Garnelen aus dem Gefrierfach, Tintenfische an der Kühltheke und Muscheln im Fertiggericht: Der Konsum von Meeresfrüchten ist in den vergangenen 50 Jahren stark gestiegen. Um den Bedarf zu decken, hat sich ein Netz von Lieferverbindungen entwickelt. Es umspannt die ganze Welt und verbindet deutsche Konsumentinnen und Konsumenten mit den Produzentinnen und Produzenten ihres Essens. Die Fischer auf den Kuttern, die Frauen, die im Hafen Garnelen pulen, und jene, die Meeresfrüchte in Fabriken verpacken: Sie alle bilden Maschen dieses Netzes.

Die meisten Fäden des Netzes beginnen in Asien. Zum Beispiel im Fall von Garnelen: 89 Prozent aller Garnelen wurden 2016 aus asiatischen Ländern exportiert. Und viele der Fäden führen nach Europa. Nach den USA ist die Europäische Union der zweitgrößte Garnelen-Importeur weltweit. Die Arbeitsbedingungen bei den Produzent*innen interessieren dabei kaum jemanden.

Deutsche Ketten übernehmen keine Verantwortung

Im kürzlich veröffentlichten Supermarkt-Check hat Oxfam die Geschäftspolitik von 16 internationalen Supermärkten bewertet und herausgefunden: Gerade deutsche Supermärkte tun viel zu wenig, um sicherzustellen, dass die Menschen, die das Essen in den Regalen herstellen, nicht ausgebeutet werden.

Deutsche Supermärkte wälzen die Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte auf ihre Lieferanten ab und verstecken sich hinter fragwürdigen Siegeln.
Franziska Humbert, Oxfam-Expertin für soziale Unternehmensverantwortung

Die Arbeitsbedingungen der Menschen auf dem Weg der Garnele vom Indischen Ozean zum europäischen Supermarkt dokumentiert ein aktueller Bericht von Oxfam und der Sustainable Seafood Alliance Indonesia, für den mehr als 100 Arbeiter*innen in Thailand und Indonesien befragt wurden.

Hungerlöhne und Extrembedingungen

Nicht nur die Fischer, auch die Frauen in den Verarbeitungsfabriken werden ausgebeutet. Die Löhne sind hier besonders niedrig. In Thailand verdienen 60 Prozent der von Oxfam befragten Frauen so wenig, dass ihre Ernährungssicherheit gefährdet ist. Bis zu 19 Kilogramm Garnelen müssen Arbeiterinnen pro Stunde pulen. Toilettenpausen und der Zugang zu Trinkwasser werden von Aufsehern kontrolliert und beschränkt.

Bei der Arbeit kommen die Menschen mit Eiseskälte, kochendem Wasser und Chlor in Berührung. Arbeiter*innen berichten davon, dass sie ohnmächtig zusammengebrochen sind, weil ihr Körper vor den extremen Umständen kapitulierte. Hinzu kommt die Angst um den Verlust des dringend benötigen Arbeitsplatzes, geschürt durch kurze Arbeitsverträge bei Subunternehmern, die Gewerkschaftsrechte aushebeln.

Ich war insgesamt sechs Jahre bei einer Verarbeitungsfabrik und hatte immer nur Verträge über zwei Monate. Jeden zweiten Monat hatte ich große Angst um meinen Job.
Ara, alleinerziehende Mutter aus Indonesien

Die Ergebnisse der Studie basieren auf Stichproben. Doch die von Oxfam angefragten europäischen Supermärkte – unter anderem die großen deutschen Märkte Aldi, Edeka, Lidl und Rewe – haben bestätigt oder zumindest nicht abgestritten, dass sie Garnelen von Exporteuren beziehen, bei denen die befragten Arbeiter*innen angestellt sind.

Die Studie kommt zu dem Schluss: Die Supermärkte müssen systematisch gegen Leid und Ausbeutung in der Produktion von Lebensmitteln vorgehen, die sie verkaufen. Oxfam fordert von den Supermärkten, Verantwortung zu übernehmen, damit das Netz, das den Globus umspannt, nicht mehr länger eine Falle für die Schwächsten ist.

Unterstützen Sie uns – zeigen Sie den Supermärkten, dass Ihnen nicht egal ist, wie Ihr Essen produziert wird.

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Deutsche Supermärkte reagieren

Aldi, Lidl, Edeka und Rewe gehören im internationalen Vergleich zu den Schlusslichtern in Sachen Menschenrechte, so der im Juni von Oxfam veröffentlichte Supermarkt-Check.

Inzwischen haben die Supermärkte reagiert: „Überwiegend konstruktive Rückmeldungen lassen auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Problemen hoffen“, sagt Franziska Humbert, Expertin für soziale Unternehmensverantwortung bei Oxfam. „Allein Edeka scheint für einen konstruktiven Austausch nicht offen zu sein. Aldi dagegen will prüfen, inwieweit sie unseren Empfehlungen folgen können“, so Humbert. So plane Aldi Treffen mit lokalen Organisationen in Produktionsländern. Rewe betont ebenfalls die eigene Verantwortung und kündigt erhöhte Transparenz an.

Auch Lidl erkennt die Verantwortung für Menschenrechtsrisiken in seinen Lieferketten an und hat nach langer Unterbrechung die Kommunikation mit Oxfam wieder aufgenommen.

 

Dieser Text erschien zum ersten Mal in der Septemberausgabe der EINS.