Ich habe Nya Rik Gaikok auf einer Reise nach Äthiopien kennen gelernt. Sie lebt in Jewi, einem Flüchtlingscamp in der Region Gambella im Südwesten Äthiopiens. Ich war dort, um mir ein Bild von Oxfams Arbeit vor Ort zu machen: Mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes versorgt Oxfam Tausende Geflüchtete mit Wasser, baut Latrinen und erklärt den Menschen die Notwendigkeit von Hygienemaßnahmen, um Krankheiten vorzubeugen, die leicht in Flüchtlingscamps auftreten. Wie die anderen Bewohner ist Nya mit ihren Kindern aus dem Südsudan geflohen. In Jewi sind sie vor den Kämpfen in ihrer Heimat sicher.

Nur drei Prozent der Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, kommen nach Europa

Nya ist kein Einzelfall. Weltweit sind über 65 Millionen Menschen auf der Flucht, etwa die Hälfte von ihnen sind Kinder. Fast alle finden in armen Ländern Zuflucht: Äthiopien hat schon fast eine Million Geflüchtete aufgenommen. Hunderttausende sind in diesem Jahr gekommen, und Hundertausende werden in diesem Jahr noch erwartet.

Nya aus dem Südsudan im Flüchtlingscamp in Jewi
Nya (links) floh mit ihren Kindern aus ihrer Heimat im Südsudan. Nun lebt sie im Flüchtlingscamp in Jewi.

Auf meiner Reise durch die Flüchtlingscamps Nguenyyiel und Jewi fragte ich mich oft: Wie ist es möglich, dass ein armes Land wie Äthiopien so viele Menschen aufnehmen kann – während bei uns, in der Europäischen Union, immer noch keine solidarische Lösung zum Umgang mit Geflüchteten gefunden wurde? Nur knapp drei Prozent aller Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, kommen überhaupt zu uns, nach Europa. Drei Prozent. In eine der reichsten Regionen der Welt. Und es gibt europäische Länder, die sich weigern, auch nur einen einzigen von ihnen aufzunehmen. Auf der so genannten Balkan-Route sind Menschen Schikanen durch Polizisten und andere Sicherheitskräfte ausgesetzt. Berichte zeugen von teils schweren Misshandlungen – auch an Kindern.

Viele arme Länder hingegen verfolgen eine Politik der offenen Tür gegenüber Menschen auf der Flucht, die mich als Europäerin beschämt. In der Region Gambella leben 300.000 Äthiopier/innen, hinzu kommen 360.000 Menschen, die in sechs Flüchtlingscamps untergebracht sind. Jetzt hat die Regierung entschieden, dass diese Region keine Geflüchteten mehr aufnehmen kann – stattdessen werden sie in andere Teile des Landes gebracht. Aber sie werden weiterhin aufgenommen. Alleine aus dem Südsudan werden in diesem Jahr noch 125.000 Menschen erwartet.

Sicherheit für 360.000 Menschen aus dem Südsudan

Äthiopien gibt diesen Menschen einen Ort, an dem sie leben können, das UN-Flüchtlingswerk stellt Unterkünfte zur Verfügung, das Welternährungsprogramm Nahrung. Aber auch von der Solidarität der äthiopischen Regierung mit den hilfsbedürftigen Menschen aus den Nachbarländern können wir in Europa sehr viel lernen.

Ein Junge, der im Nguenyyiel Flüchtlingscamp lebt, füllt einen Kanister mit sauberem Wasser.
Ein Junge, der im Nguenyyiel Flüchtlingscamp lebt, füllt einen Kanister mit sauberem Wasser.

Die Camps, die ich besucht habe, gleichen Kleinstädten: In jedem Camp leben über 50.000 Menschen. Sie leben in Hütten, die aus einem einzigen Raum bestehen. So auch Nya: Sie teilt sich diesen Raum mit ihren zehn Kindern. Trotzdem ist sie glücklich, weil die Familie hier sicher ist und die Kinder zur Schule gehen können. Sie baut Okra und Mais in einem kleinen Garten an. Damit kann sie die Rationen, die das Welternährungsprogramm ihr zuteilt, etwas aufbessern.

Ich bin beeindruckt: Davon, wie Menschen wie Nya mit so wenig zufrieden sein können. Sie hat Schreckliches erlebt, darum bedeuten ihr Sicherheit und Grundversorgung sehr viel. Dennoch: Ihre Kinder werden in einem Flüchtlingscamp aufwachsen. Welche Perspektive haben sie?

Diese Frage muss dringend gelöst werden. Erste zaghafte Schritte wurden getan: Im vergangenen September haben sich in New York fast 50 Staats- und Regierungschefs getroffen und vereinbart, bis 2018 einen umfassenden Rahmenplan zur Flüchtlingshilfe zu erstellen. Jetzt müssen konkrete Maßnahmen getroffen werden. Staaten wie Äthiopien müssen finanziell besser unterstützt werden, um für Menschen wie Nya und ihre Kinder dauerhafte Lösungen zu schaffen, damit sie sich selbst ernähren können und nicht von Lieferungen des Welternährungsprogramms abhängig sind.

Um Menschen wie Nya zu unterstützen, ist Oxfam vor Ort und leistet humanitäre Hilfe.

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