Im 'Climate Finance Shadow Report 2023' schätzt Oxfam, dass die tatsächliche Unterstützung der reichen Länder im Jahr 2020 womöglich höchstens 24,5 Milliarden Dollar betrug – deutlich weniger, als die 83,3 Milliarden Dollar der offiziellen Berichterstattung. Die Diskrepanz kommt zustande, weil die Geberländer die Klimawirkung vieler Projekte überschätzen und Kredite zum Nennwert angerechnet werden und nicht anhand ihrer Unterstützungsleistung. Sie ergeben sich nicht aus den Krediten selbst, sondern durch ihre oft günstigen Konditionen.
Jan Kowalzig, Referent für Klimapolitik bei Oxfam: „Nicht nur halten die reichen Länder weiterhin ihr Versprechen nicht ein. Auch erlaubt die großzügige Berichtspraxis, sich mit beeindruckend hohen Zahlen zu schmücken, die nicht die tatsächliche Unterstützung für betroffene Länder widerspiegeln. Das beeinträchtigt die Vertrauensbasis zu den einkommensschwachen Ländern.”
Die Untersuchung stellt außerdem heraus, dass rund drei Viertel der Unterstützung über Kredite erfolgt. Den höchsten Anteil an Krediten in ihrer Unterstützung haben Frankreich (92 Prozent), Japan (90 Prozent), Spanien (88 Prozent) und Österreich (71 Prozent). Aber auch die Klima-Hilfen aus Deutschland kommen etwa zur Hälfte als rückzahlbare Kredite.
„Kredite gegen die Klimakrise bereitzustellen, ist zutiefst ungerecht für Länder, die kaum zum Klimawandel beigetragen haben, sich jetzt aber kostspielig an die Veränderungen anpassen müssen. Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, dass die Klima-Hilfen stärker über Zuschüsse bereitgestellt werden”, so Kowalzig.
Weiterer Kritikpunkt des neuen Shadow Reports ist die geringe Unterstützung für die Anpassung an die klimatischen Veränderungen. Viele einkommensschwache Länder verzeichneten in den letzten drei Jahren Hitzewellen in Rekordhöhe; in Teilen Ostafrikas herrschen historische Dürren, die die Hungerkrise verschärfen und ohne den Klimawandel so nicht aufgetreten wären. Pakistan leidet noch heute unter den Auswirkungen der Flut 2022, von der über 33 Millionen Menschen betroffen waren. Trotzdem ist die Unterstützung in diesem Bereich nach wie vor völlig unzureichend. Oxfam schätzt, dass hier die tatsächliche Unterstützungsleistung im Jahr 2020 bei maximal 11,5 Milliarden US-Dollar lag.
„Das reicht nicht einmal ansatzweise. Für die notwendigen Anpassungsmaßnahmen etwa in der Landwirtschaft, zum Schutz vor künftigen Unwetterkatastrophen oder gegen den steigenden Meeresspiegel werden die einkommensschwachen Länder schon bald das Dreißigfache brauchen”, so Kowalzig mit Verweis auf Zahlen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen.
Große Leerstelle bei den Klima-Hilfen für gefährdete Länder ist weiterhin der Umgang mit Verlusten und Schäden infolge des Klimawandels, die trotz Anpassung und Klimaschutz nicht zu verhindern sind. Die damit verbundenen Kosten, etwa für den Wiederaufbau nach Stürmen oder die Wiederherstellung von Lebensgrundlagen könnten bis 2030 auf jährlich bis zu 580 Milliarden Dollar ansteigen. Derzeit beraten die Regierungen über die Ausgestaltung eines neuen multilateralen Fonds für die Bewältigung derartiger Klimafolgeschäden. Ob der Fonds am Ende auch mit ausreichend Mitteln ausgestattet wird, ist jedoch noch unklar.
Bei den Bonner Klimagesprächen in den kommenden zwei Wochen steht auch das Vorhaben auf der Agenda, das bisherige 100-Milliarden-Versprechen der Industrieländer durch ein neues Globalziel für die Klimafinanzierung ab 2025 zu ersetzen.
„Dieses neue Ziel muss darauf ausgerichtet werden, jährlich nicht einhundert, sondern gleich mehrere hundert Milliarden Dollar für die einkommensschwachen Länder zu mobilisieren, für den Klimaschutz, für die Anpassung an den Klimawandel und insbesondere auch für die Bewältigung unvermeidlicher Folgeschäden. Dafür braucht es auch Instrumente, um die Verantwortlichen der Klimakrise stärker zur Kasse zu bitten, etwa durch eine Übergewinnsteuer auf die Profite fossiler Konzerne”, erklärt Kowalzig.