Die Studie zeigt:
- Die ungleiche Vermögensverteilung zwischen Männern und Frauen nimmt mit zunehmendem Reichtum immer weiter zu. An der Spitze der Vermögenspyramide ist sie besonders ausgeprägt. Nur 29 Prozent der deutschen Milliardenvermögen gehören Frauen. Zum Vergleich: Frauen besitzen etwa 43 Prozent des gesamten Nettovermögens in Deutschlands.
- Bei rund zehn Prozent der Milliardenvermögen wurden bei der Übertragung auf die jüngere Generation Männer gegenüber weiblichen Nachkommen bevorzugt. Es gab bei den untersuchten Vermögen keinen Fall, bei dem eine Frau einen höheren Unternehmensanteil erhielt als ein männlicher Nachkomme.
- Die fehlende Besteuerung von Vermögen benachteiligt Frauen. Sie haben statistisch gesehen geringere Einkommen und Vermögen als Männer. Zudem erhalten sie seltener große Erbschaften und Schenkungen. Männer erben dagegen häufiger Unternehmensvermögen, für die erhebliche Steuervergünstigungen gelten. Regressive Steuern auf sehr hohe Vermögenseinkommen und große Erbvermögen begünstigen deshalb Männer überproportional.
Pia Schwertner, Referentin für Geschlechtergerechtigkeit bei Oxfam Deutschland: „Am Equal Pay Day liegt der Fokus auf der ungleichen Bezahlung von Frauen und Männern. Doch wir müssen auch auf die Vermögensunterschiede schauen. Die hohen Milliardenvermögen in den Händen weniger Männer gehen einher mit großer politischer und gesellschaftlicher Gestaltungsmacht. Diese Machtkonzentration ist nicht nur ein Problem für die Demokratie, sondern führt auch dazu, dass sich die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern insgesamt verfestigt.”
Julia Jirmann, Referentin für Steuerrecht und Steuerpolitik beim Netzwerk Steuergerechtigkeit: „Steuerliche Sonderregelungen und Privilegien für hohe Vermögenseinkommen höhlen die Umverteilungswirkung des Steuersystems aus. Ein Hindernis für eine geschlechtergerechtere Steuerpolitik ist die unzureichende Datenlage zu Vermögen und Vermögenseinkommen in Deutschland, insbesondere hinsichtlich geschlechtsspezifischer Unterschiede. Unsere Untersuchung nimmt diese Lücke in den Fokus.“
Mit Blick auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen fordern Oxfam Deutschland und das Netzwerk Steuergerechtigkeit als Maßnahmen für mehr Geschlechtergerechtigkeit: Die Bundesregierung sollte Ausnahmen für große Vermögen bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer abschaffen und eine mindestens zweiprozentige Milliardärssteuer einführen. Die daraus generierten finanziellen Mittel müssen in den dringend nötigen Ausbau sozialer Infrastruktur wie Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen fließen, von dem vor allem Frauen profitieren. Außerdem könnte das Geld Kürzungen in der Entwicklungspolitik vermeiden und dazu beitragen, globale Geschlechterungleichheiten abzubauen und die Lebensbedingungen von Frauen und Mädchen weltweit zu verbessern.
Redaktionelle Hinweise:
- Die Auswertung der Daten zu Vermögensverhältnissen sowie Vererbungspraktiken von Milliardenvermögen erfolgte in Zusammenarbeit mit Andreas Bornefeld. Er ist unter anderem Autor bei der Reichenliste des Manager Magazins sowie von Forbes International.
- Untersucht wurden alle 249 vom Manager Magazin im Jahr 2024 gelisteten deutschen Vermögen von über eine Milliarde Euro. Diese beruhen vor allem auf unternehmerischen Vermögen. Die Daten zu den Eigentumsverhältnissen an den einzelnen Gesellschaften stammen aus öffentlich zugänglichen Daten, insbesondere den Registerdaten sowie Geschäftsberichten. Für 181 der 249 Milliardenvermögen lagen ausreichende Informationen zur Analyse vor. Diese umfassen laut Manager Magazin ein Gesamtvermögen von 694,6 Milliarden Euro.
- Eigentümer*innenwechsel bei Gesellschaften, auf denen die Milliardenvermögen beruhen, stammen aus Registerdaten, Geschäftsberichten und Medienberichterstattung. Zudem wurden die familiären Verhältnisse analysiert, um die Gesellschafter*innen den jeweiligen Familienstämmen zuzuordnen. So lässt sich nachvollziehen, wie die Anteile im Erb- oder Schenkungsfall auf verschiedene Nachkommen verteilt werden. Für 169 der 249 Milliardenvermögen standen ausreichende Informationen für eine Analyse zur Verfügung. 20 dieser Vermögen befinden sich noch vollständig im Eigentum der Gründer*innen. Somit konnte die Weitergabe für 149 Vermögen ausgewertet werden.
- Ausgehend von den aktuellsten geschlechterdifferenzierten Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus dem Jahr 2017 halten Männer etwa 57 Prozent des gesamten Vermögens in Deutschland, während Frauen nur 43 Prozent gehört. Zwar erfasst das SOEP Vermögen auf individueller Ebene und liefert damit wichtige Daten zur geschlechtergerechten Vermögensverteilung. Allerdings sind große Vermögen dabei nur unzureichend erfasst. Eine umfassende geschlechtsspezifische Analyse der aktuellsten SOEP-Daten, die auch größere Vermögen umfasst, liegt bislang nicht vor.