Vor der zweiten Bonner Afghanistan-Konferenz im Dezember sind viele afghanische Frauen besorgt, dass ein politischer Ausgleich mit radikalen Kräften in ihrem Land wichtige Errungenschaften der letzten zehn Jahre gefährden könnte. Laut der neuen Oxfam-Studie „A Place at the Table: Safeguarding Women's Rights in Afghanistan“ sehen Frauen besonders ihren Zugang zu Bildung und Gesundheitsfürsorge sowie ihr Recht auf politische Mitsprache in Gefahr. Oxfam fordert die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft dazu auf, bei einer politischen Einigung mit Aufständischen die in der afghanischen Verfassung verankerten Frauenrechte unmissverständlich zu sichern.

Zehn Jahre nach der ersten Petersberg-Konferenz in Bonn will die internationale Gemeinschaft am 5. Dezember 2011 über zentrale Fragen zu Frieden und Entwicklung in Afghanistan beraten. Oxfam fordert, dass in der Konferenz sichergestellt wird, dass die afghanischen Frauen an diesen Fragen nicht nur symbolisch beteiligt, sondern umfassend in alle Verhandlungen einbezogen werden. Sonst ist zu befürchten, dass bei künftigen Friedensabkommen die Rechte der Frauen dem machtpolitischen Ausgleich mit Extremisten geopfert werden. Sämtliche Friedensvereinbarungen müssen geeignete Maßnahmen enthalten, um etwa Schulbildung für Mädchen und den Zugang von Frauen zur Gesundheitsfürsorge zu sichern.

Die Oxfam-Studie beschreibt bedeutende Verbesserungen der Lage der Frauen in verschiedenen Lebensbereichen in Afghanistan seit 2001, stellt aber auch rückläufige Tendenzen fest. So gibt es heute rund 2,7 Millionen Schülerinnen, verglichen mit wenigen Tausend zu Taliban-Zeiten. 72 Prozent aller Mädchen in schulpflichtigem Alter gehen jedoch immer noch nicht regelmäßig zur Schule, besonders in umkämpften und ländlichen Gebieten.

Eine Erfolgsgeschichte ist der Frauenanteil von 28 Prozent im afghanischen Parlament, einer der höchsten Werte weltweit. Andere politische Funktionen bleiben Frauen hingegen weitgehend verschlossen. So gibt es derzeit nur eine Ministerin, verglichen mit drei im Jahr 2004. Im Afghanischen Hohen Friedensrat, den der kürzlich ermordete frühere afghanische Präsident Burhanuddin Rabbani leitete, sind nur neun von 70 Mitgliedern Frauen.

Eine zwiespältige Bilanz weist das Gesetz zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen von 2009 auf, das Ehrenmord, Kinderehen und Zwangsverheiratung verbietet. Es wird jedoch nur in zehn von 34 afghanischen Provinzen umgesetzt. Im zweiten Quartal 2011 ist gegenüber dem Vorjahr zudem eine deutliche Zunahme von Gewaltakten gegen Frauen zu verzeichnen.