Das BMZ hat es geschafft, das Thema Ernährungssicherung auf die Agenda der G7 zu setzen. Ihr ursprünglicher Vorschlag enthielt eine Verpflichtung der G7 zum 500 Millionen-Reduktionsziel und konkrete Finanzzusagen für die nächsten 15 Jahre, wurde aber nicht von den anderen G7-Ländern unterstützt.  Unbefriedigend ist, dass der G7-Verhandlungsprozess nach wie vor Top-down, weitestgehend intransparent – vor allem je näher der Gipfel rückte - und exklusiv organisiert war. Die von Hunger betroffenen Gruppen wurden nicht beteiligt. Wieder einmal. Die G7 scheint in diesem Punkt nicht lernfähig bzw. lernwillig zu sein. Was kam aber nun beim Gipfel heraus und wie ist das Ergebnis zu bewerten?

Unterschiedliche Botschaften – gilt das gesprochene Wort?

 In politischen Verhandlungsprozessen kommt es auf jedes Wort an. Das weiß jede, auch Frau Merkel. Trotzdem deckt sich Ihre Rede nicht in wichtigen Teilen mit der Abschlusserklärung. Ist es ein Versehen, eine Täuschung der Öffentlichkeit oder ein politisches Statement?

Kanzlerin Merkel: „Die G7-Staaten verpflichten sich, zusätzlich 500 Millionen Menschen aus der Situation herauszunehmen, dass sie unter akutem Hunger leiden“.

Abschlusserklärung: „Als Teil eines breiteren Engagements unter Einbindung unserer Partnerländer und internationaler Akteure…sind wir bestrebt, 500 Millionen Menschen in Entwicklungsländern bis 2030 von Hunger und Mangelernährung zu befreien“.  

Zwischen „sich verpflichten“ und „anstreben“ liegen kleine Welten. Will man das Ziel allein als G7 oder mit Partnern erreichen? Und ob man die Anzahl der knapp 800 Millionen Hungernden oder die Anzahl der ca. zwei Milliarden Hungernden und Mangelernährten um 500 Millionen reduzieren will, macht einen Riesenunterschied. Um es kurz zu machen: Die Abschlusserklärung ist enttäuschend, Merkels Ankündigung ambitioniert. Am Ende zählen nicht Worte, sondern Taten.  Und daran werden wir die Bundesregierung und das BMZ messen.

 Wie ist der breite Entwicklungsansatz zu bewerten?

Ob bis 2030 der Hunger beendet sein wird, hängt entscheidend vom Ansatz ab. Kurskorrekturen und erste Schritte in die richtige Richtung sind notwendig, um die strukturellen Ursachen von Hunger anzugehen und den wachsenden Herausforderungen zu begegnen. Wichtig ist, dass Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit – Neue Allianz zur Ernährungssicherung, Förderung der industriellen Landwirtschaft - gezogen werden. Hier nun eine Analyse im Detail:

Unverständlich: Die Ernährungsagenda verfolgt keinen menschenrechtsbasierten Ansatz. Menschenrechte werden mit keiner Silbe erwähnt. Dabei ist der Menschenrechtsansatz der Schlüssel zum Erfolg. Das Menschenrechtskonzept der Bundesregierung bleibt bloße Makulatur, wenn es keine Relevanz für politische Prozesse hat. Der mangelnde Zugang von Frauen zu Land und andere Benachteiligungen werden nicht angegangen. In Konflikt- und Krisensituationen werden ihre Bedürfnisse ignoriert.

Anerkennenswert: Im Mittelpunkt des Entwicklungsansatzes stehen nun endlich wieder öffentliche Investitionen, die so dringend benötigt werden! Ein besonderer Schwerpunkt soll auf die arme Landbevölkerung und Kleinbauern gelegt werden, vulnerable Gruppen werden aber nicht erwähnt. Die G7 unterstützen den UN-Welternährungsausschuss (CFS) als inklusivste Plattform für politische Debatten und Koordinierung. Die „Global Alliance for Climate Smart Agriculture“ wird nur zur Kenntnis genommen und nicht unterstützt. Die G7 unterstützen die konsequente Umsetzung der freiwilligen Leitlinien zu Land.

Ignoriert: Die Zerstörung der Böden, die Umweltverschmutzung und die sich bereits anbahnende Wasserkrise werden von der G7 nicht erwähnt und nicht angegangen. Es ist zwar allgemein von einem wachsenden Druck auf natürliche Ressourcen und den notwendigen Schutz und die nachhaltige Nutzung der Ökosysteme die Rede. Das Konzept der nachhaltigen Intensivierung beinhaltet jedoch nicht die notwendige Kurskorrektur und ist nicht geeignet, die Umweltprobleme in der Landwirtschaft zu lösen.

Was fehlt? Es fehlen ein Umsetzungsplan und konkrete Finanzzusagen, um 500 Millionen Menschen von Hunger und Mangelernährung zu befreien. Noch nicht einmal ein Versprechen zur Steigerung der Entwicklungshilfe oder das 0,7 Prozent – Ziel werden erwähnt. Es bleibt somit völlig unklar wie dieses Ziel erreicht werden soll. Zentral ist die Beteiligung von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen,  Arbeiter/innen etc. an politischen Prozessen und an Programmen von Anfang an sowie die Förderung ihrer Selbstorganisation. Die G7 verlieren dazu kein Wort! Das „do no harm“-Prinzip, ein fundamentales Prinzip in der Entwicklungspolitik, fehlt komplett.

 Was sollte nun folgen?

Bei der “Financing for Development” Konferenz in Addis Abeba muss die Bundesregierung sicherstellen, dass öffentlichen Investitionen eine absolute Priorität eingeräumt wird. Public-Private-Partnerships müssen auf den Prüfstand gestellt werden. Deutschland muss für die Umsetzung des breiten Entwicklungsansatzes einen menschenrechtsbasierten Umsetzungsplan und einen Finanzierungsplan vorlegen, damit das Ziel bis 2030 erreicht werden kann. Wichtig ist, dass die strukturellen Ursachen von Hunger und die Umweltprobleme angegangen werden. Die Rechenschaftslegung sollte menschenrechtsbasiert (fünf Prinzipien) erfolgen und bei menschenrechtlichen Wirkungsanalysen sollten alle Stakeholder und Betroffene beteiligt werden.

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