Dass jeder seinen fairen finanziellen Anteil zum Allgemeinwohl beiträgt, ist ein Grundpfeiler sozialer Gerechtigkeit. Steuervermeidung steht dem entgegen und sorgt dafür, dass sich Konzerne und Superreiche auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger um ihren angemessenen Beitrag drücken können. Im Zentrum des Übels: Steueroasen, die durch ihre Intransparenz und extrem niedrige oder gar Null-Prozent-Steuersätze dafür sorgen, dass Konzerne und Superreiche einen Großteil ihre Gewinne unbemerkt dorthin transferieren können und diese weitestgehend unbesteuert bleiben. Entwicklungsländer verlieren dadurch pro Jahr Summen, die höher sind als die weltweite Entwicklungshilfe!

Auch in der Politik hat das Problem mittlerweile zu einem Umdenken geführt. Im Vergleich zur Situation vor rund zehn Jahren hat sich einiges getan. So tauschen die Steuerbehörden der einzelnen Länder mittlerweile automatisch Kontodaten aus, was die Verschleierung von Gewinnen deutlich erschwert. Klar ist aber auch: Viele Reformansätze sind zu halbherzig, es muss viel mehr getan werden, um die Steuervermeidungsindustrie lahmzulegen. Bestes Beispiel: Die EU-Kommission will Konzerne dazu verpflichten, nach Ländern gestaffelt ihre Gewinne und darauf gezahlte Steuern zu veröffentlichen (sog. öffentliche länderbezogene Berichterstattung). Das gibt's schon für europäische Banken und hat sich bewährt. Mit der Veröffentlichungspflicht für alle Branchen könnte endlich mehr Licht ins Dunkel kommen – doch Bundesfinanzminister Olaf Scholz knipst lieber weiter das Licht aus und blockiert den EU-Vorschlag, obwohl seine SPD das Instrument laut Wahlprogramm 2017 eigentlich befürwortet – absurd.

Konsequentes Durchgreifen ist das Gebot der Stunde! Und da kam Ende 2017 die Verabschiedung einer EU-Steueroasenliste gerade recht. Um Druck auf die Steueroasen auszuüben, wurde eine Schwarze Liste mit bereits identifizierten Steueroasen veröffentlicht, zudem wurde eine umfangreiche Graue Liste erstellt, auf der Steueroasen verzeichnet sind, die sich zu Reformen verpflichtet haben. Bei Nichterfüllung droht diesen „Steueroasen auf Bewährung“ die Überführung auf die Schwarze Liste.

Reformvorgaben gehen am Kern des Problems vorbei

Die EU hat diese Reformversprechen nun überprüft, in der kommenden Woche wollen die EU-Finanzminister*innen beschließen, wer auf welcher Liste erscheint. Grund genug für Oxfam, sich im heute erschienenen Bericht „Off the Hook“ mal genauer anzuschauen, ob die Versprechen und Reformen der Länder auf der „Grauen Liste“ die Kriterien der EU für eine Streichung oder eine Umschreibung auf die „Schwarze Liste” erfüllen. Das Ergebnis ist nicht erfreulich: Die Finanzminister*innen könnten die Bahamas, Bermuda, die Britischen Jungferninseln, die Kaimaninseln, Guernsey, Hongkong, die Isle of Man, Jersey und Panama künftig nicht mehr als Steueroasen betrachten – obwohl einige davon – Stichwort Panama Papers – zu den Schauplätzen der größten Steuerskandale der vergangenen Jahre zählen.

Dies liegt daran, dass die Reformvorgaben in vielen Fällen viel zu lasch sind und am Kern des Problems vorbeigehen. Extrem niedrige bzw. Null-Steuersätze sind beispielsweise in der EU-Logik kein eigenständiges Kriterium für Steueroasen. Stattdessen fragt die EU beispielsweise, ob die Staaten ausländische Unternehmen durch Steuervergünstigungen bevorzugen. Steueroasen wie Hongkong haben das zum Anlass genommen, die Steuervermeidungsmöglichkeiten auf inländische Unternehmen auszudehnen. Obwohl so tatsächlich mehr Steuervermeidung stattfindet, könnten sie nun nicht mehr als Steueroase gelten.

Am Ende des Überprüfungsprozesses könnten lediglich fünf kleine Inselstaaten auf der EU-Steueroasenliste stehen, während notorische Steueroasen – siehe oben – einen Freifahrtschein erhalten und auch andere etablierte Steueroasen wie die Schweiz aufgrund politischer Rücksichtnahme nicht gelistet werden. Oxfam macht in seinem Bericht zudem deutlich, dass Irland, Luxemburg, Malta und Zypern als Steueroasen geführt werden müssten, wenn die EU ihre Kriterien auch an eigene Mitgliedsstaaten anlegen würde.

Fazit: Die EU darf die Steueroasen nicht vom Haken lassen:

  • Sie muss erstens die Kriterien für die Einordnung von Steueroasen verschärfen, sodass sich Staaten nicht mit Pseudomaßnahmen von der Liste reformieren können.
  • Die Kriterien müssen dann objektiv, d.h. ohne politische Rücksichtnahme auf alle Staaten angewendet werden, auch auf Steueroasen in der EU.
  • Die so identifizierten Steueroasen müssen dann mit wirksamen Gegenmaßnahmen zum Einlenken gebracht werden.

Es bleibt zu hoffen, dass die EU-Finanzminister*innen in der kommenden Woche ihrem Anspruch gerecht werden und die EU-Steueroasenliste nicht zum Papiertiger wird.

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