Nachdem im Februar 2018 die Vorfälle sexueller Ausbeutung durch Oxfam-Mitarbeiter während des Nothilfe-Einsatzes in Haiti im Jahr 2011 publik geworden waren, reagierte Oxfam mit einem 10-Punkte-Aktionsplan gegen sexuelle Ausbeutung und Missbrauch. Oxfam setzt den Plan seither Punkt für Punkt um und berichtet zu den Fortschritten öffentlich alle drei Monate, zuletzt im April 2019: https://www.oxfam.de/ueber-uns/oxfam/safeguarding. Der Abschlussbericht der unabhängigen Kommission ist ein Meilenstein auf diesem Weg.

„Dieser Bericht ist genau das, worum wir gebeten haben, um den nötigen Wandel in unserer Organisation zu unterstützen. Wir hatten die Kommission eingesetzt, damit sie uns mit unangenehmen Wahrheiten konfrontiert und deutlich macht, wo und wie wir uns verändern müssen. Wir danken der Kommission für ihre wertvolle Arbeit. Wir akzeptieren ihre Befunde und werden alle Empfehlungen umsetzen“, erklärt Marion Lieser, geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland e.V.

Herausforderungen bei Oxfam

Der Bericht identifiziert bedeutsame Schwächen in Oxfams Prozessen zum Umgang mit Fehlverhalten sowie bei der Zuordnung und Wahrnehmung von Verantwortung. Zudem macht die Kommission Probleme im Arbeitsumfeld aus, in dem es teilweise an Unterstützung und Wertschätzung mangele und das sie in einigen Bereichen als toxisch bezeichnet. Darüber hinaus sieht die Kommission in der Komplexität der Organisation ein Hindernis, um den Herausforderungen beim Schutz vor sexualisierter Gewalt im gesamten Verbund gerecht zu werden.

Die Kommission hat im Zuge ihrer Untersuchung große Einsätze in drei Ländern besucht, in denen neben Oxfam weitere Hilfsorganisationen tätig sind, um humanitäre Hilfe zu leisten. Dabei gab es zahlreiche Beschwerden über sexuellen Missbrauch und ausbeuterisches Verhalten. Wo Beschuldigte identifizierbar waren, hat die Kommission diese Informationen mit den betreffenden Organisationen geteilt, damit der Fall dort untersucht werden kann. Die Kommission hat in diesem Zusammenhang keine neuen Vorwürfe gegen Oxfam-Mitarbeiter*innen erhoben.*

Kommission erkennt Oxfams Veränderungswillen und Fortschritte an

Die Kommission erkennt in ihrem Bericht Oxfams Veränderungswillen ausdrücklich an. Sie schreibt, Oxfam unternehme derzeit große Anstrengungen, um den Schutz vor sexualisierter Gewalt und anderen Formen des Fehlverhaltens zu stärken. Seit Februar 2018 habe Oxfam, so die Kommission, wichtige Schritte unternommen, darunter die Erarbeitung neuer Richtlinien zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, die Einrichtung einer zentralen Einheit im Oxfam-Verbund, die für den Schutz vor sexualisierter Gewalt zuständig ist, sowie die Einführung einheitlicher Standardprozesse, anhand deren über Vorfälle berichtet wird. Zudem macht die Kommission deutlich, dass sich die große Mehrzahl der Mitarbeiter*innen mit viel Engagement und großer Überzeugung für die Werte und Ziele von Oxfam einsetzt.

„Wir haben uns mit unserem Aktionsplan auf einen Weg gemacht, den wir konsequent weitergehen werden. Wir wollen eine Organisation sein, in der Machtmissbrauch gesehen und sanktioniert wird, in der Betroffene gehört und geschützt werden, in der eine Kultur des Miteinanders und Füreinanders herrscht und in der Probleme offen angesprochen werden“, erklärt Lieser.

Ergänzend zu den bereits laufenden Aktivitäten im Rahmen des 10-Punkte-Plans wird Oxfam im kommenden Jahr:

  • einen mit 550.000 Euro ausgestatteten „Global Integrity Fund“ einrichten, um lokale zivilgesellschaftliche Organisationen dabei zu unterstützen, ihre Kapazitäten zum Schutz vor sexueller Ausbeutung, Belästigung und Missbrauch zu stärken;
  • seine eigenen Kapazitäten zum Schutz vor sexueller Ausbeutung, Belästigung und Missbrauch in besonders fragilen und herausfordernden Einsatzgebieten weiter stärken;
  • zwei zentrale Stellen schaffen: einen „Chief Ethics Officer“, dessen Aufgabe es sein wird, die Einhaltung von Oxfams Werten und ethischen Standards sicherzustellen, und die Position eines „Culture Leads“, die den Kulturwandel im gesamten Oxfam-Verbund vorantreiben und begleiten wird.

Britische Regulierungsbehörde legte gestern Bericht zu Oxfam Großbritannien vor

Bereits gestern hatte die britische Regulierungsbehörde für NGOs, die UK Charity Commission, einen Bericht vorgelegt. Dieser untersucht den Umgang von Oxfam Großbritannien mit Vorfällen sexueller Ausbeutung, Belästigung und Missbrauch, während des Nothilfe- Einsatzes in Haiti im Jahr 2011 und darüber hinaus. Auch dieser Bericht offenbart Schwächen und Probleme, denen sich Oxfam Großbritannien und der gesamte Oxfam-Verbund stellen werden. Der Bericht ist ein weiterer wichtiger Beitrag zu Oxfams Veränderungsprozess.

 

Weiterführende Informationen:

  • Die unabhängige Kommission wurde von Oxfam im März 2018 eingesetzt und mit dem Mandat ausgestattet, Oxfams Arbeit und Umgang mit Vorfällen sexueller Ausbeutung, Belästigung und Missbrauch zu untersuchen und darüber öffentlich zu berichten. Diesen Auftrag nahmen neun international anerkannte Menschenrechtsexpert*innen an, unter dem Vorsitz von Zainab Bangura, ehemals UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt in Konflikten, und Katherine Sierra, ehemalige Vizepräsidentin der Weltbank: https://independentcommission.org
  • Der 10-Punkte-Aktionsplan ist Oxfams Antwort auf die Vorfälle sexueller Ausbeutung, die im Februar 2018 publik wurden. Oxfam berichtet alle drei Monate über die Fortschritte bei der Umsetzung: https://www.oxfam.de/ueber-uns/oxfam/safeguarding
  • Marion Lieser, geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland e.V., nimmt Stellung zum Abschlussbericht der unabhängigen Kommission: https://www.oxfam.de/blog/abschlussbericht-unabhaengigen-kommission-hinschauen-hinhoeren-handeln

 

* Update 16.07.2019

Nach der Veröffentlichung des Berichts der unabhängigen Kommission hat das Safeguarding-Team von Oxfam die Hintergrunddokumente überprüft, die Teil des Abschlussberichtes der Kommission waren. In diesem Hintergrundmaterial gibt es Hinweise auf Fälle sexuellen Fehlverhaltens, die Oxfam direkt betreffen. Wir sind sehr besorgt über diese neuen Informationen und stehen in Kontakt mit ehemaligen Mitgliedern und Mitarbeiter*innen der Kommission, um die Fälle weiter zu untersuchen.

Wir werden Menschen, die eine formelle Beschwerde einreichen möchten, uneingeschränkt unterstützen und alles in unserer Macht Stehende tun, um dazu beizutragen, mutmaßliche Täter*innen zu identifizieren und zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn es Beweise für eine Straftat gibt, werden wir mit Zustimmung der betroffenen Personen die Beweise an die zuständigen Behörden weiterleiten.

Alle sechs Monate berichten wir öffentlich über die Ergebnisse der Untersuchungen abgeschlossener Fälle.