Seit 2015 haben wir einen neuen Trend: Mega-Fusionen. Konzerne kaufen Konzerne auf. Konzerngiganten entstehen. Immer mehr Macht ist in wenigen Händen. Google beherrscht in Deutschland 90 Prozent des Suchmaschinenmarkts und Facebook 75 Prozent der mobilen Kommunikationsdienste. Amazon kontrolliert nicht nur 65 Prozent des Online-Buchhandels, der Konzern breitet sich krakenartig in andere Geschäftsfelder wie den Lebensmittelhandel aus. Wenn die EU-Kommission Anfang März 2018 die Fusion von Bayer und Monsanto genehmigt, kontrollieren drei Agrarkonzerne mehr als 60 Prozent des globalen Marktes für kommerzielles Saatgut und Pestizide. Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel teilen sich Edeka, Rewe, Schwarz (Lidl und Kaufland) und Aldi bereits 85 Prozent des Absatzmarktes. Wettbewerbsbehörden und die Politik haben dabei versagt, die Entstehung von konzentrierten Märkten und Konzerngiganten zu verhindern.
„Die Schrecklichen Fünf“
„Die Schrecklichen Fünf“ – So nennt der Tech-Experte der New York Times die fünf Internetgiganten Alphabet (Google), Apple, Microsoft, Amazon und Facebook. Ein Spitzname, den sich die Konzerne mit ihren Geschäftspraktiken, ihrem Steuergebaren und ihrer Undurchsichtigkeit seiner Meinung nach redlich verdient haben. Fusionen haben das Entstehen ihrer übermäßigen Marktmacht befördert. In den vergangenen 10 Jahren haben diese fünf Internetgiganten zusammen 436 Übernahmen im Wert von 131 Milliarden US-Dollar getätigt. Big Data spielt eine immer größere Rolle, auch bei Fusionen. Zusammenschlüsse mit Big-Data-Bezug sind von 55 im Jahr 2008 auf 134 im Jahr 2012 gestiegen.
An der Wall Street laufen Wetten, ob Apple der erste Internetkonzern mit einem Börsenwert von mehr als einer Billion Dollar sein wird. Apples Börsenwert ist mit 830 Milliarden Dollar höher als jener der acht finanzstärksten Konzerne Deutschlands zusammen – SAP, Siemens, Bayer, Allianz, BASF, Deutsche Telekom, VW und Daimler. Sie kommen zusammen auf einen Börsenwert von rund 780 Milliarden Dollar. Die Folgen der Marktmacht der Internetgiganten sind verheerend: Unbändige Sammlung von personalisierten Daten, eine weitgehende Überwachung und Kontrolle der Kommunikation sowie die eigenmächtige Festlegung von Nutzungsregeln zu ihren Gunsten.
Die vier perfiden Preisdrücker-Konzerne
An den vier Supermarktkonzernen Edeka, Rewe, Schwarz (Lidl und Kaufland) und Aldi kommt kein Lebensmittelunternehmen vorbei. Sie nehmen als „Türsteher“ eine zentrale Rolle in der Lieferkette ein. Diese Konzerne haben viel Macht über unser Essen. Sie bestimmen wesentlich, wer wie Lebensmittel produziert und welche Lebensmittel Konsumenten im Regal vorfinden. Je höher der Marktanteil des Supermarktkonzerns, desto größer dessen Macht, Lieferanten ruinöse Preise, ungerechtfertigte Konditionen und Rabattforderungen zu diktieren sowie Risiken und Kosten auf sie abzuwälzen.
Diese perfide Preisdrückerei wird auf dem Rücken der Lieferanten, Verbraucher/innen, Bauern und Bäuerinnen sowie Arbeiter/innen in den Produktionsländern ausgetragen. Die Preise, die liefernden Landwirten gezahlt werden, sind zu niedrig, um ihre Kosten zu decken und die Arbeiter/innen müssen unter menschenunwürdigen Bedingungen für Hungerlöhne schuften. Ihr rücksichtsloses Machtgebaren treibt die Konsolidierung in der Lebensmittelverarbeitung und Konzentrationsprozesse entlang der ganzen Lieferkette voran. Zwischen 2008 und 2013 ist die Zahl der Unternehmen in der Ernährungsindustrie um über 16 Prozent zurückgegangen. Überdurchschnittlich reduziert hat sich die Zahl von Klein- und Kleinstunternehmen.
Die unverschämten Automobilkonzerne
Geht’s noch? Die Autokonzerne bringen PKW auf den Markt, die gesetzeswidrig sind, ohne dass dies Konsequenzen hat. Die offiziellen CO2-Grenzwerte der Europäischen Union werden in der Praxis um mehr als 40 Prozent überschritten. Jene für gesundheitsschädliche Stickoxide sogar um teils mehrere hundert Prozent. Die Gesundheits- und Klimaschäden werden billigend in Kauf genommen. Und die Politik? Sie hält es nicht für notwendig, gesetzeswidriges Verhalten zu bestrafen. So stark ist die Verflechtung zwischen der Automobilbranche und der Politik. Frankreich zeigt, dass es anders geht. Dort wurden hohe Strafzahlungen gegen Autokonzerne verhängt. Die deutschen Konzerne und ihr Verband der Automobilindustrie (VdA) sind politisch in Berlin wie in Brüssel sehr gut vernetzt. Auch in Brüssel setzt sich die Autoindustrie bislang skandalöserweise immer wieder durch: Jüngst wurden dort ehrgeizige Klimagas-Grenzwerte für PKW auf Druck der Autokonzerne wieder abgeschwächt.
Auch missbrauchen die Autokonzerne rücksichtslos ihre Marktmacht. Sie beuten die Zulieferer gnadenlos aus. Diese müssen ihre Preiskalkulation zunehmend vollständig bis zum Preis der Vormaterialien offenlegen und Knebelverträge eingehen. Berichten zu Folge kalkuliert Daimler etwa auf Basis einer rumänischen Musterfirma die Löhne. Die Autohersteller lassen die Manager mittelständischer Zulieferer in „Mehrraumverhandlungen“ gegeneinander antreten und pressen ihnen den letzten Cent ab. Wer nicht mitmacht, ist nicht mehr im Geschäft. Trotzdem hat das Bundeskartellamt bislang noch keine Sektoruntersuchung in der Automobilbranche durchgeführt.
Marktkonzentration gefährdet die Demokratie
Gefährlich ist die Marktkonzentration aber auch, weil übermäßige Marktmacht mehr politische Macht mit sich bringt. Je größer die Konzerne, desto mehr Macht und finanzielle Mittel haben sie, die Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen. Google hat seine Ausgaben für Lobby-Arbeit in Brüssel verdoppelt, von 1,5 Millionen im Jahr 2013 auf 3,5-4 Millionen 2014. Kein Wunder, denn dies geschah zu einem Zeitpunkt, wo die die EU-Kommission Google ins Visier nahm.
Lobbyarbeit macht sich für die Konzerne bezahlt. Sie bekommen vielleicht nicht immer, was sie wollen, aber sie bekommen es häufiger. Die Demokratie nimmt erheblichen Schaden, wenn die Politik aufgrund der Konzernmacht das Big Business mit Gefälligkeiten überhäuft, kleine Unternehmen verdrängt und die Konzentration immer weiter antreibt. Die Folge: Die soziale Ungleichheit nimmt zu, der Klimawandel wird angeheizt, die Umwelt zunehmend zerstört und Menschenrechte vielfach verletzt, vor allem zu Lasten der Menschen im globalen Süden. Wichtige Verbraucher- und Arbeitnehmerrechte, der Gesundheits- und Datenschutz geraten unter die Räder.
Konzernmacht beschränken
Um den gefährlichen Trend zu immer mehr Marktkonzentration zu stoppen, haben 27 Entwicklungs-, Umwelt- und Landwirtschaftsorganisationen die Initiative „Konzernmacht beschränken“ gegründet. Das Bündnis wird ihre politischen Forderungen an die CDU/CSU und SPD in den Koalitionsverhandlungen sowie an die Bundestagsabgeordneten herantragen. Wir wollen eine Novelle des Wettbewerbsrechts in der nächsten Legislaturperiode anstoßen, die ein neues Instrument zur Aufspaltung von Konzernen, eine verschärfte Fusions- und Missbrauchskontrolle sowie mehr Transparenz beinhaltet. Aktuelle Fusionsfälle werden behandelt, soweit sie von Bündnispartnern aufgegriffen werden. Dies ist beispielsweise bei der Fusion von Bayer und Monsanto der Fall. Darüber hinaus werden wir uns intensiver mit der Digitalisierung beschäftigen und uns mit NGOs in Europa und den USA vernetzen. Die Politik muss jetzt Konzernen die Stirn bieten und die Entstehung von Konzerngiganten und konzentrierter Märkte verhindern.
Mehr Informationen finden Sie hier: Breites Bündnis gegen Marktmacht der Megakonzerne
1 Kommentar
Das Problem eines jeden Kleinen ist das Verhältnis Umsatz zu festen Kosten, wie z.B. Pacht oder Miete. (Quadratmeterkosten zu Umsatz pro qm) und zwar (leider) immer.