Heute ist der Internationale Tag für die Beseitigung der Armut.

Ja, da gibt es einen extra Welttag für.

Seit Einführung des ersten UN-Welttages 1947 gibt es inzwischen um die 100 – und mir sind bei weitem nicht alle Einzelnen bekannt.

Der heutige ist mir persönlich sehr wichtig.

Er wurde 1992 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen eingeführt und wird seitdem jedes Jahr am 17. Oktober begangen. Er soll unsere Aufmerksamkeit, also auch Ihre, darauf lenken, dass weltweit noch immer Milliarden Menschen in Armut leben – denen Geld und Mittel für das Allernötigste fehlen.

Ich sehe den Tag als eine Gelegenheit für eine Bestandsaufnahme: Wie sieht es aktuell mit der Armut weltweit aus?

Gleichzeitig ist er aber auch eine Aufforderung zum Handeln, dazu, Regierungen weltweit an ihre Versprechen zu erinnern, „Armut in all ihren Formen und überall zu beenden“. Dazu hat sich nämlich die Weltgemeinschaft mit Ziel Eins der UN-Nachhaltigkeitsziele (engl.: Sustainable Development Goals, kurz SDGs) verpflichtet.

Was ist Armut überhaupt? Und was hat soziale Ungleichheit damit zu tun?

Armut meint zunächst einen Mangel an lebenswichtigen Grundlagen, wie z. B. Obdach, Nahrung und Kleidung, aber auch ein fehlender Zugang zu Gesundheit, Bildung, politischer Teilhabe sowie menschenwürdiger Arbeit.

Dabei ist es schwierig, Armut zu messen und es gibt verschiedene Ansätze dieses zu tun. Die Weltbank definiert die Armut anhand des Bruttonationaleinkommens eines Staates und unterscheidet zwischen absoluter und extremer Armut.  Extreme Armut bedeutet, dass Menschen über weniger als 1,90 US-Dollar (in etwa 1,70 €) am Tag verfügen. Doch kann man davon (über)leben? Nein! Denn sie leben am Existenzminimum, haben oft keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser oder genügend (Gesundes) zu Essen.

Armut und ihre Folgen

Für 736 Millionen Menschen, also etwa 10 % der Weltbevölkerung, ist dies aber harte Realität, wie Berechnungen aus 2015 zeigen. Das Leben in Armut wirkt sich auch auf die Gesundheit aus und hat soziale Ausgrenzung zur Folge. Fehlende soziale Sicherungssysteme, Zugang zu gebührenfreier, öffentlicher Gesundheitsversorgung und Bildung zementieren Armut. Denn Zugang zu diesen öffentlichen sozialen Grunddiensten ist eine Voraussetzung für ein selbstbestimmtes und soziales Leben. Ist z. B. eine kostenlose medizinische Versorgung nicht möglich, sterben tagtäglich Menschen an eigentlich vermeidbaren Krankheiten, weil ihnen eine ärztliche Behandlung und Medikamente fehlen. Gesundheit sollte aber keine soziale Frage sein!

Dass sie in vielen Ländern jedoch eine ist, habe ich persönlich schon durch Reisen mit meiner Mutter in verschiedene Länder während meiner Kindheit feststellen müssen. Durch den Kontakt mit Gleichaltrigen erkannte ich, dass der Umstand, in welchem Land ich geboren bin, ausschlaggebend für den Verlauf meines weiteren Lebens ist. Auch die Frage danach, ob ich unabhängig vom Einkommen meiner Eltern z. B. zur Schule gehen und eine Ausbildung absolvieren kann, hängt maßgeblich davon ab, ob es einen Zugang zu öffentlicher und kostenloser Schulbildung gibt. Ist dieser nicht vorhanden, wird Armut weiter verfestigt.

Besonders Mädchen, Frauen und ältere Menschen betroffen

Besonders betroffen von Armut und Ausgrenzung sind weltweit Mädchen und Frauen sowie ältere Menschen. So gehen in einem Drittel aller Länder noch immer weniger Mädchen als Jungen zur Grundschule. Dabei ist der Zugang zu Bildung ein zentrales Element, um Geschlechtergerechtigkeit zu gewährleisten und soziale Ungleichheit zu überwinden, wie unser aktueller Bildungsbericht zeigt.

Was ist Relative Armut?

Für reichere Staaten wurde von der Weltbank für die Messung von Armut ein höherer Wert eingeführt, der sich an den dortigen Lebenserhaltungskosten orientiert. Doch auch nach diesen Berechnungen leben 3,4 Milliarden Menschen – das ist fast die Hälfte der Weltbevölkerung – in Armut: Sie müssen von nur 5,50 US-Dollar (in etwa 4,99 €) am Tag und pro Person leben.

Auch in Deutschland hat das sogenannte Armutsrisiko in den letzten Jahren stark zugenommen. Laut dem 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung von 2017 leben 15,7 % der Bevölkerung in Armut. Das sind ca. 13 Millionen Menschen. Dabei handelt es sich bei einem so reichen Land wie Deutschland um Formen der relativen Armut, arme Menschen haben gemessen an ihrem Einkommen weniger zur Verfügung als der Durchschnitt der Gesellschaft. Bedroht ist also im Gegensatz zur absoluten Armut nicht die physische Existenz. Das Leben und die (eigene) Gesundheit sind aber maßgeblich beeinträchtigt. Die Auswirkungen und Lebensbedingungen armer Menschen weltweit unterscheiden sich stark voneinander. Sie verweisen aber immer auf die ungleiche Verteilung von Chancen – auch in Hinblick auf die Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben.

„Zahlreiche Probleme, die mit Ungleichheit einhergehen, die sie verschärfen, oder über Generationen fortschreiben, unterscheiden sich nicht grundlegend zwischen armen und reichen Ländern, sondern nur in der Intensität“, wie unser Ungleichheitsbericht zeigt. Und weltweit nimmt die soziale Ungleichheit drastisch zu. Dies erschwert den Kampf gegen die Armut. Darauf machen wir jährlich in unserer Studie „Besser gleich – schließt die Lücke zwischen Arm und Reich“ aufmerksam.

Doch hat sich da schon was getan?

Die Zahl der Menschen in extremer Armut ist weltweit von 1,9 Milliarden im Jahr 1990 auf 736 Millionen in 2015 gesunken. Immer weniger Menschen sind also extrem arm. Das ist ein Erfolg! Und es zeigt vor allem: Eine Reduzierung von extremer Armut ist möglich, wenn (politischer) Wille da ist und Maßnahmen nachhaltig umgesetzt werden.

Jedoch reicht diese Entwicklung nicht aus. Viele der von Armut betroffenen Menschen sind nur einen Arztbesuch oder Ernteausfall davon entfernt, (wieder) in die extreme Armut abzurutschen. Angesichts der zunehmenden Naturkatstrophen (wie Unwetter, Dürren und Überschwemmungen) als Folgen des Klimawandels scheint dies leider kein unrealistisches Szenario.

Die Zahl in Armut lebender Menschen sinkt bisher nicht schnell genug, um bis 2030 extreme Armut weltweit zu beenden.

Letzten Monat trafen sich die Staats- und Regierungschefs in New York, um eine Art Zwischenbilanz der UN-Nachhaltigkeitsziele zu ziehen. Fazit: Es wird viel darüber geredet, aber wenig investiert, darin sind sich zahlreiche Wissenschaftler*innen und Entwicklungsexpert*innen einig. Nach der jetzigen Entwicklung wird es kein Land schaffen, die Ziele bis 2030 zu erfüllen.

Ist der Kampf gegen Armut zu gewinnen?

Ja, aber dazu braucht es eine andere Politik!

Die bisherige Reduzierung der extremem Armut zeigt: Wir können es schaffen, extreme Armut und ihre Folgen zu beenden – auch bis 2030!

Aber nicht, wenn wir einfach so weitermachen wie bisher und die Zielsetzung der Nachhaltigkeitsagenda reines Lippenbekenntnis bleibt. Solange unsere politischen und wirtschaftlichen Systeme Reichtum belohnen und Armut und Ungleichheit zementieren, wird sich die Lücke zwischen Arm und Reich wohl weiter vergrößern und soziale Ungleichheit zunehmen.

Wir müssen Regierungen weltweit an ihr Versprechen erinnern, sich ernsthaft für den Kampf gegen Armut einzusetzen. Wir müssen sie auffordern, grundlegende Menschenrechte durchzusetzen und eine Politik zu machen, die allen in der Gesellschaft zu Gute kommt und in der nicht das Einkommen der Eltern über das zukünftige Leben entscheidet!

Um Aufmerksamkeit zu erregen und Druck zu erzeugen braucht es insbesondere die Zivilgesellschaft. Daher möchte ich mich auch bei unseren Unterstützer*innen bedanken, die sich auf so vielfältige Art und Weise mit uns für eine gerechte Welt ohne Armut einsetzen. Ich hoffe auf weitere Unterstützung, sodass der Tag der Beseitigung der Armut in naher Zukunft nicht mehr notwendig sein wird.

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5 Kommentare

Ein Bruchteil der US-Militärausgaben würde genügen, um den Hunger weltweit abzuschaffen!
Die deutsche Bundesregierung will in den Haushalt für das kommende Jahr 50 Milliarden Euro für Militär und Rüstung einstellen, soviel Geld wie nie zuvor; und das soll noch nicht das Ende der Fahnenstange sein!
Die weltweiten Kriege sind zudem Klima- und Umweltkiller Nr. 1.

Gut, das es SIE gibt. Weiter so....
Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe.
UteHagemann

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