Für die Studie „Made in Myanmar: Entrenched Poverty or decent jobs for Garment Workers?“ hatten Oxfam und mehrere lokale Menschenrechtsorganisationen 123 Textilarbeiter/innen aus 22 Fabriken in der Region Rangun befragt. Darunter waren auch Fabriken, die für namhafte europäische Firmen produzieren. Dem Bericht zufolge sind geringe Löhne, Schikanen durch Vorgesetzte und unsichere Arbeitsbedingungen an der Tagesordnung. Der monatliche Durchschnittslohn der Befragten liegt bei 98 US-Dollar. Trotz Schichten von bis zu elf Stunden, einer 6-Tage-Woche und erzwungenen Überstunden gaben drei Viertel der Befragten an, dass dies nicht ausreicht, um Grundbedürfnisse wie ausreichend Nahrung oder Medikamente zu befriedigen. Ein Drittel hat schon einmal eine Verletzung am Arbeitsplatz erlitten. Viele Arbeiter/innen haben Angst vor Bränden und berichten, dass Fabrikausgänge blockiert oder verschlossen sind.

„Die Beschäftigten müssen mit Lohnkürzungen oder Entlassung rechnen, wenn sie sich krankmelden. Einige berichteten, dass sie während ihrer Schicht nicht einmal auf die Toilette gehen dürfen. Diese Bedingungen sind für eine Textilindustrie des 21. Jahrhunderts völlig inakzeptabel“, sagt der Oxfam-Landesdirektor in Myanmar, Paul Joicey.

Nach Jahrzehnten der wirtschaftlichen Isolation hat sich Myanmar durch die demokratischen Reformen seit 2011 langsam geöffnet. Das hat auch einen Boom in der Textilindustrie ausgelöst. Namhafte deutsche und europäische Konzerne wie Adidas, Aldi, Tchibo, Jack Wolfskin, H&M, GAP und Primark haben angefangen, Waren aus Myanmar zu beziehen. Oxfam fordert die internationalen Einkäufer auf, sicherzustellen, dass Arbeiter/innen in Zulieferfabriken die Möglichkeit haben, höhere Löhne auszuhandeln, Zugang zu Sicherheitsschulungen und Beschwerdemöglichkeiten im Fall von mangelndem Arbeitsschutz haben.

Zusammen mit ihren Lieferanten sollten die Unternehmen darauf hinwirken, ausbeuterische und unsichere Arbeitsbedingungen zu beenden. Ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung wäre mehr Transparenz.

„Viele ausländische Unternehmen, die in Myanmar aktiv sind, halten den Ort ihrer Geschäftsaktivitäten geheim. Dadurch ist es kaum möglich, die Arbeitsbedingungen vor Ort unabhängig zu überprüfen. Die vielen Tragödien in der asiatischen Textilindustrie wie der Zusammensturz des Rana-Plaza-Gebäudes in Bangladesch im April 2013 haben gezeigt, dass es ohne Kontrollen von außen nicht geht“, sagt Franziska Humbert, Referentin für Arbeitsrechte bei Oxfam Deutschland.

Sie verweist darauf, dass immer mehr Firmen ihre Produktion in das Billiglohnland Myanmar verlagern. Dies dürfe nicht zulasten der Arbeiter/innen gehen. „Die Unternehmen müssen garantieren, dass die Beschäftigten unter menschenwürdigen Bedingungen arbeiten können.“

Hintergrund

Im April 2013 stürzte in Bangladesch das Rana Plaza, eine Zulieferfabrik für unter anderem die deutsche Textilbranche zusammen. Auf Initiative von Entwicklungsminister Müller haben Unternehmen, Zivilgesellschaft und Gewerkschaften infolgedessen im Oktober 2014 das sogenannte Textilbündnis ins Leben gerufen. Es soll eine nachhaltige Produktion garantieren und sieht soziale und ökologische Mindeststandards vor, die die Unternehmen bis spätestens 2020 umsetzen müssen. Dem Textilbündnis sind bislang mehr als 100 deutsche Unternehmen beigetreten.

Hinweise an die Redaktion

Um die Anonymität der befragten Arbeiter/innen zu schützen, macht Oxfam keine Angaben darüber, welche Unternehmen Geschäftsbeziehungen mit den Fabriken, in denen die Befragungen stattfanden, unterhalten.

Weitere Ergebnisse der Studie:

  • 43 Prozent aller Befragten gaben an, dass sie sich in der Fabrik nicht sicher fühlen.
  • Knapp 90 Prozent sind nicht in der Lage, von ihrem Gehalt etwas anzusparen.
  • Mehr als die Hälfte des Gehalts wird für Miete ausgegeben.
  • Ein Viertel aller Arbeiter/innen berichtet von erzwungenen Überstunden, zum Teil unbezahlt.
  • Mehr als ein Drittel hat keinen Arbeitsvertrag, 64 Prozent wissen nicht, wie lange ihr Vertrag gültig ist.

Die Autorin der Studie, Daisy Gardener, und die Referentin für Arbeitsrechte bei Oxfam Deutschland, Franziska Humbert, stehen für Interviewwünsche zur Verfügung.