Was ist der Migrationspakt?

Im September 2016 haben die 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen in New York erklärt, einen Kooperationsrahmen für Migration entwickeln zu wollen. Die Verhandlungen zu dem entsprechenden „Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ (Global Compact for Migration, GCM) wurden im Juli 2018 abgeschlossen, und der Pakt selbst am 10. Dezember 2018 in Marrakesch verabschiedet. Die VN-Generalversammlung hat den Migrationspakt am 19. Dezember 2018 mit 152 Ja-Stimmen angenommen.

Den Impuls für diesen Prozess gab die Überforderung zahlreicher Staaten mit der ansteigenden Mobilität von Migrant*innen und Flüchtlingen in vielen Teilen der Welt. In New York wurde allgemein anerkannt, dass globale Zusammenarbeit und staatenübergreifende Regelungen erforderlich sind, um sowohl die Not von Migrant*innen zu lindern, als auch den Herausforderungen für Aufnahmegemeinschaften zu begegnen. Grundlage des Pakts bilden gleichermaßen die Souveränität von Staaten und ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen, einschließlich der universellen Menschenrechte.

Im Migrationspakt werden das gemeinsame Verständnis, die Ziele und die Verantwortlichkeit aller Staaten in Bezug auf Migration dargelegt, damit diese für Menschen und Staaten besser funktionieren kann.

Der Pakt erkennt an, dass Migration seit jeher ein Teil menschlicher Erfahrung ist und dass sie in der heutigen globalisierten Welt eine Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung sei. Es sei jedoch nötig und möglich, diese positiven Effekte durch eine verbesserte Steuerung von Migration zu optimieren. Gleichzeitig versteht der Pakt Migration als ein komplexes und dynamisches Phänomen, das Länder und deren Bürger*innen, die mit großen Migrations- und Flüchtlingsbewegungen konfrontiert sind, vor erhebliche Herausforderungen stellen kann. Internationale Regierungen sollen darauf gezielt durch internationale Koordinierung und Solidarität reagieren.

Der Migrationspakt behandelt die von Staaten und internationalen Organisationen geregelte Migration und ist zu unterscheiden vom parallel verhandelten UN-Flüchtlingspakt (Global Compact on Refugees), der die grenzüberschreitende Flucht und Vertreibung von Menschen zum Inhalt hat und von der VN-Generalversammlung am 17. Dezember 2018 mit überwältigender Mehrheit angenommen worden ist.

Welche Position hat Oxfam zum Migrationspakt?

Oxfam begrüßt die Annahme des UN-Migrationspakts als historischen Moment. Die große Mehrheit der internationalen Regierungen hat damit endlich formell erklärt, dass auch Migrant*innen grundlegende Menschenrechte haben und diese Rechte weltweit respektiert und geschützt werden müssen. Die Regierungen haben ferner zum ersten Mal gemeinsam anerkannt, dass Millionen von Menschen aufgrund von Klimawandel, Umweltzerstörung und Katastrophen ihre Heimat verlassen müssen und dass sie das Recht auf lebensrettende Hilfe und den Zugang zu sicheren Migrationswegen haben.

Obwohl der Migrationspakt nicht rechtlich verbindlich ist, stellt er eine wichtige Referenzbasis für die Behandlung von Migrant*innen dar. Oxfam fordert, dass alle Länder ihre Migrationspolitik mit dem neuen Dokument in Einklang bringen.

Der Migrationspakt enthält das Versprechen, „geschlechtergerecht“ und „ein Meilenstein in der Geschichte des globalen Dialogs und der internationalen Zusammenarbeit zur Migration“ zu sein. Dies wird jedoch nur möglich sein, wenn Frauenrechte, internationale Arbeitsnormen und weitere grundlegenden Menschenrechte in die nationale, regionale und internationale Migrationspolitik einbezogen werden. Oxfam hat gemeinsam mit dem internationalen „Women in Migration Network“ (WIMN, ein Netzwerk von 21 Frauen- und Migrant*innenrechtsorganisationen aus allen Teilen der Welt) und anderen Nichtregierungsorganisationen anlässlich des Regierungstreffens in Marrakesch ein Manifest veröffentlicht, das sieben zentrale Forderungen für die Verwirklichung zentraler Frauen- und anderer Menschenrechte in der internationalen Migrationspolitik erhebt.

Der wahre Wert des Migrationspakts wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen – ob Regierungen weltweit tatsächlich konstruktiv zusammenarbeiten und ob sie sie neue Strategien entwickeln werden, die auf ihren Verpflichtungen gegenüber Migranten in den Bereichen Arbeit, Bildung, öffentliche Dienstleistungen und humanitäre Hilfe basieren. Oder, ob sie stattdessen eine Politik verfolgen werden, die Migration unverhältnismäßig erschwert und Migrant*innen zu Sündenböcken für innenpolitische Probleme und eigene Versäumnisse macht.

Ist der UN-Migrationspakt in irgendeiner Weise rechtsverbindlich?

Nein. Der Migrationspakt ist weder dazu bestimmt noch leitet sich aus ihm die Notwendigkeit ab, die Autonomie und die Freiheit staatlicher Maßnahmen im Bereich der Einwanderung einzuschränken. In der Tat ist der Pakt für keinen Staat rechtlich bindend. Vielmehr ist er das Ergebnis der Bemühungen von über 150 Staaten, gemeinsam einen fairen und praktikablen Ansatz für die Regulierung der Mobilität von Menschen zu vereinbaren, der auf bereits bestehenden Grundsätzen und Standards basiert, die in den letzten 70 Jahren von Staaten festgelegt worden sind.

Stellt der Migrationspakt die Rechte von Migrant*innen über die Rechte und Interessen der Bürger*innen in den Zielländern?

Nein. Der Migrationspakt respektiert uneingeschränkt die Rechte der Bürger*innen auf dem Territorium eines Landes und bekräftigt die Pflicht von Staaten, alle Migrant*innen in einer Weise zu behandeln, die ihre Menschenrechte uneingeschränkt respektiert. Migrant*innen stehen nicht im Wettbewerb mit den Bürger*innen eines Ziellandes und sie haben keine „zusätzlichen“ Rechte, die den dortigen Bürger*innen nicht bereits gewährt wurden. Wie jene haben Migrant*innen das Recht, im Einklang mit ihren Menschenrechten mit Würde und Respekt behandelt zu werden.

Würde die Annahme des Migrationspakts zu einer Ausweitung des Familiennachzugs führen?

Nein. Das Recht auf Familienleben ist bereits international, in der EU und in den EU-Mitgliedsstaaten verankert. In Deutschland lebende Migrant*innen haben bereits jetzt, wenn auch nur unter sehr eng definierten Bedingungen, das Recht, Familienangehörige nachzuholen. Der Migrationspakt würde daran nichts ändern.

Forschungen legen nahe, dass der Schutz der Einheit der Familie mit entscheidend ist, um langfristig eine erfolgreiche Integration sicherzustellen und ihre sozialen Kosten zu senken. Wenn Familien erlaubt wird, in einem Land zusammenzukommen, reduziert dies die Notwendigkeit riskanter irregulärer Migration und reduziert Vorbehalte gegenüber Migrant*innen in den Aufnahmegemeinschaften.

Anspruch auf Familienzusammenführung sollten nach Oxfams Ansicht als Minimum junge Erwachsene, die vor der Abreise von der Familie abhängig waren, Eltern, Geschwister sowie angeheiratete und alle abhängigen Verwandten besitzen.

Welche Position hat Oxfam zu Migration?

Migration bezeichnet allgemein die grenzüberschreitende Wanderung von Menschen, unabhängig davon, ob sie ihre Heimat freiwillig oder aus Zwang verlassen, welchen rechtlichen Status sie besitzen und ob ihr Aufenthalt in einem Zielland vorübergehend oder dauerhaft ist. Mobilität ist seit jeher ein normaler Teil der menschlichen Geschichte. Dabei hat sich gezeigt, dass Migration sowohl für die Herkunfts- als auch für die Zielländer insgesamt erhebliche Vorteile bringt. Richtig ist aber auch, dass große Migrations- und Flüchtlingsbewegungen für angrenzende Länder oder Regionen eine bedeutende Herausforderung darstellen können. Dennoch müssen Regierungen stets das Wohl, die Rechte und die Würde der betroffenen Menschen im Blick haben – die der Migrant*innen ebenso wie die der Bürger*innen in den Aufnahmeländern. Ganz besonders ist dies der Fall, wenn Menschen akute Not leiden und vor Verfolgung und massiver Gewalt fliehen. Hier Schutz zu gewähren und Menschen nicht zurückzuweisen, gehört zum Kernbestand des Völkergewohnheitsrechts und ist auch explizit in vielen internationalen Verträgen und Vereinbarungen niedergelegt, wie vor allem in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK).

Das in der GFK niedergelegte Gebot der Nichtzurückweisung (d. h. keine Abschiebung von Schutzsuchenden in ein Land, in dem Verfolgung droht) gilt nur für Personen, die einen Schutzanspruch gemäß GFK nachweisen können. Andere Personen unterliegen primär den gesetzlichen Bestimmungen zu Immigration der jeweiligen Zielstaaten. Die Durchsetzung dieser nationalen Bestimmungen rechtfertigt jedoch auf keinen Fall Menschenrechtsverletzungen wie die Misshandlungen durch Grenzbeamte, unwürdige Unterbringung, unbegründete Inhaftierung sowie die Verweigerung anderer Grundrechte.

Die Vereinten Nationen haben in ihrer 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) ausdrücklich den positiven Beitrag von sicherer, geordneter und regulärer Migration für die Entwicklung anerkannt. Laut Untersuchungen der Weltbank kann Einwanderung grundsätzlich die Produktivität in den Zielländern durch Innovation und Spezialisierung steigern, während eine zu restriktive Regulierung von Arbeitsmigration und übermäßige Anforderungen an Arbeitsmigrant*innen zulasten nicht nur von ausländischen Facharbeitern, sondern letztlich auch der eigenen Wirtschaft gehen. Anderen Schätzungen zufolge könnte eine Ausweitung der Migration weltweit einen wirtschaftlichen Zuwachs in Höhe von 20 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung (gemessen am Bruttoinlandsprodukt) bewirken. Auch gering qualifizierte Zuwanderer können die Arbeitsproduktivität im Zielland steigern, indem sie dortige Arbeitskräfte ergänzen, statt sie zu verdrängen. Geeignete Schutzmaßnahmen gegen Ausbeutung vorausgesetzt, können auf diese Weise Einwander*innen und Angehörige der Aufnahmegesellschaften von Migration gleichermaßen profitieren.