Regierungsvertreter aller UN-Mitglieder konnten sich nicht auf gemeinsame Standards zur Kontrolle von internationalen Rüstungstransfers einigen.

Trotz einer deutlichen Mehrheit von Staaten, die für ein Verbot von unverantwortlichen Waffenlieferungen eintraten und trotz des massiven Drucks weltweiter Nichtregierungsorganisationen, ist am 27. Juli die vierwöchige Verhandlungskonferenz zu einem globalen Abkommen zur Kontrolle des Handels mit konventionellen Waffen (Arms Trade Treaty, kurz: ATT) bei den Vereinten Nationen in New York ohne Ergebnis zu Ende gegangen.

Erfolg war zum Greifen nahe

Eine Einigung schien bis kurz vor Ende möglich, doch eine Erklärung der USA am letzten Verhandlungstag, es bestünde zu wenig Zeit für eine gründliche Prüfung und weitere Verbesserung des letzten Textentwurfes, leitete unerwartet die Wende ein. Als sich kurz darauf einige weitere Staaten, darunter Russland, Kuba, Nordkorea und Venezuela dieser Kritik anschlossen, war klar, dass der für eine Beschlussfassung erforderliche Konsens nicht mehr hergestellt werden konnte.

Im Laufe der letzten Verhandlungswoche hatte sich zu allen wesentlichen inhaltlichen Streitpunkten ein Kompromiss angedeutet, doch am Ende scheinen doch politische Motive den Ausschlag gegeben zu haben. Es gibt lediglich Gerüchte darüber, ob letztlich die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen die US-Regierung bewogen haben, eine Einigung auf einen Vertragstext im Rahmen des laufenden Verhandlungsmandats zu verhindern, oder ob doch Bedenken gegen strittige Fragen wie zum Beispiel die Kontrolle von Munition zu stark waren.

ATT-Prozess soll weitergehen

Als Reaktion trug Mexiko im Namen von über 90 Staaten, darunter auch Deutschland und alle übrigen EU-Mitglieder sowie zahlreiche afrikanische, lateinamerikanische und andere Staaten, ein gemeinsames Konferenzstatement vor. Die Gruppe bedauerte darin das Scheitern der Konferenz, sprach sich jedoch für eine rasche Weiterführung des ATT-Prozesses im UN-Rahmen ein. Am nächsten Tag äußerte das US-Außenministerium in einer Pressemitteilung einen ähnlichen Vorschlag

Oxfam, Amnesty und weitere Mitglieder der „Control Arms“-Kampagne kritisierten in einer gemeinsamen Pressemitteilung das Vorgehen der USA und anderer Staaten und äußerten ihre Hoffnung, es sei jetzt nicht mehr die Frage ob, sondern nur noch wann ein Vertrag zustande kommen würde.

Noch erscheint unklar, wann, in welchem Format und auf welcher Grundlage die nächste Stufe der ATT-Verhandlungen beginnen könnte. Vieles spricht dafür, dass der letzte Entwurfstext für den Vertrag vom 27. Juli 2012 die inhaltliche Grundlage bilden wird. Allerdings enthält dieses Dokument teils gravierende Mängel und Lücken, die während der Konferenz nicht mehr beseitigt werden konnten. Auch wäre es wenig erfolgversprechend, wenn die weiteren Verhandlungen wie bisher auf Konsensbasis geführt werden müssten.

Inhaltliche Baustellen beheben

Aus Sicht von „Control Arms“ bzw. Oxfam müssen bei neuen Verhandlungen mindestens folgende Probleme behoben werden, die im letzten Vertragsentwurf noch bestehen:

  • Transfers von Rüstungsgütern, die mit großer Wahrscheinlichkeit für Völkermord, Kriegsverbrechen und andere schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts eingesetzt werden, dürfen ausdrücklich nicht genehmigt werden. Transfers, die schwere Menschenrechtsverletzungen zur Folge haben würden, dürfen nicht dadurch gerechtfertigt werden können, dass sie unter Umständen auch positive Auswirkungen auf Frieden, Sicherheit und Stabilität haben können.
  • Es müssen alle konventionellen Rüstungsgüter, darunter insbesondere Kleinwaffen, Munition, Polizei- und sonstige Sicherheitstechnik sowie Rüstungskomponenten kontrolliert werden, nicht nur die im bestehenden UN-Register für konventionelle Waffen aufgeführten militärischen Großwaffen und wenige andere Rüstungsgüter.
  • Neben Verkäufen von Rüstungsgütern müssen ausdrücklich auch Schenkungen und Leihgeschäfte sowie unentgeltlich gewährte Militärhilfen kontrolliert werden – andernfalls würden bedeutende Regelungslücken bestehen.
  • Es dürfen keine Ausnahmen für Verteidigungskooperationen gewährt werden – sonst wären zum Beispiel die russischen Waffenlieferungen an die syrische Armee weiterhin erlaubt.
  • Jährliche Berichte der Unterzeichnerstaaten über ihre Genehmigungen bzw. erfolgten Ausfuhren müssen öffentlich gemacht werden und es dürfen dabei keine mit nationalen Sicherheitsinteressen oder privaten Geschäftsgeheimnissen begründete Ausnahmen gewährt werden.
  • Verbesserungen und sonstige Anpassungen eines künftigen Abkommens müssen von den Vertragsparteien mit Zweidrittelmehrheit anstelle von Einstimmigkeit beschlossen werden können.

 

Ausführlicher Artikel von Robert Lindner: "Arms Trade Treaty: Ende oder neuer Anfang?" in DAKS-Kleinwaffen-Newsletter Nr. 84, 09/2012.