Ulrich Wagner arbeitet seit fünf Jahren bei Oxfam. Seit Januar 2016 koordiniert er im „Global Humanitarian Team“ große humanitäre Programme in Asien, am Horn von Afrika und in Ostafrika. Er berät die Teams vor Ort, rekrutiert Mitarbeiter/innen und unterstützt das Fundraising. Vor Kurzem war Ulrich Wagner im Südsudan unterwegs.

Ulrich, wie ist die Situation aktuell im Südsudan?

Ulrich Wagner
Ulrich Wagner, Mitarbeiter im „Global Humanitarian Team“ bei Oxfam

Ulrich Wagner: Es gibt über das ganze Land verteilt Konflikte und bewaffnete Auseinandersetzungen. Dabei ist häufig nicht klar, wer gegen wen kämpft. In der Vergangenheit kämpfte hauptsächlich die Regierung gegen die Opposition.

Mittlerweile gibt es jedoch sehr viel mehr bewaffnete Gruppen, Milizen und Kriminelle, die davon profitieren, dass es nicht mehr so viel Ordnung gibt. Sie leben davon, andere Menschen zu berauben oder zu vertreiben. Die Auseinandersetzungen werden zudem immer gewaltsamer, da es heutzutage überall im Land automatische Waffen gibt.

Wie ist die Versorgungslage der Menschen?

Es herrscht eine sehr schlechte wirtschaftliche Lage, mit einer Inflationsrate von jährlich 300 bis 500 Prozent. Die Staatseinnahmen sind um 80 Prozent niedriger als 2013, so dass Soldaten und Regierungsbeamte nicht mehr bezahlt werden können.

Des Weiteren gibt es zu wenig Nahrungsmittel, da im Südsudan nur etwa 60 Prozent der Lebensmittel produziert werden, die die Bevölkerung benötigt. Durch die ständigen Konflikte liegen viele Felder brach. Für die Menschen ist es zu unsicher, ihre Äcker weiterhin zu bestellen. Zu alldem kommt verschärfend hinzu, dass fast die Hälfte der Bevölkerung vertrieben ist, als Binnenflüchtlinge oder als Flüchtlinge in den Nachbarstaaten.

Mit welchen Nothilfe-Maßnahmen unterstützt Oxfam die Menschen?

Die Menschen brauchen dringend sauberes Wasser. Letztes Jahr gab es mit 20.000 Fällen einen der größten Cholera-Ausbrüche im Südsudan. Mit Cholera steckt man sich an, wenn man nicht genug sauberes Wasser für die persönliche Körperpflege hat oder um sich sein Essen zuzubereiten. Ganz einfache Maßnahmen helfen schon: Wir verteilen Wasserkanister, Seife oder Chlortabletten, mit denen die Menschen Wasser säubern können, um es trinkbar zu machen.

Wir haben auch ein schnelles Krisenreaktionsteam im Land, das sich innerhalb weniger Tage in ein neues Gebiet begeben kann. Häufig passiert das, nachdem es wieder zu Auseinandersetzungen gekommen ist. Dieses Team schaut zunächst, was am dringendsten benötigt wird, und beginnt dann mit den Verteilungen.

Häufig werden auch Brunnen repariert, weil die Brunnen in den Dörfern, die die Geflüchteten aufnehmen, völlig überlastet sind. Es gibt Brunnen, die 24 Stunden durchgehend benutzt werden und dann natürlich kaputtgehen. Wir zeigen den Menschen auch, wie man an einem Tiefbrunnen ganz einfache mechanische Reparaturen vornimmt.

Wie unterstützt Oxfam die Menschen im Südsudan außerdem?

Wir unterstützen die Menschen auch, indem wir Lebensmittelgutscheine verteilen, mit denen sie sich bei lokalen Händlern Nahrung kaufen können. Anschließend kommen die Händler zu uns, und wir zahlen ihnen die Gutscheine aus. Dieses System finde ich sehr gut, da es auch die lokale Wirtschaft unterstützt. Was man sonst häufig hat, ist, dass die humanitären Helfer mit einem Flugzeug kommen und mit ihren Hilfsgütern den lokalen Markt kaputtmachen. Natürlich ist der Markt im Südsudan nicht sehr stark, und vor allem in der Regenzeit ist es schwierig für die Händler, ihren Nachschub zu organisieren. Aber es gibt diese Händler und wir sollten sie unterstützen.

Eine Südsudanesin zapft Wasser.
Eine Südsudanesin pumpt Wasser aus einem Bohrloch in Juba, das von Oxfam repariert wurde.

Ein großer Teil unserer Arbeit ist zudem, Tiefbrunnen zu bohren und zu reparieren. Das ist zwar auch Teil der Nothilfe, hat aber eine längerfristige Perspektive. Wir hoffen, dass diese Tiefbrunnen auch in Zukunft das Wasser für die Familien und für das Vieh bereitstellen können. Zudem sind wir auf den Bau von Solaranlagen und Solarmotoren spezialisiert. So benötigt man kein Benzin für die Brunnen und sie können mit geringen Kosten weiter betrieben werden. Das macht sie noch langlebiger und zuverlässiger als normale Tiefbrunnen.

Und in Juba, einem der Cholera-Hotspots, haben wir ein urbanes Wasserprojekt geschaffen: Die Wasserhändler holen ihr Wasser hier aus dem Nil; doch das ist sehr dreckig. Wir haben hier Wassertanks aufgestellt, in die das Wasser hineingepumpt, gereinigt und durch Chlor desinfiziert wird. Von diesen großen Tanks nehmen die Händler nun ihr Wasser und verkaufen es weiter. Das geht so weit, dass die Leute sagen: Wir wollen das Oxfam-Wasser, von dem wir wissen, dass es sauber ist. Die Menschen sind sich sehr bewusst, dass Cholera durch verschmutztes Wasser übertragen wird.

Was sind besondere Herausforderungen bei der Arbeit vor Ort?

Der Südsudan ist das tödlichste Land für humanitäre Helfer überhaupt. Seit 2013 wurden etwa 100 Helfer getötet. Das waren größtenteils nationale Mitarbeiter. Die Sicherheitslage ist sehr prekär.

Zudem ist die logistische Lage sehr kompliziert. Es ist unglaublich teuer, die Feldbüros zu unterhalten. Viele liegen in schwer zugänglichen Gebieten und wir müssen dort alles hinfliegen – Nahrung, Hilfsgüter, Mitarbeiter. Wir wollen ja grade in solchen Regionen präsent sein, wo sonst niemand ist und wo die Lage brenzlig ist. Umso wichtiger ist die Unterstützung durch unsere Spenderinnen und Spender und unsere anderen Geldgeber. Ohne sie könnten wir die Menschen im Südsudan nicht in dem Maße unterstützen, wie wir es zurzeit tun.

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