Der offene Brief im Wortlaut

An die Regierungen in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Österreich, Griechenland, Slowenien, Belgien, Portugal und der Slowakei

Sehr geehrte Staats- und Regierungschefs und Finanzminister,

wir schreiben Ihnen, da die Verhandlungen zur Einführung der Finanztransaktionssteuer in Europa kurz vor dem Ende stehen und eine historische Einigung zum Greifen nahe ist.

Die Finanztransaktionssteuer ist eine wichtige Steuer für das 21. Jahrhundert. Ihre Zeit ist reif. Als Antwort auf die Finanzkrise ist sie ein geeignetes Mittel, um Finanzspekulation einzudämmen, die Finanzmärkte zu stabilisieren und für Steuerbehörden transparenter zu machen.

Zudem generiert sie substantielle Einnahmen, die dafür genutzt werden können, Arbeitsplätze zu schaffen und öffentliche Leistungen zu sichern. Ebenso können diese Einnahmen dazu dienen, internationale Verpflichtungen zur Unterstützung armer Länder beim Auf- und Ausbau von Gesundheits- und Bildungssystemen einzuhalten und den Kampf gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu finanzieren.

Mit minimalen Steuersätzen von unter 0,1%, ist die Finanztransaktionssteuer für den Finanzsektor problemlos tragbar. Die Finanztransaktionssteuer ist technisch umsetzbar und extrem schwer zu umgehen. Sie ist ökonomisch und sozial erstrebenswert. Und sie ist moralisch richtig.

Eine dauerhafte Erhöhung der Staatseinnahmen mithilfe der Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung nationaler und internationaler Aufgaben ist  dringend notwendig. Nach vielen Jahren des Verhandelns ist eine Einigung überfällig. Wir fordern sie auf, Geschichte zu schreiben und die Finanztransaktionssteuer jetzt einzuführen.

Unterzeichnet von über 250 europäischen Wirtschaftswissenschaftler/innen, u.a.:

Prof. Dr. Gustav Horn, Prof. Dr. Karl-Georg Zinn, Prof. Dr. Rudolf Hickel, Prof. Dr. Dorothea Schäfer, Prof. Dr. Lorenz Jarass, Prof. Dr. Frank Hechtner, Prof. Dr. Achim Truger

Sachlich sind die letzten Bedenken ausgeräumt

Über die Einführung der Finanztransaktionsteuer verhandeln die Regierungschefs und Finanzminister von zehn europäischen Staaten seit 2013. Eine Einigung wurde in den letzten Monaten immer wieder verschoben. Zuletzt hatten zwei der verhandelnden Staaten unerwartet neue Bedenken geäußert, die in den letzten Monaten durch zwei Arbeitsgruppen geklärt werden mussten:

  • Implementierungskosten: Slowenien befürchtete im Vergleich zu den Steuereinnahmen unverhältnismäßig hohe Implementierungskosten.
    Die Arbeitsgruppe schätzt die Implementierungskosten für Slowenien auf eine Million Euro – gerade einmal ein Prozent der erwarteten jährlichen Einnahmen von 100 Millionen Euro.
  • Derivate von Staatsanleihen: Belgien forderte weitgehende Ausnahmen von der Steuer bei Derivaten auf Staatsanleihen.
    Die Arbeitsgruppe schätzt die Mehrkosten für belgische Staatsanleihen auf maximal 60 Millionen Euro in zehn Jahren, also 6 Millionen pro Jahr. Angesichts der Einnahmeerwartungen von mehreren Hundert Millionen Euro eine zu vernachlässigende Größenordnung.

Sachlich steht einer Einigung am 10. Oktober also nichts mehr im Weg. Die Einführung der Finanztransaktionssteuer ist überfällig, denn die Gelder sind dringend nötig, um unter anderem Gesundheit und Bildung weltweit und den internationalen Klimaschutz zu finanzieren. Ein weiteres Zögern der Staats- und Regierungschefs und ihrer Finanzminister in den zehn beteiligten Staaten wäre inakzeptabel.