Die Studie zeigt:
- Bis 1996 wurde auf Vermögen in Deutschland eine Vermögensteuer von einem Prozent fällig. Weil sie seitdem ausgesetzt ist, fehlen mehr als 380 Milliarden Euro in der Gemeinschaftskasse. Das sind knapp 80 Prozent des Bundeshaushalts 2024.
- Seit 2001 sind die Vermögen der hundert reichsten Deutschen um etwa 460 Milliarden Euro gewachsen.
- Unter den aktuell 226 deutschen Milliardär*innen finden sich nur 29 Personen, die sich ihrer Steuerpflicht durch Wegzug entziehen wollten.
- Seit 1972 wurden sowohl die Gesetze gegen Steuerflucht als auch die Maßnahmen gegen illegale Steuerhinterziehung verschärft. Mit einer Kombination aus Wegzugsteuer und der Besteuerung von Unternehmensverlagerungen ins Ausland steht mittlerweile ein umfassender Werkzeugkasten gegen Steuerflucht zur Verfügung.
- Steuerflucht ist teuer. Das zeigt eine Beispielrechnung: Wollte BMW-Erbin Susanne Klatten mit ihren BMW-Anteilen und ihrem aus den BMW-Dividenden gewachsenen Vermögen heute ins Ausland ziehen, müsste sie knapp 6,5 Milliarden Euro Steuern zahlen, was rund 30 Prozent ihres geschätzten Vermögens entspricht.
Manuel Schmitt, Referent für Soziale Ungleichheit von Oxfam Deutschland: „Die Studie zeigt ganz klar: Der Kampf gegen Steuerflucht ist vor allem eine Frage des politischen Willens. Anstatt im Bundeshaushalt zum Kahlschlag u.a. bei der Entwicklungszusammenarbeit und bei Sozialausgaben anzusetzen, sollte die Bundesregierung die Besteuerung sehr hoher Vermögen endlich auf die Tagesordnung setzen. So könnte die demokratiegefährdende Vermögenskonzentration verringert und dringend benötigte finanzielle Mittel für den sozialen Zusammenhalt und den Klimaschutz generiert werden – in Deutschland und weltweit.“
Christoph Trautvetter, Netzwerk Steuergerechtigkeit: “Die Angst vor der Steuerflucht ist in der Bevölkerung genauso wie in der Politik weit verbreitet. Aber die Angst ist irrational. Steuerflucht ist kein Schicksal und auch kein Massenphänomen. Die wenigsten Menschen kennen die bereits sehr wirksamen und weitreichenden Gegenmaßnahmen. Und anders als einzelne Skandale das nahelegen, sind die meisten großen deutschen Vermögen nicht im Ausland und sie sind über ihr soziales und politisches Kapital mit Deutschland verbunden. Zeit also für eine rationale Debatte über die Besteuerung großer Vermögen.”
Redaktionelle Hinweise
- Am Dienstag, 2. Juli, um 10:00 Uhr MEZ findet ein Pressehintergrundgespräch statt, bei dem zentrale Ergebnisse der Studie vorgestellt werden. Die Veranstaltung findet virtuell via Teams statt. Ein Beitrittslink wird Ihnen nach Anmeldung unter presse@oxfam.de zugesendet. Mit dabei sein werden
- Manuel Schmitt, Oxfam Deutschland
- Michaela Alka, Netzwerk Steuergerechtigkeit
- Christoph Trautvetter, Netzwerk Steuergerechtigkeit
- Moderation: Annika Zieske, Oxfam Deutschland
- 1996 brachte die Vermögensteuer noch Einnahmen von 4,6 Milliarden Euro. Hätten sich die Steuereinnahmen wie im Schnitt der letzten Jahre vor der Aussetzung der Steuer weiterentwickelt, wären die jährlichen Einnahmen aus der Vermögensteuer bis 2023 auf etwa 30 Milliarden Euro gestiegen und die gesamten Einnahmen bis zum Jahr 2023 hätten sich auf mindestens 380 Milliarden Euro summiert.
- Gleichzeitig sind die hundert größten deutschen Vermögen um etwa 460 Milliarden Euro angewachsen. Laut der ersten Reichenliste des Manager Magazins aus dem Jahr 2001 summierten sie sich noch auf 263 Milliarden Euro. 2023 waren es dagegen schon 720 Milliarden Euro. Während es 2001 lediglich 69 Milliardär*innen mit einem Vermögen von 243 Milliarden Euro in Deutschland gab, stieg deren Zahl laut Manager Magazin bis 2023 auf 226 mit einem Vermögen von 920 Milliarden Euro.
- Die 29 Personen, die sich vermutlich der Steuerpflicht in Deutschland durch Wegzug entzogen haben, entstammen der Reichenliste des Manager Magazins. Diese lassen sich in drei Kategorien einteilen: 1. Sieben Personen, die zwischen 1953 und 1972 Deutschland verlassen haben, also noch vor Wiedereinführung einer Wegzugsbesteuerung, 2. 12 Personen, die vermutlich Lücken in der Gesetzgebung ausnutzten, die aber zwischenzeitlich geschlossen wurden, 3. Personen, die wahrscheinlich eine Wegzugsbesteuerung entrichtet bzw. ihre Vermögenswerte vor Wegzug in Deutschland veräußert und versteuert haben. Für diese Analyse wurde Presseberichterstattung zugrunde gelegt und soweit wie möglich mit Registerdaten plausibilisiert. Trotz dessen ist es nicht möglich, ein eindeutiges Urteil über diese Fälle zu treffen. Weitere Details können wir auf Anfrage zur Verfügung stellen.
- Für die Berechnung der potenziellen Wegzugsbesteuerung für Susanne Klatten wurde ihr Anteil an BMW zugrunde gelegt, die Anschaffungskosten wurden aufgrund des Erbes (auch ihr Vater hatte diese bereits geerbt) als vernachlässigbar klassifiziert. Dieser Wertzuwachs wird schließlich zum persönlichen Steuersatz von 45 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer besteuert. Durch das Teileinkünfteverfahren ist jedoch nur 60 Prozent davon steuerpflichtig. Durch diese Berechnung ergäbe sich eine Steuer von ca. 3,3 Mrd. Euro nur für die BMW-Anteile. Bei Hochrechnung auf ihr gesamtes Vermögen ergibt sich dabei ein Betrag von 6,5 Mrd. Euro.