Nach langem Ringen hat sich die Bundesregierung nun doch noch auf einen Kompromiss für ein Lieferkettengesetz geeinigt. Der Gesetzesentwurf sieht handfeste Sanktionen bei Menschenrechtsverstößen vor und ist – wie von Arbeitsminister Heil im Vorfeld versprochen - kein reines Placebo. Das ist ein echter Erfolg und ein wichtiger Schritt hin zu einem Wirtschaftssystem, das nicht auf Ausbeutung von Mensch und Natur beruht. Trotzdem weist der Entwurf an entscheidenden Stellen Lücken auf.

Ein gesetzlicher Rahmen für Menschenrechte

Mit dem Gesetz werden Unternehmen endlich verpflichtet, Menschenrechte entlang ihrer gesamten Lieferkette zu achten. Das war schon lange überfällig: Bereits 2011 wurden die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedet. 2018 wurde Deutschland vom UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte angemahnt, einen rechtlichen Rahmen für „menschenrechtliche Sorgfaltspflicht“ zu schaffen.

Derzeit verletzen deutsche Unternehmen in ihren globalen Lieferketten immer wieder grundlegende Menschenrechte und schädigen die Umwelt. Dies hat Oxfam in zahlreichen Studien zum Bananenanbau in Ecuador, Ananasanbau in Costa Rica, zu Wein aus Südafrika und Tee aus Indien immer wieder aufgezeigt.

Angetrieben durch Oxfams Supermarktcheck haben Aldi und Lidl zuletzt allerdings erhebliche Fortschritte bei ihrer Menschenrechtspolitik gemacht und Risikoanalysen gemäß der UN-Leitprinzipien durchgeführt. Mit dem Gesetz müssen bald auch die Nachzügler ihren Umwelt- und Menschenrechtsschutz verbessern. So muss beispielsweise auch Edeka – absolutes Schlusslicht unseres Supermarktchecks – zukünftig mehr auf menschenrechtliche Standards bei seinen Zulieferern achten. Das ist ein echter Fortschritt.

Der Haken bei der Sorgfaltspflicht

Eine wesentliche Lücke weist der Gesetzesentwurf bei den vorgesehenen Sorgfaltspflichten auf, die nur abgestuft gelten. Das heißt, dass wichtige Bestandteile wie die Risikoanalyse nur für die Unternehmen selbst und ihre direkten Zulieferer gelten. Aldi, Lidl, Rewe und Co müssen also nur prüfen, ob sie selbst oder ihre direkten Zulieferer Menschenrechte verletzen. Beispielsweise bei Lebensmitteln sind die Zulieferer zumeist in Deutschland ansässig, wo ohnehin strenge Arbeitsschutzregeln gelten. Daher droht das Gesetz in diesem Punkt seinen Zweck zu verfehlen.

Durch die Begrenzung auf die erste Lieferstufe entspricht das Lieferkettengesetz nicht den UN-Leitprinzipien. Zudem fällt es auch hinter die bereits bestehenden Bemühungen vieler Unternehmen zurück. Im Rahmen unserer Arbeit zu Supermärkten begrüßt Oxfam es als wichtigen Schritt, dass beispielsweise Aldi und Lidl inzwischen ihre Risikoanalysen zu sämtlichen Lebensmitteln veröffentlichen. In den Berichten zeigen sie für ihre Risikoprodukte wie Kaffee, Bananen oder Kakao auf, welche Menschenrechtsrisiken weltweit bestehen. Lidl veröffentlicht mittlerweile auch sämtliche Hauptlieferanten von Lebensmitteln weltweit. Dass das Gesetz solche Risikoanalysen nur für direkte Zulieferer einfordert, wird es deutlicher schwerer machen, auch Unternehmen wie Edeka endlich zu überzeugen, Risikoanalysen entlang ihrer gesamten Lieferketten durchzuführen und zu veröffentlichen. Daher besteht hier großer Nachbesserungsbedarf, wenn das Gesetz in den Bundestag kommt.

Immerhin müssen Unternehmen auch ihre mittelbaren Zulieferer überprüfen, wenn Gewerkschaften oder NGOs ihnen Hinweise geben, dass Menschenrechte in der Lieferkette verletzt werden. Wenn Oxfam beispielsweise einen Bericht zu Gesundheitsschäden durch den Einsatz hochgiftiger Pestizide bei Edekas Bananenlieferanten in Ecuador vorlegt, muss Edeka dem nachgehen und Abhilfe schaffen, ansonsten drohen Bußgelder. Dies greift aber zu kurz, da Unternehmen für einen effektiven Menschenrechts- und Umweltschutz präventiv handeln müssen, um durch ihre Risikoanalysen Verletzungen möglichst im Vorfeld zu verhindern.

Es gibt Sanktionen, doch zu wenig Unternehmen sind betroffen

Zu begrüßen ist, dass die Einhaltung der Sorgfaltspflicht durch eine Behörde überprüft wird. Diese kann im Einzelfall auch Bußgelder verhängen oder Unternehmen bis zu drei Jahren von öffentlichen Ausschreibungen ausschließen.

Ein großes Manko ist, dass das Gesetz erst ab 2023 gelten soll und nur für solche Unternehmen, die mehr als 3.000 Arbeitnehmer*innen haben. Das sind in Deutschland nur rund 600 Unternehmen. Erst ab 2024 werden auch Unternehmen mit 1.000 Arbeitnehmer*innen erfasst, wodurch knapp 3.000 Firmen betroffen wären.

Kein verbesserter Rechtsschutz für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen

Leider fehlt dem Gesetzesentwurf ein neuer zivilrechtlicher Anspruch auf Schadensersatz. Immer noch haben Arbeiter*innen, die auf Bananen, Ananas- oder Weinplantagen für unser Essen schuften, keine echte Chance, vor deutschen Gerichten Schadensersatz einzuklagen, zum Beispiel für Gesundheitsschäden durch den Einsatz hochgiftiger Pestizide.

Insgesamt besteht daher großer Nachbesserungsbedarf. Eine Chance dafür besteht, wenn das Gesetz im März oder April in den Bundestag kommt. Allerdings hat auch das Wirtschaftsministerium schon Handlungsbedarf angemeldet. Einige Passagen des Gesetzes seien so nicht abgesprochen gewesen. Es gibt also viel zu tun in den nächsten Wochen.

Wichtig ist das auch mit Blick auf die europäische Ebene: Hier könnte bereits im Sommer ein Gesetzgebungsvorschlag für ein europaweites Lieferkettengesetz auf dem Tisch liegen. Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat dazu bereits einen Initiativbericht vorgelegt, der deutlich weiter geht als der deutsche Entwurf. Die Nachbesserung ist also nicht nur entscheidend für Deutschland, sondern auch, um den guten EU-Vorschlag nicht abzuschwächen.

8 Kommentare

Zunächst begrüße ich den Beginn einer rechtlichen Möglichkeit, Druck auf die wirtschaftlichen Profitmöglichkeiten von Großunternehmen ausüben zu können, wenn diese Lebensmittel einführen, verarbeiten und handeln, deren Herstellung, Lagerung oder Transport Menschenrechte missachtet oder die Umwelt übermässig schädigt.
Einiges jedoch scheint hier Gefahr zu laufen, weit über das Ziel hinaus zu schießen!
1. Eine Präzisierung mit objektiv überprüfbaren Kriterien dafür, welche Art von und ab welchem Grad von Menschenrechtsverletzung bzw Umweltschädigung das Gesetz anzuwenden ist, halte ich für dringend geboten! (Man kann es ja im Gesetz verankern, daß relativ zeitnah neue Kriterien aufgenommenen werden können, wenn sich zuvor unbekannte oder unpraktizierte Gefährdungen ergeben, zum Beispiel)
Diese Präzisierung und Operationalisierung halte ich für dringend geboten, um nicht einem Missbrauch des Gesetzes durch ideologisch fundamentalistische Kreise zu ermöglichen, wie das etwa im Rahmen der sogenannten "Klimarettung" zu beobachten ist!
Zum Beispiel sind natürlich toxische Belastungen der Menschen oder Umwelt sicher ein sinnvolles und notwendiges Kriterium! Einen biologischen Anbau nach deutschen Maßstäben zu verlangen wäre aber sicher ein Kriterium , das sowohl die Produktionsunternehmen, als auch die Handeslsunternehmen zu schädigen missbraucht werden könnte. Dem kann man beispielsweise durch finanzielle Anreize begegnen, indem etwa höhere Preise für Produkte bezahlt werden, die den Arbeitern bessere (Lohn) Bedingungen / der Umwelt schonendere oder nützliche Folgen zukommen lässt / die biologische Qualität der Produkte erhöht. Dafür könnten auch Mittel der Entwicklungshilfe umgeleitet werden, unter der Voraussetzung, daß das nur zur Verbesserung genannter Bereiche führt, nicht aber zur Maximierung der Gewinnspanne an diesen Produkten! (Produzenten, Transporteure und Händler haben bereits durch den höheten Stellenwert von Bio Lebensmitteln einen Marktvorteil, der nicht noch monetär durch subventionierte Gewinne vermehrt werden muss!)
2. Speziell was die Toxizität für Menschen (Arbeiter, Endverbraucher) und Umwelt (Vergiftungen von Böden, Wasser, Luft, Ökosystemen, Pflanzen und Tieren) betrifft (die auch in Deutschland viel zu hoch ist! Allein etwa schon die Vergiftung von Menschen, Tieren, Pflanzen und Umwelt durch Glyphosat!), so sollte hier deutlich mehr, anhaltender und massiver Druck auf Arbeits-, Umwelt - und Verbraucherschutzgesetzgebung gemacht werden!
Das ewige Stoppen und Verwässern durch die EU sollte mit einer Aufkündigung der EU Verträge alsbald beendet werden! Insbesondere deshalb auch, weil der EuGH in einem Urteil erklärt hat, daß EU Recht oder Rechtsprechung (durch eben diesen EuGH) sogar über dem Verfassungsrecht der Mitgliedsstaaten steht (was de facto die EU zu einem Staat und die Mitgliedsstaaten zu Provinzen davon macht, wenn man das gelten ließe!!!)!
3. Ich kann nicht einsehen, warum Arbeiter der Produzenten in Deutschland klagen können sollten, wenn sie zum Beispiel mit Pestiziden bei ihrer Arbeit vergiftet werden?
Ist Deutschland auserkoren, der Haftende und Ausgleichende für alle Nöte in der Welt zu sein?
Ich denke, nicht! Schon die massenweise Aufnahmen von Menschen aus aller Welt, die mit Aufnahme von Flüchtlingen" euphemisiert wird, ist weder die Verpflichtung für Deutschland , noch irgendwie sinnvoll, nicht einmal für die "Flüchtlinge" selbst!
(Denen effektiver und kostengünstiger in deutlich besser geschützten und unterstützten Lagern in Nähe zu ihren Herkunftsländern geholfen werden könnte.)
Man sollte sich sinnvollere Instrumente ausdenken und umzusetzen bemühen, um die rechtsarme oder sogar rechtslose Lage dieser Menschen zu verändern! Deutschland kann auch nicht die Haftung für die Menschenrechtsverletzungen der USA in der Welt, der Inder oder Chinesen an ihren Völkern die Haftung übernehmen! Das ist eine fundamentalistisch, manchmal bis zum Fanatismus übersteigerte Wunschvorstellung realitätsfremder grün- und "links"- politisch indoktrinierter Menschen, die nicht wahrzunehmen imstande zu sein scheinen, daß sie damit garnicht an den Ursachen und bei den Urhebern dieser Mißstände etwas bewirken, sondern, im Gegenteil, nur die Folgen dieser Missstände abzumildern bemüht sind, dadurch aber diese Missstände nicht nur nicht verändern, sondern geradezu zementieren!
(wie etwa auch die Flüchtlingsströme durch das Gutheißen oder Akzetieren von "humanistischen Einsätzen" gegen Diktatoren, also von Angriffskriegen, die mehr zerstören, als sie retten!)

Es ist beschämend und skandalös, dass ein Wirtschaftsminister der CDU nach so vielen Jahren geleisteter Vorarbeit unfähig ist dieses Lieferkettengesetz zu unterstützen und verabschieden kann. Über 120 Organisationen und NGOs unterstützen, begleiten und fördern seit Jahren dieses so dringend notwendige Gesetz für mehr Gerechtigkeit, Solidarität und Glaubwürdigkeit.

Da muss noch mal deutlich nachgebessert werden.
https://www1.wdr.de/daserste/monitor/videos/video-erfolg-der-lobbyisten-wie-das-lieferkettengesetz-demontiert-wurde-100.html

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