Wer dem neuen globalen Leitfaden zur sozialen Verantwortung von Unternehmen und Organisationen folgt, darf auch in Zulieferbetrieben keine ausbeuterischen Arbeitsbedingungen dulden. Oxfam Deutschland hat die Verhandlungen zu ISO 26 000 seit 2007 begleitet und, gemeinsam mit anderen Nichteregierungsorganisationen, maßgeblich beeinflusst.

Hintergrund

Indische Landarbeiterinnen ernten täglich bis zu zehn Stunden lang Obst und Gemüse für die deutsche Metro-Gruppe, bekommen dafür aber nur 85 Eurocent Lohn. Das reicht selbst in Indien bei Weitem nicht aus, um eine Familie zu ernähren.

Der Ende 2010 verabschiedete Leitfaden ISO 26 000 soll Unternehmen dabei helfen, solche Missstände in ihrer Lieferkette zu beseitigen. Das war jedenfalls die Absicht der Verbraucherorganisationen und anderer Interessengruppen, die 2004 den Prozess bei der Internationalen Normungsorganisation (ISO) ins Leben riefen. Ob sie ihr Ziel wirklich erreicht haben, muss sich erst noch zeigen.

Entgegen früherer Gepflogenheiten waren bei der Entwicklung des Leitfadens zum ersten Mal Vertreter verschiedener Interessensgruppen vertreten: Unternehmen, Zivilgesellschaft, Gewerkschaften, Verbraucherorganisationen und Wissenschaft sowie Beratungsfirmen aus Industrie- und Entwicklungsländern weltweit. Gemeinsam mit anderen Nichtregierungsorganisationen konnte Oxfam sicherstellen, dass wesentliche Kernelemente sozialer Unternehmensverantwortung in das Regelwerk aufgenommen wurden.

Gesellschaftliche Verantwortung

So schließt bereits die Definition gesellschaftlicher Verantwortung auch die Geschäftspartner und Zulieferer von Organisationen und Unternehmen mit ein. Beispielsweise muss eine Firma, die dem Leitfaden folgt, dafür sorgen, dass in ihrer Lieferkette keine Kinderarbeit stattfindet.

Auch ist zu begrüßen, dass sich die Organisationen und Unternehmen mit allen Kernthemen der sozialen Verantwortung, angefangen von Menschen- und Arbeitsrechten, über Umwelt- und Verbraucherschutz, bis hin zu fairem Geschäftsgebaren und dem Verhalten gegenüber indigenen Bevölkerungsgruppen zumindest auseinandersetzen müssen. ISO 26 000 ist der erste Verhaltenskodex in diesem Bereich, der ausdrücklich vorsieht, Zulieferern faire Preise zu zahlen und angemessene Lieferzeiten einzuräumen.

Probleme des freiwilligen Verhaltenskodexes

Das große Manko des freiwilligen Verhaltenskodex ist, neben vagen Formulierungen, jedoch die Tatsache, dass seine Einhaltung ausdrücklich nicht überprüft wird. Es fehlt an konkreten Vorgaben, wie Unternehmen die Arbeitsbedingungen bei Zulieferern verbessern können. Außerdem steht jedem Unternehmen frei, ob es den Leitfaden befolgt oder nicht. Daher ist zu befürchten, dass sich viele Unternehmen auf die Einhaltung von ISO 26 000 berufen werden, ohne dies wirklich zu tun. Mit anderen Worten: Es besteht die Gefahr des „Greenwashing“. Bereits jetzt gibt es im Internet zahlreiche Angebote zur „Zertifizierung“ nach ISO 26 000, obwohl eine Zertifizierung in dem Leitfaden offiziell ausgeschlossen ist.

Trotz dieser Missbrauchsgefahr ist der Leitfaden ein Schritt in die richtige Richtung, denn er stellt klar, was gesellschaftliche Unternehmensverantwortung bedeutet. Die mangelnde Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten, auch in der Lieferkette, kann eben nicht durch die Förderung eines lokalen Turnvereins kompensiert werden. Durch Bewusstseinsbildung kann ISO 26 000 Unternehmen dazu bringen, Umwelt- und Menschenrechte stärker zu achten.