Am 10. und 11. Dezember 2018 kommen in Marrakesch Vertreter*innen von Regierungen aus aller Welt zusammen, um den Globalen Pakt zur sicheren, geordneten und regulären Migration (UN-Migrationspakt) zu verabschieden, das erste internationale Abkommen über Regelungen zur Migration. Dort wird das Women in Migration Network (WIMN, ein Netzwerk von 21 Frauen- und Migrant*innenrechtsorganisationen aus allen Teilen der Welt) gemeinsam mit Oxfam und anderen Nichtregierungsorganisationen den Regierungsvertreter*innen aus aller Welt das folgende Manifest für die Verwirklichung der Menschenrechte in der internationalen Migrationspolitik präsentieren:

Der Migrationspakt enthält das Versprechen, „geschlechtergerecht“ und „ein Meilenstein in der Geschichte des globalen Dialogs und der internationalen Zusammenarbeit zur Migration“ zu sein. Dies wird nur möglich sein, wenn Frauenrechte, internationale Arbeitsnormen und die folgenden Grundsätze vollständig in jegliche Migrationspolitik auf nationaler, regionaler und globaler Ebene einbezogen werden.

  1. Partizipation: Die volle, gleichberechtigte und maßgebliche Mitsprache von Migrantinnen (Frauen und Mädchen) muss in allen Politikbereichen sichergestellt werden, die sich auf ihr Leben auswirken – auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene. Angemessene Möglichkeiten für Finanzierung und Führerschaft sollten gefördert und Pro-Forma-Maßnahmen dabei unbedingt vermieden werden.
  2. Nichtdiskriminierung: Die Beendigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen muss priorisiert werden, unabhängig von Migrationsstatus, Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, Kaste, Klasse, Alter, Religion, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Behinderung, Gesundheit und Schwangerschaftsstatus, Familienstand oder Beruf. Die Rechte von Migrantinnen und ihr Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen müssen unabhängig von ihrem Migrationsstatus gewährleistet werden, einschließlich zur sexuellen und reproduktiven Gesundheitsfürsorge, zu Arbeitnehmerrechten und zur Rechtsprechung. Phänomene wie sich überschneidende Identitäten und mehrfache Diskriminierung müssen mittels integrierter Lösungsansätze bearbeitet werden.
  3. Gewalt beenden: Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt, Ausbeutung und andere Formen von Gewalt, von denen Frauen in Herkunfts-, Transit- und Zielländern betroffen sind, müssen beendet werden. Juristische Verfolgung und Rechenschaftspflicht bei solchen Straftaten müssen gefördert werden, indem Migrantinnen die Möglichkeit haben, erlittene Gewalt ohne die Gefahr von Inhaftierung oder Abschiebung zu melden. Nötig ist ferner der Wille zu konkreten Maßnahmen zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen – einschließlich Migrantinnen –, in der Arbeitswelt.
  4. Sichere Zugangswege: Zugang zu Regularisierung, dauerhaftem Aufenthalt und Staatsbürgerschaft, einschließlich Maßnahmen zur Familienzusammenführung, muss gewährt werden. Die Kriminalisierung von Migrant*innen und deren Unterstützer*innen muss beendet und ihre Rechte müssen verteidigt werden. Willkürliche Inhaftierungen müssen unabhängig vom Migrationsstatus beendet werden. Migrantinnen und -familien dürfen niemals in Länder zurückgebracht werden, in denen ihnen Folter oder andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Die ausnahmslose Anwendung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung muss sichergestellt sein. Entwicklungshilfe darf nicht davon abhängig gemacht werden, ob ein Land bei der Rückkehr oder zwangsweisen Rückführung von Migrant*innen kooperiert.
  5. Arbeitsrechte: Die Vereinigungsfreiheit und uneingeschränkte Arbeitsrechte für Migrant*innen und für alle Wanderarbeiter*innen, einschließlich Arbeiter*innen im privaten und informellen Sektor, müssen im Einklang mit den Menschenrechtsnormen und den Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) bekräftigt werden. Die unbezahlte Pflegetätigkeit von Frauen muss als Problem erkannt und reduziert bzw. durch bezahlte Arbeit ersetzt werden. Gefördert werden sollte eine Politik zur Ausweitung der Rechte der Frauen statt einer Politik zum „Schutz von Frauen“, die unter Umständen im Gegenteil ihre Autonomie untergraben und einschränken kann.
  6. Rechte an internationalen Grenzen: Es muss sichergestellt werden, dass bei allen Maßnahmen zur Grenzsicherung und -kontrolle die Menschenrechte in den Mittelpunkt gestellt und ausnahmslos auf alle Personen angewendet werden, die sich an internationalen Grenzen aufhalten oder diese überschreiten wollen – ungeachtet, ob sie als Migrant*innen, Flüchtlinge, Asylbewerber*innen oder Personen mit irregulärem Status gelten oder in anderer Hinsicht verletzlich sind. Jeder einzelne Fall muss individuell betrachtet werden, so dass ein wirksamer Schutz und der Zugang zur Rechtsprechung möglich sind. Es muss sichergestellt werden, dass jegliche Grenzsicherungs- und Kontrollmaßnahmen den besonderen physischen, psychosozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bedürfnisse von Frauen gerecht werden, einschließlich des erhöhten Risikos von Gewalt und Ausbeutung.
  7. Gerechte Entwicklung: Notwendig ist die verstärkte Investition in eine gerechte und menschenrechtsorientierte Entwicklung, die den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten von Frauen und ihren Familien entspricht und dazu beiträgt, dass sich Menschen aus freien Stücken und nicht aus Not für Migration entscheiden können.