Als Nadèges Vater starb, musste die Viertklässlerin die Schule abbrechen und auf einem Markt in der Großstadt Cotonou arbeiten, um die Familie mit zu ernähren. Wie Nadège geht es vielen Mädchen in Benin. Den ganzen Tag arbeiten sie auf den Märkten der Großstädte, weil sie Geld verdienen müssen. Sie können nicht zur Schule gehen und haben kaum eine Chance, später einen Beruf zu ergreifen und ein eigenständiges, unabhängiges Leben zu führen.

Doch für Nadège kam der Tag, der das änderte: „Eine Mitarbeiterin von ASSOVIE hat mich angesprochen und gefragt, was ich tue und ob ich zur Schule gehe“, erinnert sich Nadège. „Sie hat mir erzählt, dass ich direkt auf dem Markt zur Schule gehen und vielleicht im Anschluss sogar eine Ausbildung machen könnte. Ich konnte meine Mutter davon überzeugen, und so habe ich in der Marktschule von ASSOVIE den Unterricht besucht.“

Unterricht direkt auf dem Markt

Oxfams lokaler Partner ASSOVIE hilft Mädchen wie Nadège, den Kreislauf aus Abhängigkeit und Ausbeutung zu durchbrechen. Hierfür überzeugt ASSOVIE die Händler/innen und Vormunde der Kinder, sie zweimal in der Woche zum Unterricht gehen zu lassen. Als Schulgebäude hat ASSOVIE Holzhütten direkt auf den Märkten errichtet.

Die Mädchen bekommen hier die Chance, Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen und später eine Ausbildung zu machen. Außerdem klärt ASSOVIE die Mädchen darüber auf, welche Rechte sie haben. Das stärkt ihr Selbstvertrauen und hilft ihnen in ihrem Alltag, der oft von Gewalt und Ausbeutung geprägt ist.

Auch Nadège besuchte eine dieser Marktschulen, und nach drei bis vier Jahren hatten mehrere ihrer Klassenkameradinnen bereits eine Lehrstelle. Nadège wartete noch auf einen Ausbildungsplatz. Sie wollte Friseurin werden. Das war ihr großer Wunsch. Doch ihre Mutter wurde ungeduldig und verschaffte ihr eine Anstellung als Haushaltshilfe in einem anderen Stadtviertel.

Die Familie, bei der Nadège unterkam, behandelte sie sehr schlecht: „Ich bekam nur selten zu essen, wurde für die kleinsten Kleinigkeiten geschlagen und musste von morgens bis abends arbeiten.“ Doch irgendwann ließ Nadège sich diese Behandlung nicht mehr gefallen.

Heimliche Flucht über die Mauer

„Ich habe heimlich meine Sachen gepackt, sie über die Mauer geworfen und bin weggelaufen“, berichtet Nadège. „Ich kannte noch nicht mal den Namen des Viertels und wusste überhaupt nicht, wo ich war. Ich habe mir ein Motorradtaxi gesucht und den Fahrer angebettelt, mich für die Paar Franc, die ich hatte, in mein Viertel zu fahren. Meine Mutter war erst sehr wütend, dass ich heimlich weggelaufen bin. Aber dann hat sie gesehen, wie abgemagert ich war. Ich durfte bleiben und musste nicht zurück.“

Nadège nahm wieder Kontakt mit ASSOVIE auf. Eine Sozialarbeiterin unterstützte sie, endlich den richtigen Ausbildungsbetrieb zu finden. Hier konnte sie schließlich ihre Wunschausbildung zur Friseurin beginnen. Nadège war fest entschlossen, einen guten Abschluss zu machen. Auch wenn ihre Mutter und die Nachbarinnen und Nachbarn nicht an sie glaubten und ihr prophezeiten, sie würde die Ausbildung vorher abbrechen oder schwanger werden. Ungewollte Schwangerschaften sind verbreitet in Benin.

Endlich Friseurin

Ende 2017 hat Nadège nach nur knapp zwei statt der sonst üblichen drei Ausbildungsjahre ihre Prüfung bestanden. „Ich habe das durchgezogen und mich wirklich dahintergeklemmt“, sagt Nadège stolz.

Jetzt brennt sie darauf, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen – so wie all die anderen Mädchen, die ihre Ausbildung beendet haben. Deshalb kommt auch Heiraten für diese nur dann in Frage, wenn der zukünftige Ehemann sie in ihrer beruflichen Laufbahn unterstützt. Und wenn sie einmal selbst Töchter haben, werden sie alles dafür tun, dass die Mädchen eine gute Schul- und Ausbildung bekommen.

 

Neben der direkten Unterstützung schutzbedürftiger Mädchen setzt sich ASSOVIE für einen gesamtgesellschaftlichen Wandel in Benin ein, was die Rechte und den Schutz von Kindern angeht. Hierzu leistet die Organisation zum einen viel Aufklärungsarbeit über Kinderrechte im direkten Umfeld der Mädchen. Zum anderen ist sie – in Medien oder gemeinsam mit anderen Organisationen – mit breiterer Lobbyarbeit aktiv; bis auf Regierungsebene. Weitere Informationen zu ASSOVIEs Arbeit erhalten Sie hier.

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