Schon seit 2015 berichtet Oxfam jedes Jahr im Januar anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos über den Stand der globalen Ungleichheit. In diesem Jahr stand im Fokus unseres Berichts,  wie unbezahlte Haus-, Pflege- und Fürsorgearbeit die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verschärft.

Frauen leisten weltweit deutlich mehr unbezahlte Arbeit als Männer: Jeden Tag verbringen Frauen und Mädchen rund 12 Milliarden Stunden mit Tätigkeiten wie Waschen, Kochen, Putzen, Kindererziehung und der Versorgung von Kranken, ohne dass diese Arbeit gesellschaftlich oder ökonomisch anerkannt wird. Dies hat gravierende Folgen:  Frauen verdienen im Schnitt 23 Prozent weniger als Männer und sind eher von Altersarmut betroffen.

Diese Ungerechtigkeit zu ändern hat sich Oxfam zum Ziel gesetzt. Daher spielt Geschlechtergerechtigkeit in unserer politischen und der Projektarbeit eine zentrale Rolle. Einige Beispiele:

Teepflückerinnen in Indien

13 Stunden – so viel körperliche Arbeit haben die meisten Teepflückerinnen am Ende eines langen Tages hinter sich. Neben den mindestens acht Stunden in der besonders schlecht bezahlten und anstrengenden Teeernte – bei Temperaturen von bis zu 38 Grad Celsius oder auch starkem Regen – übernehmen Frauen in der Regel zusätzlich die unbezahlte Pflege- und Fürsorgearbeit. Wenn sie am Morgen auf den Feldern ankommen, haben sie bereits die Hausarbeit erledigt und einen Fußweg von bis zu neun Kilometern hinter sich. Zeit, sich zu erholen, sich auszuruhen und um sich selbst zu sorgen, bleibt den Frauen also kaum.

Häufig nehmen Mütter ihre kleinen Kinder mit zur Arbeit, da die Mehrheit der Plantagen keine Kinderbetreuung anbietet. Selbst wenn Betreuung vorhanden ist, verzichtet ein Großteil der Frauen darauf – entweder, weil der Weg dorthin zu weit ist oder die Einrichtungen kein Mittagessen für die Kinder anbieten.

All das zeigt Oxfams im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie „Schwarzer Tee, weiße Weste“, die unter anderem die Arbeitsbedingungen von Fabrikarbeiter*innen und Pflücker*innen auf Teeplantagen im indischen Bundesstaat Assam, der größten Tee produzierenden Region Indiens, untersucht.

Geld für öffentliche Kinderbetreuung

Die Situation der Teepflückerinnen unterstreicht, wie wichtig es ist, in öffentliche Kinderbetreuung zu investieren. Allerdings werden gerade einmal zwei Prozent der Gelder der deutschen Entwicklungszusammenarbeit für Kitas und Grundschulen eingesetzt. Um Frauen zumindest einen Teil der Last von den Schultern zu nehmen, muss diese Quote deutlich erhöht werden. Dafür setzt sich Oxfam in seiner politischen Arbeit ein.

Doch genauso wichtig wie die Reduzierung von Pflege- und Fürsorgearbeit durch bessere Betreuungsmöglichkeiten ist ein generelles Umdenken bei der Verteilung dieser Arbeit zwischen Geschlechtern.

Schulungen für Männer

Oxfam fördert mit dem WE-Care-Programm (Women’s Economic Empowerment and Care) die Anerkennung, Reduzierung und Umverteilung von unbezahlter Pflege- und Fürsorgearbeit in sechs Ländern in Südostasien und Afrika.

Mit Erfolg, wie das Beispiel der Philippinen zeigt, wo erste Ergebnisse auf eine Reduzierung und Umverteilung der unbezahlten Pflege- und Fürsorgearbeit hinweisen: Im Rahmen des WE-Care Programms finden hier beispielsweise Schulungen statt, um Männer und Jungen für die Bedeutung unbezahlter Pflege- und Fürsorgearbeit und deren gleichberechtigte Aufteilung zu sensibilisieren. Obwohl es noch ein weiter Weg bis zur geschlechtergerechten Verteilung unbezahlter Pflege- und Fürsorgearbeit ist, leisten die Schulungen einen wichtigen Beitrag, um Männern ein besseres Verständnis für die Belastung von Frauen durch Pflege- und Fürsorgetätigkeiten zu geben und diese Arbeit innerhalb der Familie sichtbarer zu machen.

Mehr tunesische Politikerinnen

Waschen, kochen, putzen, Kinder erziehen oder Angehörige pflegen – das alles braucht Zeit. Diese Zeit fehlt Frauen nicht nur für sich selbst, sondern auch dafür, sich politisch einzubringen. Frauen sind deutlich seltener in politischen Führungspositionen vertreten und stellen weltweit nur etwa 25 Prozent aller Parlamentarier*innen. Dies wiederum ist einer der Gründe dafür, dass Fragen der Gleichberechtigung, wie zum Beispiel eine faire Verteilung unbezahlter Pflege- und Fürsorgearbeit, in der Politik kaum angegangen werden.

Damit Frauen mehr an politischen Entscheidungen teilhaben können, setzt sich Oxfams Partnerorganisation LET (Ligue des Electrices Tunisiennes) für die Teilhabe und Mitbestimmung von Frauen in der tunesischen Region Médenine ein. LET hat gemeinsam mit Oxfam Frauen gezielt für politische Entscheidungspositionen qualifiziert und zu den Themen Wahlen und Wahlkampagnen, öffentliche und politische Kommunikation sowie Menschen- und Frauenrechte geschult, denn die Stimmen von Frauen, so verschieden sie auch sein mögen, sollten Teil aller politischen Entscheidungen sein.

Wenn die Gleichstellung der Geschlechter in der jetzigen Geschwindigkeit voranschreitet, wird es noch 99 Jahre bis zum Erreichen von Geschlechtergerechtigkeit dauern, wie der letzte „Global Gender Gap Report“ des World Economic Forum zeigt. So lange können wir nicht warten. Deshalb stellt Oxfam Geschlechtergerechtigkeit ins Zentrum seiner Arbeit.

1 Kommentar

Hallo, ich finde es gut, wenn Frauen den Haushalt und die Erziehung ihrer eigenen Kinder übernehmen. Deshalb fände ich es schade, wenn Betreuer die Kindererziehung übernehmen würden. Es sollte jede Frau die Möglichkeit haben, diese wertvolle Arbeit zu Hause selbst zu tun. Deshalb fände ich den bessere Ansatz, dass die Männer so viel verdienen, dass sie ihre Familien ernähren können und die Anerkennung der "Hausfrau" und Mutter gestärkt und auch sozial abgesichert wird. Dafür müssten Frauen und Männer nicht die gleichen Arbeiten tun (siehe Bild "Wäsche waschen").

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