Der Klimawandel hat nach dem Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen keine Pause eingelegt.Jan Kowalzig
Klima-Experte bei Oxfam

Angesichts der schweren Unwetterkatastrophen in diesem Jahr sieht Oxfam neue Dringlichkeiten darin, beim UN-Klimagipfel in Cancún Ergebnisse zu erzielen. Seit dem gescheiterten Klimagipfel von Kopenhagen häufen sich Unwetterkatastrophen, Überschwemmungen und Rekordtemperaturen. Nach Oxfam-Analysen sind allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2010 etwa 21.000 Menschen durch Unwetterkatastrophen ums Leben gekommen, doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2009. Die Anzahl der extremen Unwetter dürfte 2010 deutlich höher liegen, als das bisherige Zehn-Jahres-Mittel. 2010 wird zudem als eines der bisher wärmsten Jahre überhaupt in die Geschichte eingehen.

Forderung nach Klima-Fonds

Jan Kowalzig, Klima-Experte bei Oxfam warnt: "Der Klimawandel hat nach dem Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen keine Pause eingelegt. Wir erleben jedes Jahr infolge des Klimawandels millionenfach mehr Leid, Hunger und Verschärfung von Armut. Die Weltklimakonferenz in Cancún wird zwar das so dringend benötigte Abkommen nicht erzielen. Aber wichtige Fortschritte sind in Vorbereitung auf ein künftiges Abkommen möglich – und angesichts der Folgen des Klimawandels in den armen Ländern unverzichtbar."

Oxfam fordert von der Konferenz in Cancún, den bereits in Kopenhagen versprochenen Klima-Fonds für arme Länder formal einzurichten, sowie einen Fahrplan für die weitere Ausarbeitung des Fonds und für die Mobilisierung der erforderlichen finanziellen Mittel festzulegen. Dabei ist es wichtig jetzt schon sicherzustellen, dass die armen Länder direkten Zugang zu den Fondsmitteln bekommen und gleichberechtigt über die spätere Mittelverwendung mitentscheiden dürfen.

Hilfen dort, wo am dringendsten nötig

Jan Kowalzig: "Der Erfolg dieses neuen Klima-Fonds wird sich letztlich daran messen lassen müssen, ob die Hilfen später auch dort ankommen, wo sie am dringendsten benötigt werden – nämlich bei den in Armut lebenden und vom Klimawandel am stärksten bedrohten Menschen in den armen Länder, um ihnen bei der Anpassung an die klimatischen Veränderungen, etwa zur Sicherung der Ernten, zu helfen."

Oxfam fordert alle Regierungen auf, bei den Klimazielen zur Begrenzung des Klimawandels zu einem Ergebnis zu kommen. Die seit Kopenhagen angekündigten Reduktionsziele der Industrieländer und die geplanten Klimaschutzmaßnahmen der Schwellenländer könnten in Cancún formalisiert werden, um größere Verbindlichkeit zu schaffen.

Auf der nächsten Weltklimakonferenz 2011 könnten sie dann in einem Teilabkommen völkerrechtlich verbindlich festgelegt werden. Zugleich muss aber schon in Cancún anerkannt werden, dass die bisherigen Ziele nicht ausreichen werden, die globale Erwärmung auf unter 2°C oder 1.5°C zu begrenzen. Vor allem die Ziele der Industrieländer sind aus Oxfams Sicht bisher völlig unzureichend. Auch die Europäische Union verharrt weiterhin auf einem Ziel von nur 20 Prozent Reduktionen bis 2020 (gemessen an 1990).

Brüderle muss Widerstand gegen Klimaschutz aufgeben

Jan Kowalzig: "Ihr bisheriges 20 Prozent-Ziel wird die EU fast ohne weitere Anstrengungen erfüllen. Trotzdem verhindert Wirtschaftsminister Brüderle, dass die EU ihr Ziel auf mindestens 30 Prozent Reduktionen bis 2020 aufstockt. Herr Brüderle tut dies im Interesse der klimaschädlichen Industrien und der vier großen Energiekonzerne. Angesichts der seit langem zu beobachtenden Zunahme von schlimmen Dürren und schweren Unwetterkatastrophen in den armen Ländern ist dieses Verhalten zynisch und rücksichtslos."

Oxfam verweist auch darauf, dass die an einem Vorankommen interessierten Länder sich nicht weiter vom mangelnden Willen der Vereinigten Staaten zurückhalten lassen dürfen. Nachdem dort die Einführung eines Emissionshandelssystems bis auf Weiteres gescheitert ist, ist nicht zu erwarten, dass die USA mit neuen Angeboten oder gar einer Aufstockung ihres Klimaschutzziels von 17 Prozent Reduktionen bis 2020 (gemessen an 2005) nach Cancún reisen werden. Oxfam fordert, dass die fortschrittlicheren Länder in den zentralen Bereichen Vereinbarungen zur Not auch ohne die USA treffen. Diese müssten so gestaltet werden, dass die USA zu einem späteren Zeitpunkt wieder eingebunden werden können, wenn sich dort die Bereitschaft für mehr Klimaschutz und mehr Verantwortung bei der Unterstützung der armen Länder gegen die Folgen des Klimawandels erhöht hat.