Trotz massiver staatlicher Förderung und Rekordgewinnen plant Biontech bislang wenig, um die Impfstoffversorgung in einkommensschwachen Ländern zu verbessern.

Im vergangenen Jahr wurden fast ausschließlich wohlhabende Länder mit Impfstoff beliefert. Das hat dem Unternehmen einen Nettogewinn von 10,3 Milliarden Euro beschert und seinen Aktionär*innen die aktuelle Sonderdividende.

Nur ein Prozent der Produktion ging 2021 an Länder mit geringem Einkommen. Dort haben nur knapp 16 Prozent der Menschen zumindest eine Impfdosis erhalten, während in wohlhabenden Ländern bereits die vierte Impfung möglich ist. Diese Ungerechtigkeit verletzt die Menschenrechte in Ländern mit geringem Pro-Kopf-Einkommen und verschärft strukturelle Ungleichheiten. Biontech und Pfizer haben erheblichen Anteil daran, weil sie den geringsten Anteil ihrer Produktion in einkommensschwache Länder geliefert haben.

Dem Lippenbekenntnis zu den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zum Trotz hat Biontech Profitinteressen über die Gesundheit von Millionen von Menschen gestellt und zur Verletzung ihrer Rechte beigetragen. Das Unternehmen muss endlich seiner menschenrechtlichen Verantwortung gerecht werden und allen Menschen weltweit gleichermaßen Zugang zu lebensrettenden Impfungen ermöglichen. 
Annelen Micus, Menschenrechtsexpertin bei Amnesty International

Die von Biontech aktuell in zwei afrikanischen Ländern geplanten Container-Fabriken (Biontainer) liefern zu spät und zu wenig. Zudem ist unklar, ob Biontech umfassend Know-How und Technologien bereit stellen wird, so dass vor Ort unabhängig produziert werden kann. Im Juli 2021 hat die WHO einen mRNA-Hub in Südafrika eingerichtet, um einen patentfreien Impfstoff für einkommensschwache Länder zu entwickeln. Biontech hat bislang jede Unterstützung für den Hub verweigert.

Anlässlich der heutigen Biontech-Hauptversammlung appellieren wir daher gemeinsam mit Amnesty International und Brot für die Welt an das Unternehmen,

  1. dem mRNA-Hub der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Produktions-Know-How zur Verfügung zu stellen,
  2. Impfstoffe global gerechter zu verteilen und
  3. die Preisgestaltung und Verträge transparent zu machen

Zudem haben wir mit dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre unter dem Titel „Was tun Sie gegen die extreme Ungleichheit bei der Versorgung mit Impfstoffen?“ Fragen an den Unternehmensvorstand eingereicht.

„Laut Jahresbericht möchte Biontech den Zugang zu Gesundheitstechnologien demokratisieren. Wenn das mehr als eine bloße Phrase ist, muss das Unternehmen endlich besser mit der WHO kooperieren und Technologien und Know-How teilen. Das ist der einzige Weg, um die Produktion zu erleichtern, zu diversifizieren und einkommensschwache Länder strukturell unabhängig von Almosen zu machen“, so unsere Gesundheitsexpertin Pia Schwertner.

Von massiver staatlicher Förderung profitiert

Biontechs Gewinne wurden ermöglicht durch 375 Millionen Euro Förderung vom Bundesforschungsministerium und weitreichende Abnahmegarantien von Regierungen weltweit. Der Impfstoff basiert zudem auf der jahrzehntelangen Forschung an der mRNA-Technologie, massiv finanziert durch staatliche Mittel, darunter 17,2 Milliarden US-Dollar von der US-Regierung zwischen 2000 und 2019.

Es kann nicht sein, dass es trotz dieser öffentlichen Förderung allein dem Unternehmen obliegt, an wen und zu welchen Konditionen das Vakzin verkauft wird, und dass Preisgestaltung und Verträge nicht offengelegt werden müssen.

Mareike Haase, Gesundheitsexpertin bei Brot für die Welt, sagt: „Staatliche Förderung von Pharmaunternehmen muss klar an die Bedingungen gebunden werden, dass die Forschungsergebnisse und Arzneimittel weltweit verfügbar und erschwinglich sind. Die Nutzung öffentlicher Mittel, die Preisgestaltung und Verträge müssen offengelegt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Menschen davon profitieren und Profite nicht über Menschenleben stehen.”

Amnesty International, Brot für die Welt und Oxfam sind Teil der People’s Vaccine Alliance, eines Bündnisses von fast 100 Organisationen, das sich für die Aussetzung der geistigen Eigentumsrechte auf Mittel zur Bekämpfung von COVID-19 einsetzt.