Bis zu 811 Millionen Menschen hungern weltweit – und mehr als zwei Milliarden Menschen haben nicht genug zu essen. Warum gibt es so viele hungernde Menschen auf der Welt?

1. Land und Hunger

Aminiata Diallo befüllt Gießkannen mit Wasser. Im Hintergrund sind grüne Anbauflächen zu sehen.
Nach dem Tod ihres Mannes hatte Aminiata Diallo keinen Zugang zu Land. Durch ein Gemeinschaftsprojekt im Dorf Louda (Burkina Faso) kann sie nun ein kleines Feld für den Gemüseanbau nutzen, um ihre Familie zu ernähren.

Weltweit leiden Menschen Hunger. Ein Grund: Das Land ist sehr ungleich verteilt und wird immer knapper.

Dabei sind kleinbäuerliche Produzent*innen gleich mehrfach benachteiligt: Ihre Anbaufläche ist sehr klein und ihr Risiko, durch sogenanntes Landgrabbing vertrieben zu werden, ist hoch. Häufig kaufen oder pachten Investoren riesige Landflächen – ohne Rücksicht auf die Rechte der lokalen Bevölkerung. Statt für den Anbau von Nahrungsmitteln werden die Flächen dann für andere Zwecke genutzt.

Mehr lesen: Landgrabbing

2. Einkommen und Hunger

Porträtfoto von Lúcia, die mit einem Mundschutz bekleidet durch eine Kaffeeplanze hindurchschaut
Lúcia* ist Schülerin und Tochter eines Kleinbauern in Brasilien. Ihre Familie musste mehrere Jahre unter menschenunwürdigen Bedingungen auf einer Kaffeeplantage arbeiten.

Armut und Hunger hängen eng zusammen: Wer in Armut lebt und wenig Geld verdient, hat häufig nicht genug zu essen. Plantagen­arbeiter*innen – zum Beispiel im Teesektor, auf Ananas- Bananen- oder Traubenfarmen – beziehen buchstäblich nur Hungerlöhne und können sich nicht ausreichend Nahrungsmittel kaufen.

Auch kleinbäuerliche Produzent*innen hungern. Ihre Einnahmen vom Verkauf der Ernte reichen nicht aus, um übers Jahr Lebensmittel für die Familie zu kaufen, oder sie können ihr Getreide nicht lagern.

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3. Klimakrise und Hunger

Eine Frau mit einem Esel in einer trockenen, sandigen Gegend. Sie blickt ernst in die Kamera. Die Sonne scheint. Die Wasserkanister auf dem Esel sehen leer aus.
Asli Duqow beim Wasserholen in Wajir, einer Region in Kenia. Wajir wird immer wieder von Dürreperioden getroffen, die durch die Klimakrise verstärkt werden und Hungerkrisen auslösen.

Die Klimakrise verschiebt Regen- und Trockenzeiten, und immer häufiger zerstört extremes Wetter die Ernten. Fruchtbares Land geht durch Erosion, Versalzung und Wüstenbildung verloren.

Um Menschen in ihrem Leben mit der Klimakrise zu unterstützen, ist es zum Beispiel wichtig, agrarökologische Ansätze zu fördern und lokale Saatgutbanken aufzubauen. Die Saatgutbanken erleichtern die Verteilung von lokalem Saatgut. Wenn traditionelle Sorten eingesetzt werden, sind die Erträge stabiler, falls es zu Wasserknappheit, Starkregen oder Überflutungen kommt.

Mehr lesen: Stellungnahme zu Welternährung und Klimawandel 

4. Agrosprit und Hunger

Auf Millionen von Hektar Land werden Pflanzen für Agrosprit („Biosprit“) angebaut. Dadurch steht immer weniger Fläche für die Produktion von Nahrungsmitteln zur Verfügung. Weltweit wird Ethanol mehrheitlich aus Mais und Agrodiesel vor allem aus Soja- und Palmöl hergestellt.

Von Kleinbäuer*innen genutzte Agrarflächen werden immer häufiger von privaten Investoren aufgekauft. Nahrung, die eigentlich auf den Teller gehört, landet im Tank. Und die Lebensmittelknappheit steigt.

5. Geschlechtsidentität und Hunger

Samira* bereitet Essen zu.
Um ihren Kindern eine Schulausbildung zu ermöglichen, ist Samira* nach Mosul (Irak) geflohen und tut jeden Tag ihr Bestes, um einen Job zu finden und ihre Familie zu versorgen.

Frauen und LGBTQIA* -Personen sind weltweit besonders von Hungerkrisen betroffen. Weil sie durch ihre geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung ausgeschlossen und diskriminiert werden, haben sie oft weniger Zugang zu Land, Bildungsangeboten, Beratungsdiensten und Krediten als Männer. Ihre Fähigkeiten und ihr Wissen werden häufig nicht anerkannt und auch das Minimum an Menschenrechten wird ihnen nicht immer selbstverständlich zugestanden. LGBTQIA* -Personen sind oftmals durch Stigmatisierungen noch stärker von Gesundheits- und Unterstützungsangeboten ausgeschlossen.

Außerdem verrichten Frauen, Mädchen und LGBTQIA* - Personen viel häufiger unbezahlte Sorgearbeit, wodurch sich das Risiko von Armut und Hunger betroffen zu sein erhöht. Die COVID-19-Pandemie hat dies teilweise noch drastisch verschärft.

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6. Böden und Hunger

Nahaufnahme von Händen, die landwirtschaftlichen Boden bearbeiten.
In dem Dorf Soubo in Burkina Faso erlernen Kleinbäuer*innen nachhaltige Anbaumethoden, die an die klimatischen Bedingungen angepasst sind.

Die Qualität von Böden verschlechtert sich massiv. Weltweit ist fast die Hälfte aller Böden betroffen. Die fruchtbare Bodenschicht (Humusschicht) wird immer dünner und es wird schwieriger, Nahrungsmittel anzubauen. Der Grund: Die Landwirtschaft, insbesondere die industrielle Landwirtschaft, vernachlässigt die Böden.

Agrarökologische Systeme hingegen fördern die Vielfalt über und unter der Erde. Die Böden können besser Wasser aufnehmen und speichern, die Pflanzen können tiefer wurzeln. Wenn eine Vielfalt von Pflanzen angebaut und der Boden nach der Ernte mit Ackerwildkräutern bepflanzt wird, wird Humusaufbau möglich. Ökologisch nachhaltige Landwirtschaft ist daher unverzichtbar, um Hunger langfristig und nachhaltig abzubauen.

Mehr lesen: Kleinbäuerliche, ökologisch nachhaltige Landwirtschaft

7. Konzernmacht und Hunger

Immer weniger, dafür immer größere Konzerne (beispielsweise Bayer-Monsanto, BASF, Nestlé oder EDEKA) kontrollieren die Märkte – vom Acker bis zur Ladentheke. Bäuerliche Produzent*innen und Arbeiter*innen sind der „Marktmacht“ der Konzerne weitestgehend machtlos und schutzlos ausgeliefert.

Wer die Macht hat, kann auch die Politik in seinem Sinne beeinflussen. Die Folge: Landgrabbing, Ackergifte, Umweltschäden und die Zerstörung lokaler Ernährungssysteme.

Mehr lesen: Konzernmacht

8. Spekulation und Hunger

Maiskolben auf einem Haufen

Wenn Finanzakteure auf Preise von Agrarrohstoffen spekulieren, treiben sie damit die Preise für Nahrungsmittel in die Höhe. Darunter leiden vor allem Menschen aus einkommensschwachen Ländern, die bis zu 80 Prozent ihres Monatseinkommens für Essen ausgeben.

Explodieren die Preise für Nahrung, kann sich eine Krise wie 2008 wiederholen, als die Zahl der Hungernden weltweit auf über eine Milliarde Menschen stieg. Profitiert haben indes Agrarkonzerne wie Cargill, die Wetten auf steigende Preise abgeschlossen hatten.

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9. Fleisch und Hunger

Vishnu trägt Getreide im Arm und berührt im Vorbeigehen eine Kuh am Halfter
Vishnu ist Lehrer in der Region Badin (Pakistan). Hier setzt er sich aktiv dafür ein, dass Kleinbäuer*innen über Methoden zur Anpassung an die Klimakrise und nachhaltige Lebensweisen informiert werden.

Die industrielle Tierhaltung verursacht nicht nur klimaschädliche Treibhausgase. Der Fleischkonsum der einen verschärft den Hunger der anderen: Weltweit werden 56 Prozent der Maisproduktion und 19 Prozent der Weizenproduktion als Futtermittel verwendet. Der Anbau von Soja in Monokulturen zerstört Wälder und die natürlichen Lebensgrundlagen von indigenen und ländlichen Gemeinschaften.

Mehr lesen: Oxfam-Positionspapier „Die EU exportiert, die Welt hungert“

10. Vorsorge vor Hungersnöten

Zoré Fatimata wäscht Reis in einer großen Schale.
Zoré Fatimata wurde innerhalb ihres Heimatlands Burkina Faso vertrieben und erhält jetzt Bargeldzahlungen, um Nahrungsmittel für ihre Familie zu kaufen.

Es gibt oft keine strukturierte Vorsorge vor Hungerkrisen. Beispielsweise könnten Regierungen Hungersnöten vorbeugen, indem sie gemeinsam ausreichend Nahrungsmittelreserven aufbauen. So könnte man dafür sorgen, dass die Bevölkerung in Krisen-gefährdeten Ländern genug zu essen hat.

Mehr lesen: Welternährung – elf Schritte für eine Zukunft ohne Hunger

Aktuell: Corona und Hunger

Massenarbeitslosigkeit, unterbrochene Nahrungsmittelversorgung und weniger Hilfsgelder: Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie verschärfen in vielen Ländern das bestehende Hunger-Problem. Im Jahr 2020 befanden sich mindestens 155 Millionen Menschen am Rande des Verhungerns. Frauen und Haushalte, bei denen Frauen die Haupternährerinnen sind, sind besonders stark von Hunger bedroht.

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Langfristig Hunger stoppen

Damit Menschen keinen Hunger leiden müssen, ist Oxfam weltweit aktiv und geht dabei verschiedene Wege:

Arztkoffer

Während Krisen und Katstrophen sind wir vor Ort und leisten akute Nothilfe.


So haben wir beispielsweise nach dem Zyklon Idai im Süd-Osten Afrikas Wasser, Nahrung und sanitäre Einrichtungen bereitgestellt.


Im krisengeschüttelten Jemen unterstützen wir die Menschen bereits seit über 30 Jahren. Dort verteilen wir beispielsweise Bargeld, mit dem Familien Nahrungsmittel und andere lebenswichtige Güter kaufen können.

Saat

Damit Menschen weltweit auch aus eigener Kraft die Ursachen des Hungers bekämpfen können, helfen wir ihnen dabei, langfristige Maßnahmen umzusetzen.


So bauen wir in Burkina Faso beispielsweise mit erfahrenen Partnern vor Ort Getreidespeicher, die nach der Ernte gefüllt werden können. Wenn Essen knapp und teuer wird, kann günstiges Getreide aus dem Speicher erworben werden.


In Mali verteilen wir widerstandsfähiges Saatgut, das trotz Dürren und Überflutungen Ernten abwirft. Außerdem schulen wir die Menschen in ökologisch nachhaltigen Anbaumethoden.

Abbildung eines Megafons

Darüber hinaus setzen wir uns politisch dafür ein, langfristige Lösungen zu schaffen, um die Menschen vor Hunger zu schützen.


So fordern wir von der Bundesregierung, Agrarökologie in einkommensschwachen Ländern zu stärken – damit Menschen die Möglichkeit haben, sich selbst zu ernähren und sich gleichzeitig an die Klimakrise anpassen können.
Um die Klimakrise aufzuhalten, setzen wir uns für weltweiten Klimaschutz ein.

Außerdem fordern wir Olaf Scholz dazu auf, das Lieferkettengesetz zu verschärfen, damit deutsche Unternehmen verpflichtet werden, auch im Ausland Menschenrechte zu achten. So kann sichergestellt werden, dass die Menschen vor Ort angemessen entlohnt werden, um ausreichend Nahrungsmittel zu erwerben.

Was können Sie tun, um den Hunger in der Welt zu stoppen?

Unterstützen Sie uns beim Kampf gegen den Hunger. Wie? Machen Sie mit bei unseren politischen Aktionen oder unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende. Schon ein kleiner Beitrag kann Großes bewirken.

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Mehr Hintergrundinformationen:

Nach Angaben der Vereinten Nationen steigt die Zahl der Hungernden seit dem Jahr 2016 erstmals wieder kontinuierlich; mittlerweile auf bis zu 811 Millionen. Mit der Agenda 2030 hat sich die internationale Staatengemeinschaft verpflichtet, Hunger und Mangelernährung bis 2030 zu beenden. Doch immer mehr Menschen werden abgehängt und von der Politik im Stich gelassen.

Hunger und soziale Ungleichheit – was hat das miteinander zu tun?

Hunger ist Ausdruck von sozialer Ungleichheit. 80 Prozent aller Menschen, die unter Hunger und extremer Armut leiden, leben auf dem Land. Sie sind vielfach benachteiligt: Ob in punkto Bildung und Gesundheitsfürsorge oder Wasser- und Energieversorgung.

Kleinbäuerliche Familien sind einem doppelten Risiko ausgesetzt: Sie werden zunehmend von ihrem Land vertrieben und vom Markt verdrängt. Ihre Existenzgrundlagen werden bedroht oder zerstört. Ein zentrales Problem ist die ungleiche Landverteilung. So ist in Lateinamerika die Konzentration von Land jetzt höher als vor den Landreformen in den 1960er Jahren. Besonders bedroht sind die Lebensräume von Indigenen und Hirtenvölkern. Die Abhängigkeit bäuerlicher Produzent*innen von wenigen Konzernen (beispielsweise beim Saatgut) steigt und die Machtungleichgewichte in der Lieferkette werden verschärft. Die Folge: niedrige Erzeugerpreise und Hungerlöhne für Plantagenarbeiter*innen.

Jeder Mensch hat ein Recht auf Nahrung. Aber wird es auch von Regierungen anerkannt?

Ein menschenrechtsbasierter Ansatz ist der Schlüssel zur Hungerbekämpfung. Mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (§25) haben sich alle Staaten verpflichtet, das Recht auf Nahrung zu verwirklichen. Im Jahr 2004 wurden die Freiwilligen Leitlinien zum Recht auf Nahrung einstimmig von den Mitgliedern der FAO angenommen. Sie haben damit die Verantwortung übernommen, das Recht auf Nahrung zu respektieren, zu schützen und zu gewährleisten.

Es wird aber in nur in etwas mehr als 20 Ländern anerkannt. Bemerkenswert ist deswegen, dass der UN-Welternährungsausschuss (CFS) seit 2009 diese Leitlinien als besonders wichtigen Rahmen bestätigt hat. Dennoch müssen die Menschenrechte bei jedem Treffen gegenüber Ländern wie Russland und den USA verteidigt werden. Problematisch sind in der Praxis die mangelnde Rechenschaftspflicht und Politikkohärenz, die weitverbreitete Straflosigkeit von Rechtsverletzungen und die zunehmende Kriminalisierung von Menschen, die die Menschenrechte verteidigen.

Großkonzerne gewinnen immer mehr Macht über unser Essen. Was bedeutet das für die Hungerbekämpfung?

Die Marktkonzentration ist bereits beängstigend hoch: Vier Konzerne kontrollieren rund 70 Prozent des Weltagrarhandels und drei Konzerne dominieren 50 Prozent des Weltmarkts für Landtechnik. Seit der Fusion von Bayer und Monsanto im Jahr 2018 beherrschen nur noch drei Konzerne mehr als 60 Prozent des globalen Marktes für kommerzielles Saatgut und für Pestizide. Industrielle, von Konzernen geprägte Ernährungssysteme haben dabei versagt, für alle Menschen eine sichere Versorgung zu gewährleisten.

Die großflächige Landwirtschaft wird ausgeweitet, kleinbäuerliche Erzeuger werden vom Land vertrieben und vom Markt gedrängt und Plantagenarbeiter*innen ausgebeutet. Sie sind weitestgehend machtlos und schutzlos der Marktmacht der Konzerne ausgeliefert. Lokale Ernährungssysteme werden zerstört, Böden degradiert und hochgiftige Pestizide wie Glyphosat belasten Mensch und Umwelt. Das Ernährungssystem wird krisenanfälliger.

Welche Alternativen gibt es zum aktuellen Ernährungssystem?

Die internationale kleinbäuerliche Bewegung „La Via Campesina“ hat Anfang der 1990er Jahre als Alternative das Konzept der „Ernährungssouveränität“ entwickelt. Dieses Konzept wird mittlerweile von einer globalen Bewegung unterstützt.

Ernährungssouveränität

Ernährungssouveränität bedeutet eine (Re-)Demokratisierung der Nahrungsmittelproduktion. Dazu gehört, dass grundlegende Prinzipien wie das Menschenrecht auf Nahrung, die vorrangige Stärkung lokaler Märkte, faire Preisbildung und existenzsichernde Einkommen verwirklicht werden.

Agrarökologie

Agrarökologie ist integraler Bestandteil der Ernährungssouveränität. Bäuerliche Produzent*innen sollen wieder die Kontrolle über Land und Saatgut erhalten, lokale Märkte sollen vor Billigimporten geschützt werden. Die besondere Rolle von Bäuerinnen wird anerkannt. Die Stärkung lokaler Ernährungssysteme ist dabei zentral.

Oxfam-Projekt in Burundi:

In den drei Provinzen Bubanza, Bujumbura Rural und Cibitoke im Westen Burundis informieren unsere lokalen Partnerorganisationen ADISCO, INADES Formation und OAP die Bevölkerung und Kommunalvertreter*innen über die Klimakrise und wie sie ihr mit agrarökologischem Anbau begegnen können.

Durch Forschung, an der Kleinbäuer*innen beteiligt sind, wird bestimmt, welche Anbauprodukte an welchem Standort am besten gedeihen und welche die besten Anbautechniken sind. Kleinbäuerliche Produzent*innen können sich zudem in verbesserten, ökologischen Anbaumaßnahmen weiterbilden.

Die Partnerorganisationen setzen bei der Stärkung der Resilienz auf einen agrarökologischen Ansatz. Neben der Förderung ökologischer Anbaupraktiken setzen sie auf lokale Märkte und eine solidarische Vermarktung und fördern die Mitbestimmungsrechte von Frauen.

Um die politische Arbeit zum Thema Agrarökologie in Burundi zu stärken und den Wissensaustausch zu fördern, unterstützt das Projekt die enge Vernetzung mit PELUM („Participatory Ecological Land Use Management“). PELUM ist ein Agrarökologienetzwerk in Ost- und Südafrika, welches hunderte von lokalen NGOs miteinander verbindet und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht.

Die Klimakrise ist ein bedeutender Hungertreiber. Was kann man dagegen tun?

Mit der sich verschlimmernden Klimakrise kommt es verstärkt zu Wetterextremen: längere und extremere Dürreperioden, Überschwemmungen, mehr und stärkere Hurrikane. Die Klimakrise zerstört die Lebensgrundlagen der Menschen, beeinträchtigt die Ernten und verschärft den Hunger. Dies hat auch die UN vor Kurzem bestätigt. Die Erderhitzung muss deswegen auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden. Dafür ist eine wesentlich stärkere Unterstützung der reichen Länder bei der Anpassung an die klimatischen Veränderungen erforderlich. Statt „klimasmarter Landwirtschaft“ sollten dabei agrarökologische Anbauverfahren gefördert werden.

Die Bundesregierung steht nach wie vor vor der Aufgabe, Deutschland auf einen robusten Pfad in die Klimaneutralität zu führen. Dies muss deutlich vor dem derzeit festgelegten Zieljahr 2045 geschehen – jedenfalls wenn Deutschland fair zur Bewältigung der globalen Klimakrise beitragen soll.

Die Digitalisierung verändert unsere Welt tiefgreifend, auch in der globalen Landwirtschaft. Welche Risiken bringt sie mit sich?

Die Digitalisierung der Landwirtschaft ist ein neuer Mega-Trend, der auch bei der Fusion von Bayer und Monsanto eine wichtige Rolle spielt. Die Agrarchemieriesen kooperieren mit den Maschinenherstellern wie John Deere, AGCO und Class. Zukünftig werden die Landwirte nur zwischen 2 bis 3 Farmmanagement-Systemen wählen können.

Mit digitalen Instrumenten ausgestattete Maschinen geben den Bäuer*innen vor, wo sie Saatgut aussäen sowie Pestizide und Düngemittel anwenden sollen. Maschinendaten werden automatisch an den Hersteller gesandt. Ernteerträge können über Satelliten vorhergesagt und Pflanzensorten über Drohnen identifiziert werden

Aus „wachse oder weiche“ wird in naher Zukunft „digitalisiere oder weiche“, erst recht in wirtschaftlich benachteiligten Ländern. Die Präzisionslandwirtschaft wird von den Agrarkonzernen als Antwort auf Umweltschäden und Klimakrise propagiert. Wenn es nach ihnen geht, gehört „Climate-Smart Agriculture“ die Zukunft. Doch damit wird die industrielle Landwirtschaft zementiert.

Immer mehr Böden verlieren ihr Bodenleben. Treten wir den Boden mit Füßen?

Angaben der FAO zufolge sind bereits 25 Prozent der Böden hochgradig degradiert, das heißt die Bodenfruchtbarkeit lässt sich nur mit hohem Aufwand wiederherstellen. Geschätzte 65 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Afrika sind von Degradation betroffen. Die Bodendegradierung von Acker- und Weideflächen ist dort ein lebensbedrohendes Problem und schon jetzt mitverantwortlich für Migration.

Im Ökosystem Boden spielt die Anzahl und vor allem die Vielfalt der Lebewesen eine entscheidende Rolle. Eine bessere „Fütterung“ des Bodenlebens kann durch vielfältige Fruchtfolgen und kontinuierliche Bodenbedeckung durch Ackerwildkräuter und Zwischenfrüchte erfolgen und ermöglicht den Humusaufbau.

Die Förderung agrarökologischer Anbauverfahren ist hierfür zentral. Solange Boden und Pflanzen nicht als Ökosystem verstanden werden und das bäuerliche Wissen darüber nicht in den Vordergrund gestellt wird, bleiben Probleme wie Bodendegradation und der Verlust biologischer Vielfalt bestehen.

Oxfam-Projekt in Burkina Faso:

In der Provinz Yatenga in Burkina Faso unterstützt unsere Partnerorganisation A.A.A.E. (Association Aidons l’Afrique Ensemble) 3.000 Kleinbäuer*innen darin, ihre Widerstandskraft gegen Nahrungsmittelkrisen zu stärken.

Verbesserte Anbaumethoden

A.A.A.E. setzt auf verbesserte, agrarökologische Anbaumethoden, die die Bodenfruchtbarkeit steigern:

  • die traditionelle Zaï-Methode, durch welche die Pflanzen optimal mit organischem Dünger und Wasser versorgt werden
  • die Nutzung von Kompost- und Dunggruben für organischen Dünger
  • Zugtieranspannung statt Traktoren, um die Bodenkrume nicht zu verdichten
  • Zertifiziertes, standortangepasstes Saatgut aus lokalen Sorten
  • erosionsmindernde Maßnahmen wie das Anlegen von Steinreihen, Grünstreifen und Baumpflanzungen.

Getreidespeicher

Außerdem hat A.A.A.E. selbstverwaltete, dezentrale Dorfgetreidespeicher errichtet, an die die Dorfgemeinschaften überschüssige Getreideernten zur Einlagerung verkaufen können. Sollten ihre eigenen Vorräte später im Jahr zur Neige gehen, können sie das Getreide zu fairen Preisen zurückkaufen. So entsteht ein nachhaltiges System der lokalen Ernährungssouveränität.

Gartenbau

Auch Gemüse- und Obstgärten sowie Wissensvermittlung zur verbesserten Weiterverarbeitung und Vermarktung gehören zu dem Projekt. Es sind vor allem Frauen, die mit dem Gartenbau Abwechslung in die Ernährung ihrer Familien bringen und die durch die Vermarktung der Erzeugnisse ihre Einkommen steigern.

Landrechte

Wenn fruchtbare Böden immer knapper werden, kommt dem Besitz und dem Zugang zu Land, insbesondere für Frauen, eine besondere Bedeutung zu. Daher fokussiert sich das Projekt auch auf die Verbesserung der Landrechts-Situation vor Ort und die Stärkung der Interessensvertretung der Kleinbäuer*innen.

Sind die Agrar-, Handels- und Finanzpolitik kohärent mit dem Recht auf Nahrung?

Oberstes Gebot ist eine kohärente Politik, die nicht an einer Stelle das zerstört, was sie anderswo versucht aufzubauen. Das ist der Bundesregierung aber ganz egal! So blockiert das Landwirtschaftsministerium eine soziale und ökologische Neuorientierung der Gemeinsamen Agrarpolitik und eine Reduzierung des Agrosprits aus Nahrungsmitteln. Zusammen mit dem Wirtschaftsministerium verhindert es gerechte Regeln im Welthandel.

Stattdessen werden neue Rekorde bei Exporten gepriesen, die Märkte in Afrika überschwemmen. Liberia importiert beispielsweise Geflügelfleisch aus Europa für nur 0,48 Euro pro Kilogramm, da können einheimische Geflügelmäster nicht mithalten. Minister Müllers Plädoyer für „Fairhandel statt Freihandel“ gibt zwar die richtigen Impulse, bleibt aber folgenlos. Das Bundesfinanzministerium stimmte für den Kommissionsvorschlag, der Banken, Hedgefonds und Investmentfonds erlaubt, munter weiter mit Essen zu spielen.

Warum ist der UN-Welternährungsausschuss richtungsweisend im Kampf gegen Hunger?

Der Welternährungsausschuss (CFS) wurde im Jahr 2009 reformiert. Die Freiwilligen Leitlinien zum Recht auf Nahrung bilden dabei einen besonders wichtigen, übergreifenden Rahmen. Das gibt es in keinem anderen Gremium, das sich mit Ernährungsfragen befasst. Außergewöhnlich ist auch die Governance-Struktur des CFS. Die Zivilgesellschaft ist im „Civil Society Mechanism“ (CSM) organisiert. Es gibt 11 Gruppen, darunter Kleinbäuer*innen, Hirtenvölker, Fischer*innen, Indigene, Arbeiter*innen, Landlose, Frauen, Jugendliche, Konsumenten, Ernährungsgefährdete in Städten und NGOs.

Nur im CFS können die von Hunger betroffenen Gruppen selbst ihre Anliegen einbringen, mitdiskutieren und mit verhandeln. Auch der Privatsektor kann sich im Rahmen des „Private Sector Mechanism“ (PSM) einbringen. Die Entscheidung bleibt am Ende jedoch den Regierungsvertreter*innen vorbehalten. Der größte Erfolg des CFS war sicherlich die Verabschiedung der Freiwilligen Leitlinien zu Land im Jahr 2012.