Im Mai 2016 deckte die Oxfam-Studie „Süße Früchte, bittere Wahrheit“ gravierende Verstöße gegen Menschen- und Arbeitsrechte entlang der Lieferkette deutscher Supermärkte auf: Giftige Pestizide, Hungerlöhne und Bedrohung von Arbeiter/innen, die sich organisieren wollten, auf Ananas- und Bananen-Plantagen in Costa Rica und Ecuador sowie auf Weinfarmen in Südafrika. Und das, obwohl die meisten untersuchten Plantagen das Nachhaltigkeitssiegel der Organisation Rainforest Alliance tragen.
Seit Bekanntwerden dieser Missstände haben wir uns mit der Kampagne „Make Fruit Fair!“ für die Rechte der Arbeiter/innen eingesetzt. Oxfam, 27 Partner in Europa und vor Ort sowie Tausende Unterstützer/innen haben Politik und Supermärkte aufgefordert: Sorgt dafür, dass die Lieferanten Arbeits- und Menschenrechte achten und dass die Lieferanten faire Einkaufspreise bekommen!
Lidl in der Pflicht
Wir haben uns vor allem auf den Supermarktgiganten Lidl konzentriert. Als Nummer eins in Europa ist er ein großer Abnehmer von Bananen und Ananas – und hat damit die Macht und die Verantwortung, für Veränderungen bei den Zulieferern zu sorgen. Lidl wirbt zudem offensiv mit der Nachhaltigkeit seiner Produkte, mit der Verantwortung für Mensch und Umwelt. Das grenzt angesichts der Zustände auf den Plantagen an Hohn gegenüber den Arbeiter/innen.
In den Supermarktregalen müssen tatsächlich nachhaltig und fair produzierte Waren liegen – nicht nur leere Versprechen mit einem schicken Siegel. Das haben wir mit unserer Kampagne „Make Fruit Fair!“ gefordert.
Doch nicht nur Lidl, auch die Siegelorganisation Rainforest Alliance und weitere Supermarktketten haben wir mit unseren Recherche-Ergebnissen konfrontiert. Die gemeinsamen Anstrengungen haben sich gelohnt: Wir haben einige Verbesserungen auf den Plantagen erreicht!
Verbesserungen in Südafrika (Wein)
- Stärkung unserer Partner-Organisation Women on Farms Project durch gemeinsame Recherchen vor Ort und daraus resultierende Belege für Menschenrechtsverletzungen auf Weinfarmen.
- Dadurch unter anderem bessere Position von Women on Farms Project bei Treffen mit politischen Entscheidungsträger/innen, die zu Inspektionen auf den Farmen führten.
- Verbesserungen für Farmarbeiterinnen auf einzelnen Plantagen, zum Beispiel durch Zugang zu sicheren sanitären Einrichtungen mit Türen vor den Toiletten.
Verbesserungen in Costa Rica (Ananas)
- Direkte Anstellung, Mindestlohn, Sozialversicherung: Bei Lidls Ananas-Lieferanten Finca Once in Costa Rica sind die meisten Arbeiter/innen jetzt direkt angestellt, verdienen den Mindestlohn und sind sozialversichert. Im Dezember 2017 waren laut Angaben von Finca Once nur noch 76 von insgesamt 581 Arbeiter/innen bei einem Subunternehmen beschäftigt. Außerdem haben nun alle Migrant/innen aus Nicaragua reguläre feste Arbeitsverträge. Vor Erscheinen der Studie wurde die große Mehrheit der Arbeiter/innen aus Nicaragua über Subunternehmen mit Drei-Monats-Verträgen angestellt.
- Weniger hochgiftige Agro-Chemikalien: Beim Lidl-Lieferanten Finca Once werden nur noch selten in Anwesenheit der Arbeiter/innen gesundheitsschädliche Pestizide gesprüht. Der Einsatz des in der EU nicht zugelassenen hochgiftigen und lebensgefährlichen Bromacil wurde im Juni 2017 von der Regierung in Costa Rica verboten.
- Betriebsprüfungen von Ananas- und Bananen-Plantagen durch das Arbeitsministerium: Das Arbeitsministerium hat seit 2016 bei 103 Produzenten Betriebsprüfungen durchgeführt; die Ergebnisse ähnelten denen der Oxfam-Studie: keine Zahlung von Überstunden, mangelnder Gesundheits- und Arbeitsschutz sowie regelmäßige Entlassungen. Im Anschluss haben 51 der untersuchten Produzenten die vom Ministerium angeordneten Maßnahmen erfüllt, sodass bis jetzt 10.197 Arbeiter/innen von besseren Arbeitsbedingungen profitieren. Gegen 12 Betriebe wurde Klage eingereicht.
- Teilweise Schließung von Ananas-Plantagen: Das Umweltgericht und die Umweltbehörde SETENA haben aufgrund der katastrophalen Auswirkungen auf Umwelt und Trinkwasserversorgung die teilweise Schließung mehrerer Ananasplantagen angeordnet.
Verbesserungen in Ecuador (Bananen)
- Betriebsprüfungen von Bananen-Plantagen durch die lokale Aufsichtsbehörde: Auf Initiative unserer Partnerorganisation ASTAC führt die nationale Ombudsbehörde (Defensoría del Pueblo) seit 2016 Betriebsprüfungen durch. Dabei wurden dieselben Missstände wie in der Oxfam-Studie aufgedeckt: systematische Unterdrückung der Gewerkschaftsrechte und Pestizideinsatz unter Missachtung staatlich vorgesehener Wiederbetretungsfristen der Felder. Dass die Ombudsbehörde dies an die zuständigen Ministerien weitergegeben hat, ist ein erster Schritt, auf den hoffentlich bald Taten folgen.
- Stärkung von Oxfams Partnerorganisation ASTAC durch unsere Kampagnenarbeit: Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat empfohlen, Branchengewerkschaften wie ASTAC zuzulassen und Gewerkschaftsrechte gemäß internationaler Normen zu stärken.
- Verbesserungen beim Gesundheitsschutz auf der ehemaligen Lidl-Zulieferplantage Matías: Im Anschluss an die Veröffentlichung der Oxfam-Studie wurden die Fristen verlängert, nach denen Arbeiter/innen die Felder wieder betreten dürfen, wenn Pestizide versprüht wurden. Die Arbeiter/innen bekamen zudem kostenlos Schutzkleidung.
- Zahlung legal vorgeschriebener Entschädigungen nach Entlassungen.
Korrekturen beim Nachhaltigkeitssiegel der Organisation Rainforest Alliance – in Costa Rica (Ananas) und Ecuador (Bananen)
- Siegel-Entzug: Rainforest Alliance hat nach Veröffentlichung der Oxfam-Studie vielen zertifizierten Plantagen in Ecuador und Costa Rica das Siegel entzogen. Der Grund: fortwährende gezielte Menschenrechtsverletzungen wie die systematische Unterdrückung von Gewerkschaftsrechten. Unter den betroffenen Plantagen befanden sich zum Beispiel der ehemalige Lidl-Lieferant Matías und der Großlieferant Grupo Acon in Costa Rica, der unter anderem an Aldi liefert.
- Verbesserung der Betriebsprüfungen: Die Richtlinien der Rainforest-Alliance-Organisation sehen nun vor, dass vor den Überprüfungen der Plantagen durch Auditoren auch die Gewerkschaften zur Situation auf der Plantage befragt werden müssen. Das ist ein zentraler Schritt, um weiteres Greenwashing zu verhindern – wie das Zertifizieren von Plantagen, auf denen Gewerkschaftsrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Für eine angemessene Berücksichtigung der Sicht der Gewerkschaften müssen die Auditoren die Aussagen der Gewerkschaften jedoch auch in ihre Bewertung miteinbeziehen. Ein jüngster Streitfall lässt daran Zweifel aufkommen.
Weitere Verbesserungen:
- Ein Gesetzgebungsvorschlag der EU zur Regulierung von unfairen Handelspraktiken in Lebensmittellieferketten wurde erarbeitet. Danach soll es Supermarktketten künftig verboten sein, Kosten auf Lieferanten abzuwälzen und kurzfristig Liefervereinbarungen zu kündigen – sodass zum Beispiel im Fall von Fehlplanungen Lieferanten auf ihren verderblichen Früchten sitzen bleiben.
- Lidl und Aldi sind nun Mitglied im Welt-Bananenforum bei der Welternährungsorganisation. In diesem Forum tauschen sich Supermärkte, Fruchtmultis wie Dole und Chiquita, Produzenten, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen zu Arbeitsbedingen und Umweltschutz im Bananensektor aus und rufen dazu Projekte ins Leben.
Viel erreicht – und viel zu tun
Wir freuen uns, dass wir so viel für Arbeiter/innen erreichen konnten. Allerdings herrschen auf vielen Plantagen nach wie vor unhaltbare Zustände. Damit tatsächlich langfristige und grundsätzliche Veränderungen erreicht werden können, müssen Supermärkte – allen voran die vier großen Konzerne Aldi, Edeka, Lidl und Rewe – selbst Verantwortung übernehmen und den Schutz der Menschenrechte in ihre Geschäftspolitik integrieren. Deshalb machen wir weiter – mit unserer Kampagne „Fairness eintüten!“.
Unterstützen auch Sie die Menschen auf den Plantagen: Gemeinsam können wir die vier großen deutschen Supermärkte Aldi, Edeka, Lidl und Rewe dazu bewegen, Menschenrechte in ihren Lieferketten besser zu schützen. Unterzeichnen Sie unsere Petition!
Der Erfolg der Kampagne wurde auch im Rahmen einer externen Evaluation bestätigt: „Make Fruit Fair“-Evaluation (englisch)