Grillen zirpen, die Sonne scheint auf ein Meer aus riesigen grünen Blättern – Bananenstauden, soweit das Auge blickt. Die Arbeiter*innen auf der Plantage packen gerade die empfindlichen Früchte ein, da ertönt plötzlich ein ohrenbetäubendes Dröhnen: Ein Pestizidflugzeug fliegt tief und versprüht seine Wolke aus Gift direkt über den Köpfen der Arbeiter*innen. „Man versteckt sich unter den Blättern, damit die Flüssigkeit einen nicht trifft“, erzählt ein Arbeiter einer Plantage für Aldi-Bananen in Costa Rica. Ein- bis zweimal pro Woche kommt das Flugzeug – wann genau, weiß niemand. „Sie holen die Arbeiter*innen nicht aus der Plantage, wenn gesprüht wird. Sie sagen den Arbeiter*innen auch nicht Bescheid.“
Giftdusche aus dem Flugzeug
Auf einer Plantage für Rewe-Bananen in Ecuador läuft es ähnlich: „Heute gab es eine Luftbesprühung per Flugzeug, wir waren alle noch bei der Arbeit“, erzählt ein Arbeiter. „Niemand ist vom Feld heruntergegangen, niemand hat uns Bescheid gesagt. Die Flüssigkeit ist sehr intensiv, nicht mal Masken bekommen wir, um dem starken Geruch nach Gift zu entgehen.“
Auch auf Plantagen, die Edeka beliefern, berichten Arbeiter*innen: „Manchmal haben sie auch nachmittags um vier Uhr gesprüht. […] Die Arbeiter*innen, die geerntet haben, waren da noch in der Plantage.“
Warum stellen die Plantagen keine geeignete Schutzkleidung zur Verfügung? Mitverantwortlich für die schlechten Arbeitsbedingungen ist auch der Preisdruck der deutschen Supermärkte: Damit die Marge stimmt, muss das Obst möglichst billig im Einkauf sein. Dieser Preisdruck wird entlang der Lieferkette weitergereicht – bis zu den Arbeiter*innen auf dem Feld.
Das zeigt sich auch bei den Löhnen: Der Mindestlohn für Landarbeiter*innen in Costa Rica liegt bei 11.738,83 Colones pro Tag, das entspricht rund 20 Euro. Doch viele Arbeiter*innen auf den Plantagen berichten, dass sie deutlich weniger bekommen – z.B. zwischen 5.000 und 10.000 Colones pro Tag, also zwischen rund 10 und 18 Euro, laut einem Arbeiter, der Aldi-Bananen anbaut.
„Wenn wir den Lohn den Lebenshaltungskosten gegenüberstellen, sehen wir, dass der Lohn nicht ausreicht“, erklärt auch ein Arbeiter auf einer Bananen-Plantage in Costa Rica, die für Lidl produziert. „Alles wird teurer, selbst Reis, Bohnen, Salz, Speiseöl, aber was am wenigsten steigt, ist der Lohn. […] Das trifft uns sehr.“
Auftrags-Ausbeuter
Besonders hart trifft es Migrant*innen aus Nicaragua, die häufig über „Contratistas“ angestellt sind. Contratistas lassen sich am besten als Auftrags-Ausbeuter beschreiben:
„Ich war wie versklavt“, erzählt Walter Montoya, der für einen Contratista auf einer Plantage gearbeitet hat, die an Lidl liefert. „Und nicht nur ich, es gab eine Unzahl von Personen, die versklavt waren. Sie wurden zum Arbeiten geschickt und sie bekamen vielleicht 3000 oder 2500 Colones [rund 9 Euro pro Tag] bezahlt; Personen, denen die Krankenversicherungsbeiträge gestohlen wurden. All das wissen sie [die Firma].”
Auch in Ecuador werden die Löhne gedrückt: „Sie zahlen uns nicht für Vollzeit, lassen uns aber Vollzeit arbeiten“, erklärt eine Arbeiterin auf einer Bananen-Plantage, die für Rewe produziert. „Sie lassen uns um 6 [Uhr morgens] anfangen und wir arbeiten bis 6 Uhr abends. Diese Überstunden werden uns nicht bezahlt. […] Auf der Lohnabrechnung steht eine Summe Geld, aber auf dem Konto steht eine andere. Sie zahlen uns nicht, was wir vermeintlich verdienen.“
Frauen und Ältere diskriminiert
Wer jahrzehntelange gesundheitsgefährdende Arbeit überstanden hat, kann sich immerhin auf eine bescheidene Rente freuen – in Ecuador z.B. schreibt das Gesetz nach 25 Jahren im Betrieb eine Betriebsrente vor. Was tut also der sparsame Plantagenbesitzer? „Ich wurde entlassen, ungefähr einen Monat bevor ich die Betriebszugehörigkeitsjahre erreicht hatte, ab denen mir eine Rente zugestanden hätte“, erzählt ein ehemaliger Arbeiter eines Edeka-Zulieferers in Ecuador. „Das betrifft nicht nur mich, wir sind eine Gruppe von ungefähr 300 Arbeiter*innen, die in dieser Art entlassen wurden.“
„Die älteren Kolleg*innen werden noch mehr ausgebeutet“, erklärt ein Arbeiter auf einer Plantage für Rewe-Bananen. „Sie lassen sie schwerere Arbeiten machen, damit sie von allein gehen und ihre Kündigung unterschreiben.“
Von Diskriminierung berichten auch Frauen auf der Plantage: „Wir werden mehr ausgebeutet [als die Männer]. Sie marginalisieren uns, behandeln uns schlecht, beschimpfen uns, die Chefs, Ingenieure, Vorarbeiter.“ Auch bei den Löhnen berichten Frauen von Benachteiligung: „Die Männer verdienen mehr und wir verdienen weniger. Den Männern zahlen sie etwa 13 US-Dollar [rund 12 Euro] pro 1000 Kisten, uns nur 10,24 US-Dollar [rund 10 Euro].“
Mutige Gewerkschaften
Viele Arbeiter*innen wollen sich gegen die Missstände wehren und organisieren sich gewerkschaftlich. Doch dafür braucht es Mut, denn wer gegen das Unternehmen aussagt, riskiert viel:
„Ich habe viele Kolleg*innen, die entlassen wurden, nur weil sie mit mir einen Kaffee oder ein Getränk getrunken haben“, berichtet der Gewerkschafter Cristino Hernández von einer Plantage eines Aldi-Lieferanten. „Sie bekommen keine Arbeit mehr, weil Gewerkschaften nicht geachtet werden.“
Auch Cristino Hernández selbst hat es inzwischen getroffen: Ein Teil der Farm wurde unter fadenscheinigen Gründen im August 2023 verkauft und dabei alle Arbeiter*innen entlassen. Ein Großteil der Beschäftigten wurde nach dem Verkauf wieder eingestellt – Gewerkschaftsmitglieder bekamen aber keinen Job.
„Es nennt sich ‚die schwarze Liste‘“, erklärt ein*e ehemalige*r Arbeiter*in einer Zulieferer-Plantage von Edeka. „Wenn mein Name auf der Liste ist, wird diese Liste an alle Unternehmen weitergereicht. Wenn das passiert, findest du keine Arbeit mehr in keinem Unternehmen. […] Das ist vielen Kolleg*innen passiert.“
Auch Familienangehörige von Gewerkschaftsmitgliedern sind von den Verstößen gegen die Vereinigungsfreiheit betroffen, berichtet ein Arbeiter eines Lidl-Lieferanten: „Wenn Familienmitglieder von mir auf der Plantage arbeiten wollen, werden sie abgelehnt. Dann wird einem gesagt: ‚Wenn Sie wollen, dass Ihr Bruder, Ihr Vater oder Ihr Neffe hier arbeitet, müssen Sie aus der Gewerkschaft austreten.‘“
Trotz dieser widrigen Bedingungen kämpfen Gewerkschaften in Ecuador und Costa Rica weiter für die Rechte der Arbeiter*innen. Das führt inzwischen sogar dazu, dass sie Morddrohungen erhalten.
Was Supermärkte bisher tun: Siegel, Zertifizierungen und Audits
Einmal im Jahr fährt ein Auto vor, jemand in Hemd und Krawatte steigt aus und macht fleißig Häkchen auf einem Formular. Dafür gibt es dann einen grünen Frosch oder ein anderes hübsches Siegel auf dem Produkt. Für die Supermärkte ist es bequem, sich auf solche Zertifizierungen und Audits zu verlassen. Doch die bringen nichts, um die Situation auf den Plantagen zu verbessern.
Denn für die Zertifizierungsfirmen ist der Kunde König – und der Kunde ist das Unternehmen, das die Zertifizierung bezahlt. Plantagen-Arbeiter*innen eines Lidl-Zulieferers in Costa Rica sprechen Klartext: „Zertifizierungsfirmen wie Rainforest [Alliance] kommen hierher und nehmen lediglich Lügen und Falschheiten mit. Sie zertifizieren das Unternehmen und sagen, dass es die Anforderungen erfüllt, und das ist falsch. Eine Lüge. Das Unternehmen umgeht alle Hindernisse, aber hält die Regeln, die die Abnehmer stellen, nicht ein.“
Wer also wissen will, was tatsächlich auf den Plantagen passiert, muss den Arbeiter*innen und Gewerkschaften zuhören.
„Wir haben die Vorgesetzten darum gebeten, dass sie uns mit zu den Audits nehmen“, erzählt ein Arbeiter auf einer Plantage in Costa Rica, die Aldi beliefert. „Aber sie bringen nur ihre eigenen Leute. Sie lassen sie in der Nähe arbeiten, wo [die/der Auditor*in] vorbeikommt und sagen ihnen: ‚Das wird passieren und das hier sagt ihr und nicht mehr.’“
Arbeiter*innen auf einer Plantage für Rewe-Bananen in Ecuador erhielten am Tag vor dem Audit folgende Sprachnachricht: „Morgen haben wir voraussichtlich Besuch von einer Person von ‚Rainforest‘. […] Nur Glyphosat darf verwendet werden. Nicht verwendet werden dürfen Ammonium-Glufosinat und Paraquat. Das heißt, auf den Plantagen darf es keine Behälter dieser zwei Produkte geben. Nur Glyphosat, nur dieses wird berichtet.” Daraufhin mussten Arbeiter*innen die Pestizidbehälter verstecken oder entsorgen.
Welche Supermärkte Verantwortung übernehmen – und welche nicht
Wir sind mit allen großen Supermarktketten seit Längerem im Austausch und bieten ihnen an, den Kontakt zu Gewerkschaften und Arbeiter*innen vor Ort zu vermitteln. Denn zu ihrer Sorgfaltspflicht nach dem Lieferkettengesetz gehört, dass sie dafür sorgen, dass die oben beschriebenen Menschenrechtsverletzungen nicht mehr passieren. Dazu müssen sie sich mit den Betroffenen austauschen. Und sie haben die Macht, etwas zu verändern, denn die vier großen Supermarktketten beherrschen 85 % des deutschen Lebensmittel-Einzelhandels.
Auf Bananenplantagen aller vier großen Supermärkte – Aldi, Edeka, Lidl und Rewe – haben Gewerkschaften vor Ort Menschenrechtsverletzungen festgestellt und sich darüber bei den Supermärkten beschwert. Wie sollte ein Supermarkt auf solche Beschwerden reagieren? Der erste Schritt ist eigentlich ganz einfach: Mit den Beschwerdeführerinnen in den Austausch zu gehen.
Aldi und Lidl haben das getan: Sie haben sich den Vorwürfen gestellt und verhandeln inzwischen mit Gewerkschaften und Zulieferern. Anders Edeka und Rewe: Sie wollen lieber weiter Augen und Ohren verschließen und an die Magie der Audits und hübschen Siegel glauben. Der Rewe-Zulieferbetrieb Otisgraf war bis Juli 2023 von Rainforest Alliance zertifiziert. Erst auf die Beschwerde der Gewerkschaft ASTAC hin hat der Betrieb die Zertifizierung verloren. Rewe hat einen Maßnahmenplan für die Plantage erstellt, aber hierbei die Beschäftigten und ASTAC wieder nicht einbezogen. Nach einem ersten Gespräch zusammen mit Rewe und ASTAC über die Situation Anfang August gab es keine weiteren Gespräche zwischen dem Unternehmen und der Gewerkschaft. Edeka will die Missstände nicht einmal anerkennen – bei eigenen Untersuchungen der Vorwürfe wurden die Gewerkschaft und die betroffenen Arbeiter*innen nicht einmal einbezogen.
Deshalb haben wir nun gegen Edeka und Rewe Beschwerden nach dem Lieferkettengesetz bei der zuständigen Behörde eingelegt: dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Wie geht es jetzt weiter?
Das BAFA als Kontrollbehörde muss jetzt unseren Hinweisen auf Verstöße gegen das Lieferkettengesetz nachgehen. Es darf nicht folgenlos bleiben, wenn einzelne Unternehmen wie Rewe und Edeka gegen das Gesetz verstoßen, während andere ihre gesetzlichen Pflichten ernst nehmen. Wir erwarten, dass das BAFA den Unternehmen konkrete Anweisungen geben wird und klar formuliert, welche Anforderungen es an Prävention und Abhilfe bei Menschenrechtsverletzungen gibt. Wenn Unternehmen ihre Pflichten nicht erfüllen, kann das BAFA Bußgelder verhängen: bis zu 2 % des Jahresumsatzes.
Wir bleiben dran
Oxfam wird die behördliche Durchsetzung des Lieferkettengesetzes durch das BAFA anhand der eingereichten Beschwerden gegen Edeka und Rewe in den kommenden Monaten verfolgen. Genauso werden wir beobachten, ob Aldi und Lidl tatsächlich angemessene Maßnahmen ergreifen, um in Zusammenarbeit mit den lokalen Gewerkschaften bestehende Probleme strukturell zu beheben.
Wollen Sie auf dem Laufenden bleiben? Dafür gibt es unseren Newsletter:
Zusammenfassung der Fälle
Jardín del Tigre / Aldi
Aldi bezieht über das irische Unternehmen Fyffes Bananen von der Farm Jardín del Tigre aus Costa Rica. Zusammen mit der Gewerkschaft SITRAP haben wir bei Aldi eine Beschwerde gegen die Missstände vor Ort eingereicht:
- Flugbesprühungen während der Arbeitszeit
- zu niedrige Lohnzahlungen
- Diskriminierung von gewerkschaftlich organisierten Arbeiter*innen.
Der Zwischenhändler Fyffes bestritt diese Tatsachen über Monate. Aldi hat daraufhin eine eigene Überprüfung vor Ort durchgeführt und sich außerhalb der Farm mit Gewerkschafter*innen und Arbeiter*innen getroffen. Dabei konnten viele der vorgebrachten Missstände bestätigt werden.
Im August wurde ein Teil der Farm verkauft und vorerst alle Arbeiter*innen entlassen. Anschließend wurden zahlreiche Arbeiter*innen bei dem neuen Eigentümer wieder eingestellt. Alle gewerkschaftlich organisierten Arbeiter*innen haben jedoch keine neue Anstellung erhalten – ein klarer Verstoß gegen die die Vereinigungsfreiheit und auch gegen costaricanisches Recht. Aldi und Fyffes sind inzwischen bereit, über Entschädigungs- und Präventionsmaßnahmen mit der Gewerkschaft zu verhandeln.
Dole / Edeka
Edeka arbeitet mit dem WWF an einem Projekt für eine „nachhaltigere Bananenproduktion“. Auf zwei der an diesem Projekt beteiligten Farmen („Maria Jose“ und „Elba“) hat die Gewerkschaft ASTAC Missstände dokumentiert:
- Aussagen zur Fälschung von Audits
- „Schwarze Listen“: Wer sich beschwert, bekommt keine Arbeit
- Arbeit im Pestizidnebel: Verstoß gegen Wiederbetretungsfristen nach dem Sprühen von Pestiziden
- Diskriminierung: Ältere Arbeiter*innen werden entlassen, kurz bevor sie einen Rentenanspruch erwerben würden
Edeka streitet alle Vorwürfe ab. Eigene Untersuchungen hätten keine Missstände finden können. Wir haben Edeka daraufhin eingeladen, direkt mit Gewerkschafter*innen und Arbeiter*innen vor Ort zu sprechen. Dies hat Edeka jedoch bisher abgelehnt. Daher leiten wir den Fall an die für das Lieferkettengesetz zuständige Behörde weiter und reichen beim BAFA Beschwerde ein.
Otisgraf / Rewe
Bei der ecuadorianischen Bananenzulieferfirma von Rewe, Otisgraf, die mit der deutschen Dürbeck-GmbH verbunden ist, berichten Arbeiter*innen von:
- Unterbezahlung weit unter dem Mindestlohn
- Beschimpfungen und Diskriminierung gegen Frauen
- unangekündigten Pestizid-Besprühungen aus dem Flugzeug
- Entlassungen, Einschüchterungen und Beleidigungen gegen Arbeiter*innen, die sich beschweren
Der Betrieb Otisgraf war bis zuletzt von Rainforest Alliance zertifiziert. Erst auf die Beschwerde der Gewerkschaft ASTAC hin hat der Betrieb die Zertifizierung verloren. Nun hat Otisgraf einige Monate Zeit, um die Lage zu verbessern und das Siegel wieder zu erhalten. Doch bei der Erstellung des Maßnahmenplans wurden die Beschäftigten und ASTAC wieder nicht einbezogen. Nach einem ersten Gespräch über die Situation Anfang August gab es keine weiteren Gespräche zwischen Rewe und der Gewerkschaft.
Grupo Acón / Lidl
Grupo Acón ist eines der größten Ananas- und Bananenunternehmen in Costa Rica.
Bereits seit Jahren berichtet Oxfam über Missstände auf den Plantagen von Grupo Acón, z.B. in den Studien „Endstation Ladentheke“ (2008) und „Grenzenlose Ausbeutung“ (2022).
Die Arbeiter*innen berichten seit Langem u.a. von:
- Lohndumping durch Arbeitsvermittler (Contratistas)
- Pestizidbelastung
- Verfolgung von Gewerkschaften
Besonders schwer haben es nicaraguanische Arbeitsmigrant*innen, die oftmals über Arbeitsvermittler eingestellt werden und wahre Hungerlöhne bekommen.
Die Gewerkschaft SITRAP versucht bereits seit Jahren, bei Grupo Acón Verbesserungen zu erreichen, doch ihre Arbeit wird unterminiert.
Auf die Beschwerde von Oxfam hin erklärte sich Lidl bereit, sich mit der Gewerkschaft SITRAP zur Behebung der Missstände auszutauschen.