In der südafrikanischen Provinz Westkap sind die Zahlen von Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen erschreckend hoch – besonders in Vororten wie Athlone mit seinen Hinterhofhütten und informellen Siedlungen. Aber auch in großen Townships wie Khayelitsha sind Frauen durch das Zusammenspiel aus Armut, Arbeitslosigkeit, Drogenmissbrauch, Gewaltbereitschaft und traditionellen Vorstellungen von Männlichkeit täglich von Gewalt bedroht. Den progressiven Gesetzen stehen in Südafrika unzureichende staatliche Unterstützung und weitgehende Straflosigkeit gegenüber. Bei den Betroffenen verfestigt das ein Gefühl der Ohnmacht.

Hilflosigkeit und Schweigen überwinden

Oxfams Partnerorganisation Rape Crisis Cape Town Trust (Rape Crisis) arbeitet in Khayelitsha und Athlone mithilfe von Gemeinschaftsdialogen in den Nachbarschaften, leistet Öffentlichkeitsarbeit über die Medien und bildet jugendliche Multiplikator/innen aus, die mit der Methode der sogenannten Peer Education Gleichaltrige sensibilisieren. Die Arbeit der Multiplikator/innen gibt den Jugendlichen die zuvor ungekannte Chance, Hilflosigkeit und Schweigen zu überwinden und sich aktiv einzusetzen für die Sicherheit in ihrem Umfeld und eine veränderte öffentliche Wahrnehmung von sexualisierter Gewalt.

Verantwortung und Privileg zugleich

„Multiplikatorin zu sein, bedeutet für mich viel mehr als einen Kurs absolviert zu haben“, erzählt Monique, eine der jugendlichen Multiplikator/innen von der Athlone High School. „Es ist für mich eine ernsthafte Verantwortung – und auch ein Privileg, auf das ich stolz bin.“ Mit den Jugendlichen ihrer Schule setzt sich Monique mutig mit Vorurteilen und Geschlechterstereotypen auseinander. „Früher wusste ich gar nicht, was ich für andere Menschen bewirken kann“, berichtet sie stolz. Und auch sie selbst habe durch das Multiplikator/innen-Programm viel gelernt: „Früher war ich ängstlich und hätte mich nie getraut, vor einer großen Gruppe zu sprechen - erst recht nicht über persönliche Erfahrungen und Themen, über die man sonst nicht offen spricht.“ Ihre eigenen Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt halfen Monique dabei, sich besser in andere Jugendliche mit ähnlichen Erfahrungen hineinzuversetzen, ihnen Mut zu machen und sie bei der Aufarbeitung zu begleiten.

Südafrika: Die jugendlichen Multiplikator/innen in Khayelitsha erhalten ihre Fortbildungszertifikate
Die jugendlichen Multiplikator/innen in Khayelitsha erhalten ihre Fortbildungszertifikate

Heute spricht Monique in ihrer Gruppe offen und versiert über das gesellschaftliche Stigma, mit dem Vergewaltigte umgehen müssen, über HIV/AIDS und Verhütung, über den weiblichen Körper und den Menstruationszyklus. „Aber das Wichtigste, was ich gelernt habe“, fügt Monique hinzu, „das ist: Vergewaltigung ist eine schwere Straftat. Deshalb will ich Teil der Veränderung sein, damit mehr Fälle angezeigt werden, und die Mädchen und Frauen Unterstützung erfahren.“ Und wie fühlt sie selbst sich in ihrer Rolle als Multiplikatorin? „Ich fühle mich als Teil einer großen Familie: In der Gruppe lachen wir zusammen, weinen zusammen und teilen viele Erfahrungen miteinander. Mein Kurs ist zwar abgeschlossen, aber meine Reise als Multiplikatorin hat gerade erst begonnen.“

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