2024 war ein Rekordjahr auf den Bauernhöfen: Nie wurde mehr Getreide produziert als im vergangenen Jahr. Die Ernten reichen für alle aus. Und trotzdem leiden seit 2017 immer mehr Menschen an Hunger. Die Gründe dafür sind vielfältig und haben oft im globalen Wettbewerb von großen Lebensmittelkonzernen ihre Ursache.

Preisdruck, industrielle Monokulturen und die daraus resultierenden Folgen der Klimakrise erschweren es vor allem Haushalten und Kleinbäuer*innen in wirtschaftlich benachteiligten Ländern, einen sicheren und stabilen Markt für Lebensmittel zu finden ohne Schulden aufnehmen zu müssen. Kleineren landwirtschaften Betrieben droht zudem durch Landgrabbing der Verlust der eigenen wirtschaftlichen Lebensgrundlagen. Die Probleme im Lebensmittelsystem sind hausgemacht. Das bedeutet, dass wir sie gemeinsam verändern können!

Was wir gegen Hunger tun können

Unser neues Positionspapier „Welthunger beenden – Die Rolle der EU für eine nachhaltige Transformation des Ernährungssystems“ (im Original auf Englisch: “Putting an end to world hunger – The European Union’s role in transforming the global food system”) nimmt dabei die politischen Möglichkeiten und die Verantwortung der Europäischen Union unter die Lupe. Um Hunger und Ungleichheit auf der Welt zu beenden, fordern wir vier grundlegende Veränderungen in der Agrarpolitik der EU:

1. Effektive Förderung kleinbäuerlicher Landwirtschaft

Das Paradoxon von Lebensmittelknappheit und Armut liegt darin, dass es vor allem die Menschen betrifft, die einen großen Teil der global konsumierten Lebensmittel produzieren: Kleinbäuer*innen in ländlichen Gebieten von wirtschaftlich benachteiligten Ländern.

Hier liegt aber auch der größte Hebel, um Ungleichheit sowie Hunger gleichermaßen zu beenden. Eine bessere Förderung kleinbäuerlicher Landwirtschaft würde die lokalen Lebensmittelmärkte stärken und die Bäuer*innen weniger abhängig von globalem Handel machen. Insbesondere die Ausbildung von Frauen im landwirtschaftlichen Betrieb bietet die Chance, betroffene Frauen in ihrer wirtschaftlichen Selbstbestimmung zu stärken und damit auch die Lebensbedingungen der kleinbäuerlichen Haushalte zu verbessern.

2. Verantwortung für die Folgen der Klimakrise übernehmen

Eine weitere Ungerechtigkeit des globalen Wirtschaftssystems liegt darin, dass es nicht nur mitursächlich für die menschengemachte Klimakrise ist, sondern vor allem diejenigen Menschen darunter leiden, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Obwohl der afrikanische Kontinent nur 4 % der globalen Treibhausgase ausstößt, erleben große Teile des Kontinents Wetterextreme und Ernteausfälle, die die Lebensgrundlagen der Menschen vor Ort zerstören.

Zwar hat die EU im Zuge des 2019 verabschiedeten European Green Deal zugesichert, die biologische Landwirtschaft zu fördern, Menschenrechte innerhalb der globalen Lieferketten zu achten und Vorsorge gegen Hungerkrisen zu leisten. Doch die Bemühungen reichten nie an die Versprechen heran und sind seit 2023 sogar rückläufig. Wir fordern deswegen von der EU einen ganzheitlichen Ansatz in der Bewältigung der Klimakrise, indem die agrarökologische Wende zur höchsten Priorität erklärt und nicht nur für eigene geopolitische Ziele genutzt wird.

3. Begrenzung der global genutzten Landmassen

Für die Produktion von Agrokraftstoffen und Lebensmitteln nutzt die EU viel Landmasse, die nicht auf der eigenen Landfläche liegt. In 2021 wurden 17,2 Millionen Hektar auf Nicht-EU-Boden für den Anbau von in der EU konsumierten Produkten genutzt. Alleine 5,3 Millionen Hektar wären notwendig, um den Bedarf an Agrosprit zu decken – eine Fläche, die größer als Dänemark ist.

Durch die Nutzung externer Landmassen konzentrieren sich die großen, landwirtschaftlichen Felder auf wenige Großkonzerne. 1 % der größten landwirtschaftlichen Betriebe besitzen mehr als 70 % der global verfügbaren Landmassen, versorgen aber in der Summe immer noch weniger Menschen als klein angelegte Landwirtschaft, die mit rund 25% der verfügbaren Fläche immer noch mehr als zwei Drittel aller Menschen ernährt.

Wie kommt es, dass große, industrielle Betriebe zwar riesige Landflächen einnehmen, gleichzeitig aber viel ineffizienter als Kleinbäuer*innen sind? Der entscheidende Punkt liegt in der ökologischen Resilienz kleinerer Betriebe: Sie sind umweltfreundlicher (geringerer Einsatz gesundheitsschädlicher Pestizide) und erhalten die biologische Vielfalt und das Ökosystem eines Ortes deutlich besser als Agrarkonzerne, die für ihre Anbauflächen auch Hügel, Bächer und andere Landschaftsmerkmale zerstören. Das hat einen erheblichen Einfluss auf die Stabilität der Ernten und die Anpassungsfähigkeit der Böden an ökologische Veränderungen.

Zudem nimmt die Haltung von Tieren sowie die Produktion von Tierfutter viel Fläche für den Anbau von Lebensmitteln weg. Ein Drittel der globalen Getreideproduktion wird für Nutztiernahrung verwendet und ist gleichzeitig für etwa ein Sechstel der menschengemachten Treibhausgase verantwortlich.

4. Machtausgleich zwischen Großkonzernen und kleinbäuerlichen Betrieben

Unternehmen wie Bayer, BASF und Corteva profitieren vom aktuellen System. Sie halten den Löwenanteil des globalen Agrochemie- und Samenmarktes, auf den viele landwirtschaftliche Betriebe angewiesen sind. 2022 hat sich der gemeinschaftliche Gewinn der Großunternehmen von 28 auf 49 Milliarden US-Dollar beinahe verdoppelt. Auch andere Lebensmittelkonzerne wie Lindt, Mondelez, und Nestlé tragen eine Verantwortung für die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter*innen in den Nahrungslieferketten, werden dieser aber oft nicht gerecht.

Das größte Problem in der Ungleichheit zwischen großen Unternehmen und Kleinbäuer*innen liegt darin, dass sich durch Handelsabkommen die Produktion der lokalen Betriebe oft an die Bedürfnisse und Nachfrage der wirtschaftlich privilegierten Länder anpasst – das verspricht Kleinbäuer*innen zwar kurzfristig höhere und profitablere Exporte, geht aber zulasten des lokalen Lebensmittelmarktes, für den das Angebot sinkt.

Gleichzeitig ermöglichen es Handelsabkommen zwischen wirtschaftlich ungleichen Ländern, dass subventionierte Importe des wirtschaftlich privilegierten Landes die lokalen Produkte des benachteiligten Landes verdrängen. Kleinbäuer*innen können durch den Preisdruck ihre Produkte nicht mehr zu angemessenen Preisen verkaufen, sondern nur noch deutlich unter den Produktionskosten. Das wiederum verschärft die ökonomische Abhängigkeit der kleinbäuerlichen Betriebe von ihren Exporten ins Ausland.

Unser Appell an die EU

Diese Ungerechtigkeit können wir so nicht hinnehmen! Wir treten für ein globales Ernährungs- und Wirtschaftssystem ein, das nicht den Profiten der Großkonzerne dient, sondern die Bedürfnisse der Menschen berücksichtigt und Machtungleichheiten abbaut. Deswegen fordern wir von der EU eine möglichst schnelle Wende in der aktuellen Agrar- und Handelspolitik.

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