Gabriele Winker, bis 2020 Professorin für Arbeitswissenschaft und Gender Studies an der Technischen Universität Hamburg: „Auch in der Pandemie sind es wieder einmal die einkommensarmen Erwachsenen und ihre Kinder, die in beengten Wohnräumen bei fehlender digitaler Ausstattung besonders leiden. Durch eine deutlich höhere Besteuerung Vermögender und Gutverdienender kann zügig mehr Personal in Bildung und Gesundheit sowie eine existenzielle Absicherung für alle finanziert werden."

Zahlreiche Studien zeigen, dass die Corona-Pandemie die bestehende Vermögensungleichheit in Deutschland und weltweit verschärft hat. Laut der kürzlich veröffentlichten Forbes-Liste gibt es aktuell ein Drittel mehr Dollar-Milliardär:innen als noch vor einem Jahr. Ihr Gesamtvermögen wuchs um mehr als 63 Prozent auf über 13,1 Billionen USD. Während ein Bruchteil profitiert, bedeutet die Krise für einen Großteil der Menschen existenzielle Not. Die Weltbank geht aktuell davon aus, dass im vergangenen Jahr mehr als 100 Millionen Menschen durch die Pandemie in extreme Armut gerutscht sind.

Tobias Hauschild, Teamleiter Soziale Gerechtigkeit bei Oxfam Deutschland: „Die Corona-Krise verschärft weltweit die schon zuvor dramatische Ungleichheit. Die Regierungen müssen jetzt in gute öffentliche Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung für alle investieren, um Armut und Ungleichheit zu bekämpfen. Konzerne und sehr Vermögende müssen durch eine gerechte Steuerpolitik stärker zur Bewältigung der Krise beitragen und ihren fairen Anteil zum Allgemeinwohl leisten – hier und weltweit."

Der Reichtum in Deutschland ist weitaus ungleicher verteilt als lange Zeit angenommen, haben Forscher*innen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) herausgefunden: Mitte 2020 besaß das reichste Prozent 35 Prozent des Gesamtvermögens. Eine Mehrbelastung von Hyperreichen spült laut aktuellen Berechnungen des DIW Ökonomen Stefan Bach Einnahmen in zweifacher Milliardenhöhe in die Staatskassen.

Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes: „Schon vor Corona hat die Armut in Deutschland ein trauriges Rekordhoch erreicht. Die Krise verschärft die soziale Spaltung und droht den Verschleiß der sozialen Infrastruktur zu beschleunigen. Es wäre verantwortungslos den Reichtum unserer Gesellschaft jetzt nicht für den sozialen Zusammenhalt einzusetzen. Die enormen krisenbedingten Kosten erfordern mehr denn je eine gerechte Steuerpolitik, die das Geld dort holt, wo es im Überfluss vorhanden ist. Umverteilen ist nicht nur möglich, sondern notwendig."

Svenja Fischbach, Pressesprecherin des Bündnisses „Wer hat, der gibt“: „Leistungsgerechtigkeit ist ein Mythos, niemand kann sich ein Multi-Millionen Vermögen erarbeiten. Erwirtschaftet wird es durch uns, die arbeitende Bevölkerung, es handelt sich also im Grunde um gesellschaftlichen Reichtum. Wir brauchen dieses Geld jetzt, um das Gemeinwohl zu stärken: Es bedarf u.a. Investitionen in die kommunale Infrastruktur wie Wohnungen, Bildung, Mobilität, etc. Außerdem steht uns ein dringend notwendiger Umbau der Wirtschaft hin zu einer ökologischen und bedarfsorientierten bevor. Das kostet.“

Neben Oxfam, Prof. Dr. Gabriele Winker und Dr. Ulrich Schneider zählen zu den Erstunterzeichnenden u.a. Attac Deutschland, Prof. Dr. Christoph Butterwegge, Marina Weisband, Prof. em. Dr. Heinz-J. Bontrup, lokale FridaysForFuture Gruppen, Maren Kroymann, Christoph Hein und Max Uthoff.

Initiiert wurde der offene Brief von dem Krisen- und Umverteilungsbündnis „Wer hat, der gibt“. Das bundesweite Bündnis hat sich zu Beginn der Corona-Pandemie gegründet und besteht aus verschiedenen politischen Initiativen und Einzelpersonen. Es fordert eine konsequente Besteuerung von Reichtum und langfristig einen Paradigmenwechsel in der Wirtschaft, um die Ursachen der Ungleichheitsentwicklung zu bekämpfen.