Monatelang sind Jama und seine Familie mit ihrer Herde im Osten Äthiopiens umherzogen – auf der vergeblichen Suche nach Wasser und Weideland. Die Herde zählte einst stolze 300 Ziegen und Schafe. Neun sind ihm geblieben. „Eine Dürre wie diese haben wir noch nie erlebt. Dieses Land ist wüst und leer, kein Weideland, kein Wasser, egal in welche Richtung man sich wendet. Dass wir noch am Leben sind, verdanken wir dem Vieh. Aber jetzt ist das meiste davon umgekommen.“

Verlust von Vieh bedroht Menschen

Viele Menschen in der Region teilen Jamas Schicksal. Einer Frau sind von ihren 700 Tieren nur sieben geblieben. Die Herde einer anderen Frau schrumpfte von 300 Tieren auf 30 zusammen. Ein Mann berichtet von ehemals 150 Tieren; heute besitzt er noch 25. In der schweren Dürre, die nun ins dritte Jahr geht, haben unzählige Menschen den Großteil ihres Viehbestands, wenn nicht gleich die komplette Herde verloren. In Somalia sind zehn Millionen von ehemals 18 Millionen Stück Vieh verendet. Jedes verlorene Tier bedeutet den Verlust von Einkommen, Milch und Fleisch.

Die Erfahrung zeigt, dass der Verlust von Vieh die Menschen direkt bedroht. Viele sind in der Hungerkrise bereits umgekommen, und das Schlimmste steht vermutlich noch bevor. Die aktuelle Regenzeit hat schwach begonnen, die Vorhersagen verheißen nichts Gutes. Aber selbst wenn der Regen endlich einsetzt, wird es Monate dauern bis die Menschen wieder Früchte auf den Feldern ernten und die Weideflächen das Vieh versorgen können. Mit dem Regen kommt das Risiko der Ausbreitung von Cholera und anderen Krankheiten, nicht zuletzt, weil die Menschen von den Entbehrungen so geschwächt sind.

Zusammenhang zwischen Hungerkrise und Klimawandel

Der Klimawandel verschärft die Krise. Zwar ist umstritten, welchen Einfluss der Klimawandel auf die aktuelle Dürre hat, es besteht unter den Wissenschaftlern aber Einigkeit, dass die ungewöhnlich hohen Temperaturen in einigen der am schwersten betroffenen Regionen durchaus mit dem Klimawandel zusammenhängen. Im globalen Durchschnitt hat jedes der drei letzten Jahre den Hitzerekord des jeweiligen Vorjahres als heißestes Jahr gebrochen. Auch in Ostafrika waren die Temperaturen extrem, was die Folgen ausbleibenden Regens noch verschlimmert hat. Denn: Extreme Temperaturen beeinträchtigen das Pflanzenwachstum in der ausgedörrten Erde zusätzlich. Im nördlichen Somalia führten die geringen Niederschläge im letzten Jahr, kombiniert mit den hohen Temperaturen der letzten sechs Monate, zu einer deutlich geringeren Bodenfeuchtigkeit der Weideflächen.

Die Krise wird zu recht immer wieder auch als menschengemachte Tragödie bezeichnet, nicht nur, weil sie lange vorher absehbar war. Die chronische Armut in der Region, zäh anlaufende internationale Hilfen und schwache Regierungen in der Region haben die Möglichkeiten der Menschen vor Ort erheblich verringert, die Felder zu bestellen, das Vieh zu versorgen oder auf den Märkten bezahlbare Lebensmittel zu finden. Aber auch der Klimawandel hinterlässt in der Katastrophe deutliche Spuren.

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Die globale Durchschnittstemperatur ist heute um knapp 1 °C höher als zu Beginn der Industrialisierung – und schon heute sind die negativen Folgen in Ostafrika und überall auf der Welt beträchtlich. Die weltweiten Klimaschutzbemühungen weisen derzeit auf eine Erwärmung um rund 3 °C hin, eventuell auch mehr. Und selbst wenn die internationale Staatengemeinschaft den politischen Willen aufbringt, die Erwärmung wie im Pariser Klimaschutzabkommen auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen, bedeutet die Trägheit im Klimasystem der Erde, dass etwa das östliche Afrika noch Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte mit steigenden Temperaturen zu kämpfen haben wird. Allein das wird die Landwirtschaft und die Viehhaltung in der Region erheblich beeinträchtigen – unabhängig davon, wie sich die Niederschlagsmuster entwickeln werden (worüber derzeit noch Uneinigkeit unter den Wissenschaftlern besteht).

Das bedeutet, dass das östliche Afrika sich derzeit in einem Wettlauf gegen die Zeit befindet – um sich an die klimatischen Veränderungen anzupassen und es den Menschen zu ermöglichen, ein Auskommen zu finden – trotz des Klimawandels, trotz der zunehmend extremen Bedingungen, in denen womöglich schwere Dürren und hohe Temperaturen bald die neue Normalität darstellen. Diese Anpassung an den Klimawandel erfordert erhebliche Anstrengungen für die Region – und erhebliche Unterstützung insbesondere durch die reichen Länder, die wegen ihres Reichtums, aber auch wegen ihrer Rolle bei der Verursachung des Klimawandels eine besondere Verantwortung tragen.

Vergessen wir aber nicht: In Ostafrika hungern derzeit fast elf Millionen Menschen. Hinter solchen Zahlen stecken Millionen von Schicksalen und Geschichten von Kampf und Verlust. Der Klimawandel ist keine ferne Bedrohung, sondern real, im Hier und Jetzt, und er heizt die humanitäre Katastrophe weiter an. Ein lauterer Weckruf als der dieser elf Millionen und der Katastrophe in Ostafrika ist kaum möglich, und doch fehlt den meisten Regierungen dieser Welt der Mut zu wirklich ehrgeizigem Klimaschutz, der oft im Klein-Klein der Tagespolitik, vor dem Hintergrund kommender Wahlen oder einfach als Folge unentschuldbarer Feigheit in den Hintergrund gerückt wird. Wer die Realität des Klimawandels ignoriert und den Klimaschutz kurzsichtigen Interessen opfert, verweigert Millionen Menschen das Recht auf ein Leben in Würde und frei von Armut, auf ein Überleben im Klimawandel.

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