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Muss die Prügelstrafe wirklich verboten werden?
Die Bundesregierung prüft, ob es wirklich nötig ist, alle Schulen per Gesetz zu einem gewaltfreien Unterricht zu zwingen – oder ob es ausreicht, wenn genügend Schulen freiwillig auf den Rohrstock verzichten. Nach Todesfällen in deutschen Klassenzimmern ist die Diskussion um ein mögliches gesetzliches Verbot der Prügelstrafe entbrannt.
Das Bildungsministerium ist noch zögerlich: Ein Gesetz könne die Schulleitungen mit Bürokratie belasten und die Freiheit der Schulen einschränken. „Solch eine Überregulierung schadet der Effizienz des Unterrichts und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Bildungssystems“, kritisiert auch Hartmut Stahlknecht vom Bundesverband für Disziplin im Unterricht (BDU). „Wo kämen wir hin, wenn die Schulen künftig für jeden gebrochenen Fingerknochen haftbar wären?“
Umfrage unter Schulleitungen soll entscheiden
Wegen des öffentlichen Drucks will die Bundesregierung die Kinderrechte allerdings nicht länger ignorieren. Eine Umfrage unter den Schulen soll darüber entscheiden, ob ein gesetzliches Prügelverbot nötig ist oder ob es ausreicht, wenn die meisten Schulen sich freiwillig zu einem gewaltfreien Unterricht verpflichten.
3000 Schulleitungen sollen angeben, ob sie ihren Unterricht schon jetzt freiwillig gewaltfrei durchführen. Die Bundesregierung zeigt sich streng: Sie droht mit einem Gesetz, wenn nicht mindestens die Hälfte der Antworten „Ja“ laute.
Um die Schulverwaltungen zu schonen, werden die Antworten nicht überprüft. Außerdem ist die Teilnahme an der Umfrage freiwillig. „Bei den Schulen, die sich gar nicht zurückmelden, gehen wir davon aus, dass alles irgendwie OK ist“, so eine Regierungssprecherin in einer Pressekonferenz.
„Kann ich bald endlich meine Schule auf Schadensersatz verklagen?“, fragt Johanna Meyer, Nachwuchsjournalistin mit blauen Flecken von der Schülerzeitung Spitalnic. Der Sprecher des Bildungsministeriums wiegelt ab: Unter den bisher eingegangenen Antworten seien zwar viele Prügelschulen, aber immerhin auch ein paar, die sich zur Gewaltfreiheit verpflichten. „Das zeigt, dass es schon vorbildliche Schulen gibt. Schade, dass Ihre nicht dazu gehört. Tja, kann man nix machen.“
Die Verantwortung sieht das Bildungsministerium unterdessen auch bei den Eltern. Bei der Schulwahl sollten sie sich besser über die pädagogischen Konzepte der Schulen informieren und selbst abwägen, wie wichtig ihnen das Recht auf körperliche Unversehrtheit sei.
Alles eine Farce? Ja – und genau so eine Farce betreibt die Bundesregierung gerade rund um das Lieferkettengesetz. Viele deutsche Konzerne nehmen in Kauf, dass in ihren Lieferketten Menschen sterben: wenn marode Fabriken einstürzen oder in Flammen aufgehen, Dämme bersten oder streikende Arbeiter*innen getötet werden.
Doch anstatt Unternehmen per Gesetz für solche Verletzungen der Menschenrechte haftbar zu machen, verschwendet die Bundesregierung Zeit – mit einer sinnlosen Befragung der Unternehmen, ob sie die Menschenrechte freiwillig einhalten oder dies zumindest planen. Wir brauchen keine Umfrage, wir brauchen ein Gesetz!