Seit Beginn des Jemen-Krieges 2015 hat die Bundesregierung Rüstungsexporte im Wert von über einer Milliarde Euro nach Saudi-Arabien genehmigt. Allerdings nicht ohne auf Kritik aus der Opposition und der Zivilgesellschaft zu stoßen. Dem Königreich, das die regierungstreue Militärallianz im Jemen anführt, werden immer wieder Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.

Nichtsdestotrotz erlaubte die Große Koalition alleine im vergangenen Jahr, Rüstungsgüter im Wert von 416 Millionen Euro an den Wüstenstaat zu exportieren.

Als die Ermordung des saudi-arabischen Journalisten und Regime-Kritikers Jamal Kashoggi bekannt wurde, setzte die Bundesregierung die Waffenlieferungen vorerst aus und verlängerte den Rüstungsexportstopp im März um ein halbes Jahr bis zum 30. September. Allerdings gibt es Ausnahmen in Bezug auf deutsche Zulieferungen für EU-Gemeinschaftsprojekte.

Robert Lindner, Experte für humanitäre Krisen und Konflikte bei Oxfam Deutschland, nennt die Verlängerung des Exportstopps dennoch einen Erfolg – vor allem mit Blick auf internationale Abkommen zur Exportkontrolle von Rüstungsgütern.

Kluft zwischen Theorie und Praxis

„Wir waren Mitbegründer der Control Arms Kampagne, die 2014 durch die Ratifizierung des internationalen Waffenhandelsvertrags, des Arms Trade Treaty, erfolgreich abgeschlossen wurde. Dank dieses rechtlich verbindlichen UN-Abkommens haben wir nun bessere Argumente als zuvor, um die Regierung zum Einlenken zu bewegen und Rüstungsexporte an Staaten zu verhindern, die systematisch Menschenrechte verletzen oder Kriegsverbrechen begehen“, erklärt Robert Lindner. Dennoch sieht er eine deutliche Kluft zwischen Theorie und Praxis. „Es gibt auf internationaler und auch auf EU-Ebene relativ gute und restriktive Regeln, aber de facto verfügen die Staaten über einen großen Auslegungsspielraum. Frankreich oder Italien gehen etwa deutlich großzügiger mit Genehmigungen für den Export von Kriegswaffen in Krisenländer um als Deutschland.“

Die Ausnahmen, die sich im Falle Saudi-Arabiens durch EU-Gemeinschaftsprojekte wie zum Beispiel Eurofighter- oder Tornado-Kampfflugzeuge ergeben, kritisiert der Jemen-Experte als enorme Schlupflöcher. „Es fehlt eine einheitliche, restriktive Handhabung des Waffenhandelsvertrages innerhalb der EU. Da müssen wir weiter Druck ausüben.“ Trotz aller Einschränkungen verübte die saudiarabische Militärkoalition in den vergangenen vier Jahren 20.000 Luftangriffe, unter denen vor allem die jemenitische Zivilbevölkerung leidet. „Eine einheitliche, menschenrechtsorientierte, europäische Rüstungspolitik ist daher dringender denn je“, sagt Robert Lindner.

Dieser Artikel wurde zuerst in der Sommer-Ausgabe der EINS veröffentlicht:

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