Obwohl im vergangenen Jahrzehnt mehr als drei Millionen Menschen durch Weltbankprojekte ihr Land oder einen Teil ihrer Lebensgrundlagen verloren haben, plant die Weltbank eine weitere Aufweichung ihrer Schutzstandards. Davor warnt die internationale Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam gemeinsam mit 18 weiteren Menschenrechts- und Umweltorganisationen. Die Weltbank veröffentlichte gestern ihren zweiten Entwurf der Schutzstandards für Projekte, die sie finanziell fördert. Dieser sieht eine wesentliche Abschwächung der Schutzstandards für Gemeinden und die Umwelt vor, während die Weltbank gleichzeitig plant, finanziell stärker in Hochrisiko-Projekte zu investieren. Damit bricht Weltbank-Präsident Jim Yong Kim seine Zusage, die neuen Regeln würden die bestehenden, verbindlichen Umwelt- und Sozialstandards nicht abschwächen.

Beispiele für die Abschwächung der Standards

Landrechte: Der Entwurf sieht vor, dass der Aufsichtsrat der Weltbank Projekte absegnen darf, die Menschen von ihrem Land vertreiben, auch wenn kein Umsiedlungsplan und kein Budget für Ausgleichszahlungen vorliegen. Damit droht Millionen Menschen ein Leben in Armut, wenn ihre Lebensgrundlagen ersatzlos zerstört werden. „Die Weltbank steht bereits heute schlecht da, wenn es um den Schutz von Landrechten von Gemeinden geht, wie selbst interne Prüfungen der Weltbank belegen. Statt dies zu ändern, treibt sie Millionen Menschen weiterhin in die Armut und verschärft Ungleichheit. Das ist skandalös“, kritisiert Oxfams Agrarexpertin Marita Wiggerthale.

Menschenrechte: Die neuen Regeln verpflichten die Kreditnehmer nicht dazu, Menschenrechte einzuhalten. „Der Entwurf behandelt Menschenrechte als seien sie Verhandlungssache und nicht international bindendes Völkerrecht“, erklärt Wiggerthale. Gemeinden auf der ganzen Welt hatten die Weltbank aufgefordert, dies zu ändern. „Die Weltbank signalisiert ihren Mitarbeitern damit, dass die Einhaltung von Menschenrechten in ihrem eigenen Ermessen liegt.“

Arbeitsrechte: Der neue Entwurf sieht zwar einige Verbesserungen vor, bezieht sich aber nicht auf die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen, wie das Recht auf Versammlungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen. Diese müssen nur eingehalten werden, wenn sie bereits durch nationale Gesetze abgesichert sind. Dies ist in vielen Ländern aber nicht der Fall. „Die Weltbank lässt Arbeiter und Arbeiterinnen im Stich“, kritisiert Wiggerthale.

Neue Standards widersprechen Entwicklungszielen der Weltbank

Der neue Entwurf für die Umwelt- und Sozialstandards widerspricht dem selbsterklärten Ziel der Weltbank, extreme Armut zu beenden sowie Wohlstand für alle und eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Die Abschwächung der Standards muss korrigiert werden, bevor er voraussichtlich Ende 2015 verabschiedet wird.

Hintergrund

Die 19 Menschenrechts- und Umweltorganisationen sind:
Alyansa Tigil Mina (Philippinen), Bank Information Center (USA), Both ENDS (Niederlande), Bretton Woods Project (Großbritannien), Center for International Environmental Law (USA), Derecho Ambiente y Recursos Naturales (Peru), Forest Peoples’ Program (Großbritannien), Earthlife Africa (Südafrika), NGO Forum on ADB (Philippinen), Gender Action (USA), Human Rights Watch (International), Inclusive Development International (USA), International Accountability Project (USA), International Trade Union Confederation, Oxfam International, Re:Common (Italien), Ulu Foundation (USA), Urgewald (Deutschland), 11.11.11. (Belgien).

Link zum zweiten Entwurf: http://bit.ly/CSOPress2ndDraft

Erster Entwurf vom 30. Juli 2014: https://consultations.worldbank.org/Data/hub/files/consultation-template/review-and-update-world-bank-safeguard-policies/en/materials/first_draft_framework_july_30_2014.pdf

Reaktionen der Zivilgesellschaft, von Experten und betroffenen Gemeinden zum ersten Entwurf: www.safeguardcomments.org, http://www.bicusa.org/safeguards-reaction-roundup/