Bereits jetzt haben in den Ländern Ostafrikas 21 Millionen Menschen mit schwerem Hunger zu kämpfen – inmitten von Konflikten, Überschwemmungen und der schlimmsten Dürre seit 40 Jahren. Um sie zu unterstützen, ist es notwendig, massiv internationale humanitäre Hilfe zu mobilisieren.

Trotz des alarmierenden Bedarfs ist die humanitäre Hilfe völlig unterfinanziert. Nur drei Prozent der insgesamt sechs Milliarden US-Dollar, die die Vereinten Nationen 2022 für die humanitäre Hilfe in Äthiopien, Somalia und dem Südsudan aufbringen müssen, sind bisher finanziert worden. Der Hilfsbedarf Kenias ist bisher nur zu elf Prozent gedeckt.

Gabriela Bucher, Vorstandsvorsitzende von Oxfam International, kommentiert: „Ostafrika steht vor einer zutiefst alarmierenden Hungerkrise. Gebiete in Äthiopien, Kenia, Somalia, Südsudan und darüber hinaus erleben eine Katastrophe. Selbst wenn die Regenfälle noch in diesem Monat einsetzen, wird sich die Situation nicht komplett entspannen. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt dringend handeln. "

Bucher weiter: "Die Auswirkungen des Ukraine-Konflikts auf das globale Nahrungsmittelsystem werden rund um den Globus zu spüren sein, aber gerade die ärmsten und schwächsten Menschen werden am stärksten und schnellsten betroffen sein. Die steigenden Lebensmittelpreise sind ein harter Schlag für Millionen von Menschen, die bereits unter mehreren Krisen leiden, wenn die internationale Hilfe nicht deutlich und vor allem schnell erhöht wird."

Der mit der Krise zusammenhängende Anstieg der weltweiten Nahrungsmittel- und Rohstoffpreise untergräbt bereits jetzt die Möglichkeiten der hoch verschuldeten afrikanischen Regierungen, den Hunger ihrer Bevölkerungen zu bekämpfen. Die Länder Ostafrikas importieren bis zu 90 Prozent ihres Weizens aus der Ukraine und Russland. Da sich die Störungen auf den weltweiten Handel mit Getreide, Öl, Transportmitteln und Düngemitteln auswirken, beginnen die Lebensmittelpreise in die Höhe zu schnellen. In der vergangenen Woche erreichten sie ein Allzeithoch. In Somalia waren die Preise für Grundnahrungsmittel mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr.

In den Jahren 2010/11 trieb ein ähnlicher Anstieg der Lebensmittelpreise 44 Millionen Menschen weltweit in die extreme Armut. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich die derzeitigen Preissteigerungen bei Lebensmitteln noch schlimmer auswirken werden.

  • Allein im ersten Quartal 2022 wurden über 13 Millionen Menschen in Äthiopien, Kenia und Somalia auf der Suche nach Wasser und Weideland vertrieben.
  • Die Region hat unter der schlimmsten Heuschreckenplage seit 70 Jahren und Sturzfluten gelitten, von denen fast eine Million Menschen im Südsudan betroffen waren.
  • In Kenia ist die Ernte um 70 Prozent zurückgegangen, und das Land hat den nationalen Katastrophenzustand ausgerufen. 3,1 Millionen Menschen leiden unter akutem Hunger und benötigen nun Hilfe. Fast die Hälfte aller Haushalte in Kenia muss sich Lebensmittel leihen oder auf Kredit kaufen.
  • In Äthiopien herrscht die größte Ernährungsunsicherheit seit 2016, allein in der Region Somali leiden 3,5 Mio. Menschen unter kritischem Wasser- und Nahrungsmittelmangel. Fast eine Million Nutztiere sind verendet, und die Hirten, deren Überleben ausschließlich von der Viehzucht abhängt, stehen vor dem Nichts.
  • Mehr als 671 000 Menschen haben kürzlich ihre Heimat in Somalia verlassen, weil fast 90 % des Landes von einer schweren Dürre betroffen sind. Dies wird wahrscheinlich zu akuter Unterernährung bei fast der Hälfte der somalischen Kinder unter fünf Jahren führen.
  • Im Südsudan werden schätzungsweise 8,3 Millionen Menschen in der trockenen Jahreszeit (Mai-Juli) aufgrund der Verschärfung klimatischer und wirtschaftlicher Schocks von schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen sein.

Gabriela Bucher appelliert: "Ostafrika kann nicht warten. Die durch Klimaveränderungen und COVID-19 verursachte Hungerkrise verschärft sich von Tag zu Tag. Oxfam appelliert an alle Geber, die Finanzierungslücke des humanitären Appells der Vereinten Nationen dringend zu schließen. Wir rufen die Regierungen insbesondere der Getreide exportierenden Länder auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um geeignete Alternativen zu den Lieferungen der Ukraine in einkommensschwache, von Nahrungsmittelimporten abhängige Länder zu finden.“

 

Stimmen aus der Region

Ahmed Mohamud Omar (70), Viehzüchter aus dem Bezirk Wajir in Kenia: "Wegen der Dürre sind die meisten unsere Esel verendet, und die verbliebenen sind zu schwach, um Karren zu ziehen. Ich habe keine Kamele oder Ziegen mehr, ich denke darüber nach, was meine Familie essen wird, woher ihre nächste Mahlzeit kommt, ob ich den täglichen Kanister Wasser bekomme."

Nyadang Martha aus Akobo im Südsudan: "In den 40 Jahren meines Lebens habe ich noch nie so etwas gesehen wie das, was hier in Akobo passiert. In den letzten vier Jahren gab es entweder Überschwemmungen, Dürren, Hungersnöte, Gewalt oder COVID-19. Das ist einfach zu viel. Ich bin lebensmüde. Wenn es so weitergeht, bezweifle ich, dass meine Mädchen erwachsen werden können."

Diyaara Ibrahim Gulie aus dem Bezirk Wajir in Kenia, der über Oxfam Nahrungsmittel- und Bargeldhilfe erhalten hat: "Wir müssen jetzt Mahlzeiten ausfallen lassen und uns auf eine Mahlzeit am Tag beschränken. Und manchmal müssen wir den Kindern Vorrang beim Essen geben und die Erwachsenen hungern lassen, um das wenige, was wir haben, zu erhalten."

Idris Akhdar von WASDA, einem kenianischen Partner von Oxfam, der seit 21 Jahren im Bezirk Wajir im Nordosten Kenias arbeitet, sagt: "Unser Team hat verzweifelte Menschen getroffen. Menschen, die Hunger und Durst haben und kurz davor sind, die Hoffnung zu verlieren. In den letzten Tagen habe ich in der gesamten Region überall den gleichen Hunger und das gleiche Elend gesehen. Wir appellieren an die internationale Gemeinschaft zu helfen."