„Fehlende Toiletten und Hygiene sind ebenso bedrohlich wie ein Mangel an Medizin und Nahrung“, sagt Ulrich Wagner, der Oxfams Nothilfe-Arbeit in Ost- und Zentralafrika sowie Asien koordiniert. Frauen und Mädchen sind von diesem Mangel besonders betroffen, weil sie bei Dunkelheit oder unsicheren sanitären Einrichtungen Übergriffe fürchten müssen. Nicht nur deswegen hat sich Oxfam im Bereich der humanitären Hilfe auf so genannte WASH-Programme spezialisiert (WASH steht für Wasser, Sanitär und Hygiene). Mit der Einrichtung von Latrinen, dem Bau von Klär- und Abwassersystemen, der Wasserversorgung sowie der Verteilung von Hygiene-Artikeln und der gesundheitlichen Beratung erreicht Oxfam jedes Jahr fünf bis sechs Millionen Menschen.

Zuhören und Vermitteln statt lauter Vorgaben

Dabei ist grade das Informieren über Hygiene und Toilettennutzung entscheidend: „Die Installation von sanitären Anlagen ist nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch eine kulturelle. Sich mit einem Megafon hinzustellen und den Menschen Anweisungen zu erteilen, bringt gar nichts. Man muss verstehen, wo die Leute herkommen, was für Bräuche sie haben, welche Tabus es bei ihnen gibt“, weiß Ulrich Wagner. Häufig würden er und sein Team deswegen kleine Theatervorführungen, Witze oder Sketche machen, um über die richtigen Hygienemaßnahmen zu informieren.

Vielfältige Probleme, kreative Lösungen

Anlässlich des Welttoilettentages 2018 veröffentlicht Oxfam Fotos und Geschichten zu sieben Toiletten-Konstruktionen, die exemplarisch für die sanitären Herausforderungen in ihrer Programmarbeit stehen. Dabei zeigt sich, dass die Probleme so vielfältig sind wie die Antworten:

1. Ein Erdloch in Bangladesch: Die rund 900.000 Rohingya in den Flüchtlingscamps in Bangladesch hatten häufig nur die Möglichkeit, sich ein Erdloch auf freier Fläche zu graben, das als Toilette herhalten musste. Dagegen half Oxfam mit dem Bau von über 3.300 Latrinen sowie eines Klärwerks, das für die Toilettennutzung von 150.000 Menschen ausgelegt ist.

2. Ein Wellblechverschlag in Nepal: Das schwere Erdbeben von 2015 hat viele Toiletten zerstört, Behelfskonstruktionen wie ein Wellblechverschlag sind oft das Einzige was den Menschen zur Verfügung stand. Oxfam hat sich deshalb darauf konzentriert, Wasserversorgungsysteme wieder aufzubauen und besonders an Schulen sanitäre Einrichtungen zu installieren.

3. Eine hängende Toilette in Liberia: In den großen Slums von Liberias Hauptstadt Monrovia gibt es nur wenige Toiletten, die zudem meistens in einem schlechten Zustand sind. Manchmal ist es einfach ein Stück Holz, das über einen Flusslauf ragt. Oxfam installierte dort vier große sanitäre Anlagen mit insgesamt 30 Biogas-Toiletten und 15 Duschen. Das Besondere dieser Toiletten ist, dass die Exkremente mittels Bakterien in Biogas verwandelt werden, womit die Anwohner*innen mit Strom versorgt werden können.

4. Eine zerstörte Schultoilette im Irak: Die Menschen versuchen, die vom so genannten Islamischen Staat (IS) zerstörte Infrastruktur wieder aufzubauen. Oxfam unterstützt sie dabei, indem unter anderem eine völlig verdreckte und zerstörte Schultoilette einer Mädchen-Grundschule in Mossul repariert und vollständig saniert wurde.

5. Eine Hocktoilette in Sierra Leone: Als Ersatz für Hocktoiletten, die oft wenig Privatsphäre bieten, hat Oxfam in Sierra Leone zahlreiche Tigerwurm-Toiletten gebaut. Diese Toiletten sind sicher, robust und enthalten zudem Würmer, die in der Lage sind, die Fäkalien zu Kompost zu verdauen, der wiederum für den Anbau von Gemüse verwendet werden kann.

6. „Fliegende Toiletten“ in Kenia: Während in ländlichen Regionen Toiletten aus Zweigen und Laub gebaut werden, müssen sich viele Menschen in städtischen Siedlungen Kenias auf „fliegende Toiletten“ (Kot in Plastiktüten, die dann auf die Straße geworfen werden) oder Grubenlatrinen zu verlassen. Oxfam hat in mehreren Schulen in Nairobi saubere Toiletten installiert. Dadurch haben täglich über 2.800 Schüler*innen Zugang zu hygienischen Sanitäranlagen. Die Folge: Die Kinder sind weniger krank und fehlen dadurch auch seltener im Unterricht.

7. Ein wackeliger Verschlag im Kongo: Eine wackelige Stehtoilette aus Lehm, Sand und Bambus findet auf den Hochplateaus Minembwe und Itombwe in der Demokratischen Republik Kongo nicht den nötigen Anklang. Als Gegenmaßnahme baut Oxfam solide Toiletten aus Ziegelsteinen, Wellblech, Holz und Zement an öffentlichen Plätzen und Einrichtungen wie Schulen, Märkte oder Gesundheitszentren. Mit der Errichtung von sanitären Anlagen und Sensibilisierungskampagnen zu Hygienemaßnahmen erreicht Oxfam dort über 150.000 Menschen.

Twitter: #Welttoilettentag

 

Weiterführende Informationen

Gern unterstützen wir Ihre Berichterstattung mit Informationen zu unserer Arbeit.

Anhang: Zusätzlich gibt es eine ausführliche Beschreibung der sieben schlimmsten Toiletten sowie der Nothilfe-Arbeit von Oxfam in den betroffenen Regionen (s.u.).

Bildmaterial zu den sieben schlimmsten Toiletten und Oxfams Arbeit vor Ort können Sie hier kostenfrei herunterladen. Bitte verwenden Sie bei den Bildern immer den angegebenen Bildnachweis.

Beispiele und Zitate: Weitere Informationen über die Menschen aus der Region mit Bildern und Zitaten stellen wir Ihnen gern zur Verfügung.

Interview: Ulrich Wagner, Koordinator von Oxfams Nothilfe-Arbeit in Ost- und Zentralafrika sowie Asien, steht Ihnen als Interviewpartner zur Verfügung.

Für weitere Infos wenden Sie sich bitte an:

Raimon Klein Tel. 030 / 45 30 69 - 711, E-Mail: rklein@oxfam.de

 

Anhang: Die sieben schlimmsten Toiletten ausführlicher

1. Ein Erdloch im Rohingya-Flüchtlingscamp in Bangladesch

„Hier gibt es keine Latrine. Die Kinder gehen den Hügel runter und benutzen tagsüber das freie Feld. Sie graben ein Loch und vergraben ihre Exkremente dann im Boden“, berichtet Sumaya, die im Thengkhali Camp in Bangladesch lebt. So wie ihr ergeht es vielen der knapp 900.000 geflüchteten Rohingya, die unter katastrophalen Bedingungen in den beengten Camps und Siedlungen wohnen müssen. Besonders weibliche Rohingya leider unter den schlechten sanitären Bedingungen, da sie beim Gang auf die Toilette Belästigung fürchten müssen, weil etwa die Männertoiletten zu nah an den Frauentoiletten stehen, die zudem häufig keine verschließbaren Türen haben.

Oxfam hat in den Flüchtlingscamps mittlerweile über 3.300 Latrinen gebaut. Diese bestehen meist aus Wellblech, Bambus und verschließbaren Türen. Insgesamt wurden durch die Nothilfe-Arbeit von Oxfam mehr als 266.000 Menschen mit sauberem Trinkwasser, Hygieneeinrichtungen und anderen lebenswichtigen Hilfsgütern erreicht. Darüber hinaus hat Oxfam vor kurzem ein Klärwerk im Rohingya-Camp in der Region Ukhiya fertig gebaut, das für die Toilettennutzung von 150.000 Menschen ausgelegt ist. Beim Bau wurden natürliche Materialien verwendet sowie auf eine umweltfreundliche Nutzung wert gelegt, bei dem die Investitionskosten zwar höher, Betrieb und Wartung jedoch sehr gering sind.

2. Ein verrosteter Wellblechverschlag in Kathmandu, Nepal

Diese öffentliche Toilette im Vorort Manuhara in Kathmandu zeigt, dass es um die sanitären Anlagen in Nepal nicht gut bestellt ist. Besonders die ländliche Bevölkerung leidet noch immer unter den Folgen des schweren Erdbebens von 2015, da in den Bergregionen viele Toiletten und natürliche Wasserquellen zerstört wurden. Die Menschen müssen weite Wege zurücklegen, um Wasser zu holen. Dieses brauchen sie nicht nur zum Trinken, Kochen und zur Pflanzenbewässerung, sondern auch zum Waschen und für den Toilettengang. Da das Wasser so kostbar ist, müssen sich die Menschen den Gang zur Toilette oft verkneifen.

Oxfam hat sich nach dem Erdbeben darauf konzentriert, Wasserversorgungsysteme wieder aufzubauen und besonders an Schulen sanitäre Einrichtungen zu installieren. Seit 2015 hat Oxfam mit seiner WASH-Arbeit insgesamt rund 460.000 Menschen unterstützt.

3. Eine über dem Wasser hängende Toilette in Monrovia, Liberia

Auf dieser „hängenden Toilette“ in Monrovia ist man nur auf den ersten Blick ganz allein. Denn die Toilette ragt ein Stück über das Wasser und ist innen lediglich mit einer Holzplanke ausgestattet, so dass man die unter einem schwimmenden Fische grüßen kann. Diese Toilette steht exemplarisch dafür, dass es in den großen Slums von Monrovia nur wenige Toiletten gibt, die meistens noch in einem schlechten Zustand sind. Mehr als 90 Prozent der Bewohner dieser Gemeinden haben keinerlei Zugang zu sanitären Anlagen.

Deswegen installierte Oxfam in drei dieser Gemeinden vier große sanitäre Anlagen mit insgesamt 30 Biogas-Toiletten und 15 Duschen. Das Besondere dieser Toiletten ist, dass die Exkremente mittels Bakterien in Biogas verwandelt werden, womit die Anwohner dann mit Strom versorgt werden können. Die Stromproduktion ist noch nicht angelaufen, da die Biogas-Toiletten zurzeit erst direkt an die Haushalte angeschlossen werden. Darüber hinaus schaffen die Biogas-Toiletten Arbeitsplätze: Die Toiletten und Duschen werden von Hausmeistern verwaltet, die sich um die Sauberkeit und die Instandhaltung kümmern.

4. Eine vom IS zerstörte Schultoilette in Mossul, Irak

Von außen lässt sich bereits erahnen, wie es um die sanitären Anlagen der Al-Rusul-Grundschule für Mädchen in West-Mossul bestellt ist: Das Gebäude ist stark beschädigt, das gesamte Fensterglas kaputt, die Vorderseite mit Einschusslöchern durchsetzt. Die Terrorherrschaft des so genannten Islamischen Staates (IS) hat auch innerhalb des Schulgebäudes seine Spuren hinterlassen. „Ich kann es kaum beschreiben. Ich habe 32 Schulen gesehen und keine von ihnen war so schlimm wie diese“, beschreibt Gashaw Shareef, Assistentin für Public Health Engineering von Oxfam Irak, die Toilette der Al-Rusul-Grundschule. Sowohl der Boden als auch die Toiletten sind extrem schmutzig und mit Müll, Schlamm und menschlichen Abfällen übersät. Von den einzigen beiden verbleibenden Waschbecken sind die Wasserhähne gebrochen und es gibt keine Wassertanks, so dass die Schülerinnen sich nicht die Hände waschen können. Außerdem funktionieren die Toilettenspülungen nicht. Diese vier Toiletten müssen sich mehr als tausend Schülerinnen teilen.

„Toiletten sind eine Kleinigkeit im Vergleich zu einem großen Gebäude, jedoch haben Toiletten einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit“, sagt Gashaw Shareef. Daher führte Oxfam im Frühjahr 2018 umfangreiche Sanierungsarbeiten durch und reinigte die Toiletten, reparierte die Armaturen und stellte die Verbindung zu den Wasserleitungen wieder her. In ganz Mossul haben die Teams von Oxfam dazu beigetragen, die Wasser- und Sanitärsysteme in über 30 Schulen zu sanieren, um sicherzustellen, dass Kinder, die in den Unterricht zurückkehren, eine sichere und hygienische Umgebung haben, in der sie lernen können. Ergänzt wird diese Arbeit durch Sensibilisierungsveranstaltungen und interaktive Spiele zum Thema Hygiene.

5. Eine Hocktoilette mit wenig Privatsphäre in Sierra Leone

Solch eine Toilette zum Hocken findet man in Sierra Leone häufiger. Diese hier bietet jedoch ohne eine Seitenwand und eine Tür wenig Privatsphäre. Besser geht es mit den Tigerwurm-Toiletten, die Oxfam in verschiedenen Landesteilen von Sierra Leone gebaut hat. Diese Toiletten sind sicher, robust und enthalten zudem Würmer, die in der Lage sind, die Fäkalien zu Kompost zu verdauen. Die Würmer leben in einem Tank, der sich unterhalb der Toilette befindet, in Schichten aus organischem Material wie Kies, Sand, Kokosnussschalen oder Holzspänen. Die Würmer ernähren sich von den Fäkalien, die über ein Rohr von der Toilette in den Tank gelangen und produzieren als Nebenprodukt nährstoffreichen Dünger, der dann zum Beispiel für den Anbau von Gemüse verwendet werden kann. Die Tigerwurm-Toiletten haben zudem den Vorteil, dass sie sehr selten geleert werden müssen, da die Würmer so gut wie alles von den Exkrementen aufessen.

Als Pilotprojekt hat Oxfam in der Hauptstadt Freetown sowie in der westlichen Region Port Loko 54 Tigerwurm-Toiletten im Jahr 2016 gebaut. Derzeit führt Oxfam ein bis 2019 dauerndes Projekt in der nordöstlichen Region Koinadugu durch, in dem insgesamt 200 Tigerwurm-Toiletten errichtet werden. Dabei sind die Toiletten für jeweils eine Familie mit sechs bis zehn Mitgliedern ausgelegt, die außerdem für die Instandhaltung sorgen. Alle Regionen, in denen die Tigerwurm-Toiletten installiert wurden, sind durch dicht bevölkerte, städtische Gemeinden geprägt, in denen es  kein zentrales Abwassersystem sowie eine mangelhafte Versorgung mit Wasser und sanitären Anlagen gibt. Dies kann zu einem erhöhten Risiko von Krankheitsausbrüchen wie Durchfall, Cholera, Typhus oder sogar Ebola (wie im Zeitraum 2014/2015) führen. Durch den Zugang zu den neuen Tigerwurm-Toiletten wird dieses Risiko verringert.

6. „Fliegende Toiletten“ in Kenia

In städtischen Gebieten wie im Großraum Nairobi müssen sich viele Menschen auf „fliegende Toiletten“ (Kot in Plastiktüten, die dann auf die Straße geworfen werden) oder Grubenlatrinen verlassen, die die Exkremente unbehandelt an die Umwelt abgeben. Auch in ländlichen Regionen wie Turkana West im Nordwesten Kenias gibt es rudimentäre Toiletten, die aus allen möglichen Materialen errichtet werden, manchmal lediglich aus Zweigen und Laub.

Als Ersatz für städtische Gebiete hat Oxfam zusammen mit seinem lokalen Partner Sanergy in 15 Schulen in den informellen Siedlungen von Mukuru (Nairobi) 38 Toiletten installiert. Dadurch haben täglich über 2.800 Schüler*innen und knapp 100 Lehrer*innen Zugang zu einer kostenlosen, sauberen Toilette, die mit Toilettenpapier, Seife und Wasser zum Händewaschen ausgestattet ist. Die Toiletten tragen zu einer besseren Gesundheit der Schüler*innen bei und bewirken, dass sie nicht mehr so oft krank werden, wodurch sich ihre Anwesenheit in den Schulen deutlich verbessert hat. Darüber hinaus hat Oxfam mittels Schulungen, interaktiven Spielen und Lehrmaterialien die Schüler*innen über die Bedeutung des Händewaschens und guter Hygiene informiert. Ein weiterer Vorteil dieser neuen Toiletten ist, dass die Fäkalien so umgeleitet werden, dass sie zu Dünger verarbeitet werden können, der dann etwa für den ökologischen Landbau verwendet werden kann.

7. Ein wackeliger Verschlag aus Lehm in der Demokratischen Republik Kongo

Immerhin gibt es an diesem Gesundheitszentrum in Kipupu auf dem Hochplateau von Itombwe in der Provinz Süd-Kivu eine Toilette. Auch wenn sie etwas wackelig aussieht. Diese Stehtoilette ist aus lokalen Materialien wie Lehm, Sand und Bambus gebaut, wobei die Materialien bei Regen schnell weggewaschen und daher oft erneuert werden müssen. Aber nicht alle Besucher*innen des Gesundheitszentrums nutzen die Toilette, weil sie sich etwa in ihrer Intimsphäre gestört fühlen, da die Toilette keine Tür hat. Es gibt auch nur eine einzige Toilette für Männer und Frauen, was gerade Frauen und Mädchen von der Benutzung abhält, da sie sich schämen.

Wie es besser geht, zeigt Oxfam in seinen Projekten auf den Hochplateaus Minembwe und Itombwe. Dort werden solide Toiletten aus Ziegelsteinen, Wellblech, Holz und Zement an öffentlichen Plätzen und Einrichtungen wie Schulen, Märkte oder Gesundheitszentren gebaut. Diese Toiletten sind nach Geschlechtern getrennt, verschließbar und halten den klimatischen Bedingungen wie Hitze, Wind und massiven Regenfällen stand. Zudem entsprechen sie bestimmten Standards wie einer Entlüftungs- und Entleerungsmöglichkeit der Grube. Darüber hinaus ermuntert Oxfam die Menschen, sich selbst aus lokalen Materialien Toiletten zu bauen und gibt praktische Hilfestellung beim Bau. Gleichzeitig finden weit reichende Sensibilisierungskampagnen zu Hygienemaßnahmen, der Toilettennutzung sowie zur Prävention von Krankheitsübertragungen statt. Insgesamt erreicht Oxfam mit seinen sanitären Anlagen über 150.000 Menschen auf den Hochplateaus Minembwe und Itombwe.