitskräfte sind überall präsent und man fühlt sich auf Schritt und Tritt verfolgt. Beim Betreten und Verlassen des Geländes müssen die Menschen eine ganze Reihe von Sicherheitsmaßnahmen durchlaufen: Drehkreuze, Magnetschleusen, Röntgenstrahlen, Scannen von Karten und Fingerabdrücken, dazu Körper- und Taschenkontrollen. Selbst Kinder, die zur Schule gehen, sind Berichten zufolge dieser täglichen Prozedur ausgesetzt.“
Stephanie Pope, EU-Migrationsexpertin von Oxfam, erklärt: „Diesen Monat jährt sich das EU-Türkei-Abkommen zum sechsten Mal, während zugleich der internationale bewaffnete Konflikt in der Ukraine Millionen Menschen in die Flucht treibt. Mehr denn je wäre jetzt der Zeitpunkt für die EU, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und gemeinsam Verantwortung für alle Menschen zu übernehmen, die in Europa Zuflucht suchen. Doch sie ist offenbar wild entschlossen, ihre Politik der Abschreckung und der Menschenrechtsverletzungen fortzusetzen."