Das Wort, mit dem sich für die Menschen in Koussouka im kargen Norden Burkina Fasos das Leben änderte, heißt Zaï. Zaï steht für „zaiegre“. Auf Mooré, der von den Mossi in Zentralburkina gesprochenen Sprache, bedeutet das: „früh aufstehen und den Boden bearbeiten“.

Zaï steht für eine Anbaumethode. Entwickelt von Bäuer*innen in Burkina Faso und heute im ganzen Sahel-Raum in Projekten genutzt. Und Zaï steht für eine Hoffnung: auf bessere Erträge trotz verkrusteter Böden, auf Ernten, die zum Leben reichen. Ein Zauberwort ist Zaï nicht. Zaï steht für harte Arbeit: Mit Handhacken durchbrechen die Bäuer*innen die harte Bodenoberfläche und heben Pflanzlöcher aus. Die ausgehobene Erde häufen sie am Rande der Löcher halbmondförmig an, damit später das Wasser nicht wegfließen kann. 31.250 Pflanzlöcher, 31.250 Halbmonde pro Hektar Land.

Verlorene Böden sind wieder nutzbar

Dann heißt es: Warten auf den Regen. Kommt er, wird gesät – Hirse, Sorghum, Mais, Bohnen, Erdnüsse. In die Löcher mit Halbmond kommen Samen und Kompost. Direkt ins Saatloch gegeben kann der Dünger vom Keimling besser aufgenommen werden. Termiten helfen dabei: Angelockt vom Kompost fördern sie dessen Zersetzung und graben Gänge, durch die Wasser direkt an die Wurzeln der Pflanzen gelangen kann.

Die harte Arbeit lohnt sich: „Wir schaffen es, gute Ernten zu erzielen“, sagt Zoenabo Koubia Sawadogo, eine der Kleinbäuerinnen aus Koussouka. „Der Ertrag eines Feldes, das wir mit Zaï bestellt und mit Kompost gedüngt haben, ist besser als der der anderen Felder.“ Selbst bereits verloren geglaubte Böden konnten die Bäuer*innen so wieder nutzbar machen.

Ganzheitlicher Ansatz gegen Hunger

Der Kampf gegen den Hunger bestimmt den Alltag der Menschen in Koussouka und Umgebung. Die Familie mit ausreichend Nahrung zu versorgen, ist im Norden Burkina Fasos wegen der widrigen klimatischen Bedingungen eine oft nicht zu schaffende Herausforderung. Der Sahelstaat mit seinen rund 18,6 Millionen Einwohner*innen gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Die meisten Menschen leben von der Landwirtschaft, doch oft reichen ihre Erträge nicht aus. 43,7 Prozent der Menschen in Burkina Faso leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze.

Landwirtschaft war in der Region schon immer schwierig: Im Sahelraum regnet es wenig und über das Jahr ungünstig verteilt. Die Klimakrise verschärft die Probleme, Dürren und Missernten häufen sich. „Unser Leben hängt von der Landwirtschaft ab, und da es nicht genug regnet, ist unser Leben hart geworden“, sagt Zoenabo Koubia Sawadogo. In ihrer Gegend können nicht einmal zehn Prozent der Menschen ihren Nahrungsbedarf ganzjährig allein decken. Fast drei Viertel aller Menschen hungern mehrere Monate im Jahr.

Auch die Bäuerin Lizèta Ouedraogo aus dem Nachbarort Séguénéga kämpft gegen den Hunger. „In einigen Jahren war die Regenzeit zu kurz, und die Pflanzen reiften nicht. Das führte zu schlimmen Hungerkrisen mit katastrophalen Folgen“, sagt die 47-Jährige. Drei ihrer Kinder hat die zehnfache Mutter verloren. „Aber ich gebe nicht auf.“

Gemeinsam mit der regionalen Bäuer*innenorganisation Association Aidons l`Afrique Ensemble (AAAE) unterstützt Oxfam die Menschen in Koussouka und den Nachbargemeinden Séguénéga und Rambo im Kampf gegen den Hunger.

Die Nutzung der Zaï-Methode, um Böden fruchtbarer zu machen und die Erträge zu steigern, ist dabei nur ein Aspekt des umfassenden Projektes. Der Einsatz von klimatisch angepasstem Saatgut, von Zugtieren und Dunggruben sind weitere.

Für Zaï wird jede Menge Kompost gebraucht. Bauer Marou Sebgo hat eine 13,5 Kubikmeter große Grube angelegt, in der er aus Dung und organischen Abfällen Dünger herstellt. „Früher hat es geregnet, aber wir hatten keinen Kompost“, sagt der Familienvater. „Jetzt ernten wir, auch wenn es nicht so viel geregnet hat. Wenn die Ernte dieses Jahr reif ist, werden wir mehr Nahrungsmittel als im vergangenen Jahr haben.“

Bauer Marou Sebgo sitzt mit einem Spaten neben einer Kompostgrube.
Bauer Marou Sebgo hat eine Kompostgrube angelegt. Der Dünger bringt bessere Ernten – der Klimakrise zum Trotz.

Für die schwierige Zeit, in denen die Ernte noch reift, die eigenen Reserven verbraucht sind und die Marktpreise für Lebensmittel stark steigen, werden im Rahmen des Projekts Getreidespeicher errichtet. Hier können die Dorfbewohner*innen Grundnahrungsmittel zu einem kollektiv festgesetzten, sozialverträglichen Preis erstehen.

Zudem unterstützt AAAE Frauen dabei, sich ein zusätzliches Einkommen zu schaffen: In Schulungs- und Verarbeitungszentren erhalten sie die Möglichkeit, sich weiterzubilden und die angebauten Getreide zu Mehl und Couscous, die Erdnüsse zu Mus und Öl weiterzuverarbeiten. Auf lokalen Märkten können sie ihre Produkte verkaufen.

Nicht zuletzt setzt das Projekt auf politischer Ebene an – zum Beispiel bei den Landrechten für Frauen. Denn traditionell dürfen Frauen das Land, das sie bestellen, nicht besitzen. Gesetzliche Änderungen gibt es zwar, den Wenigsten sind diese aber bekannt. Ziel der Organisation AAAE ist es deshalb, Frauen über ihre Rechte zu informieren, sie zu vernetzen und ihren Interessen bis zur nationalen Ebene Gehör zu verschaffen.

Agrarökologie gegen Klimaextreme

Anbaumethoden, die Bodenfruchtbarkeit und Vielfalt über und unter der Erde fördern und die auf biologischen Dünger statt Pestizide setzen, lokales Saatgut und Speichermöglichkeiten für Nahrungsmittel, Kleinbäuer*innen, die ihre Produkte regional vermarkten und deren Stimme politisches Gehör findet: Das Projekt in Burkina Faso beinhaltet Elemente eines Konzepts, das Alternativen zum aktuellen globalen Agrarsystem aufzeigt. „Agrarökologie ist eine Antwort auf vielfältige Krisen“, sagt Marita Wiggerthale, Oxfam-Expertin für Welternährung und globale Agrarfragen. „Kleinbäuerinnen und -bauern können so auch in Zeiten der Klimakrise stabilere Erträge erzielen und sind besser gewappnet gegen Klimaextreme wie Dürren, Stürme oder Überschwemmungen.“

„Ohne Essen verliert man seine Würde“

Setzt man statt auf hochgezüchtetes Saatgut, das nur unter Idealbedingungen hohe Erträge bringt, auf vielfältige, kulturell und klimatisch passende Pflanzen, kommt es auch bei Dürren, Stürmen oder Starkregen seltener zu kompletten Ernteausfällen. Und die Pflanzen sind weniger anfällig für Krankheiten. Wichtig ist dabei Ernährungssouveränität: Das bedeutet, dass Menschen über ihre Nahrungsmittel und deren Anbau selbst bestimmen können.

Studien zeigen, dass die Erträge im globalen Süden mit agrarökologischen Methoden um bis zu 80 Prozent erhöht werden könnten. „Damit bietet Agrarökologie nicht nur Lösungen für die Herausforderungen der Klimakrise. Das Konzept ist auch eine Antwort auf Hunger und Armut. Und es begegnet dem dramatischen Verlust der ökologischen Vielfalt“, sagt Marita Wiggerthale. Sie fordert: „Agrarökologie und Ernährungssouveränität sollten zum zentralen Förderkonzept der Armuts- und Hungerbekämpfung im ländlichen Raum in Ländern des globalen Südens werden.“

In Koussouka, Séguénéga und Rambo zeigen die agraröklogischen Ansätze Wirkung. „Das Projekt hat es uns ermöglicht, besser zu produzieren“, sagt Lizèta Ouedraogo. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass es genug zu essen gibt, damit sie ihre Kinder ernähren und zur Schule schicken kann. Essen zu können, sollte ein Minimum für alle Menschen sein, sagt sie. „Ohne Essen verliert man seine Würde.“

Der Artikel erschien erstmalig in der Winter-Ausgabe der EINS.