Lieferkettengesetz

Saroda Tati schaut uns freundlich durch ein Fenster an.
Saroda Tati, Arbeiterin auf einer Teeplantage in Bangladesch, erhält nur umgerechnet 1,34 € Lohn am Tag. „Was sollen wir mit 170 Taka machen? Soll ich meine Kinder zur Schule schicken, sie ernähren oder ihnen Kleidung kaufen?“ Gemeinsam mit unserer Partnerorganisation Breaking the Silence und gefördert von der EU unterstützen wir marginalisierte Frauen darin, für ihre Arbeitsrechte einzutreten.

Seit 2023 gibt es das Lieferkettengesetz in Deutschland. Es verpflichtet Großunternehmen zur Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten sowie Umweltstandards entlang ihrer Wertschöpfungsketten. Ein Jahr später wurde das EU-weite Lieferkettengesetz (CSDDD) verabschiedet.  

Trotzdem gibt es noch viel zu tun: Noch immer sind Menschenrechtsverletzungen, besonders im Agrarsektor, an der Tagesordnung. Zudem können Betroffene nach dem deutschen Gesetz noch nicht auf Schadensersatz klagen. Und: Obwohl die Lieferkettengesetze nur für einen kleinen Teil der Unternehmen gelten, sind sie den Wirtschaftslobbys ein Dorn im Auge. 

Auch deutsche Unternehmen tragen zur Ausbeutung bei 

Oxfam setzt sich seit Jahren für verpflichtende Standards in Lieferketten ein. Denn die Liste der Missstände in deutschen und europäischen Lieferketten ist lang: Hungerlöhne, giftige Pestizide und entlassene Gewerkschaftsmitglieder sind Beispiele, in denen die Rechte der Arbeiter*innen verletzt werden.  

Solche Arbeitsbedingungen sind in vielen landwirtschaftlichen Branchen immer noch Alltag, beispielsweise beim Kaffeeanbau in Brasilien, auf Ananas-Plantagen in Costa Rica oder bei der Weinernte in Südafrika. Gleichzeitig steigern deutsche Supermarktketten (Aldi, Edeka, Lidl, Rewe) ihre Umsätze stetig. 

Eine Frau steht mit Sonnenhut, Halstuch, einem langärmligen Oberteil und Schütze in einem Feld.
Zoraida Trejos schützt sich mit Hut, Halstuch und langer Kleidung vor Pestiziden, die auf den Feldern in Costa Rica eingesetzt werden. Als Arbeitsmigrantin hat sie derzeit wenig Möglichkeiten, ihre Arbeitssituation selbst zu verbessern. Ein starkes EU-Lieferkettengesetz könnte sie aber entscheidend unterstützen.

Kein Profit auf Kosten von Menschenrechten! 

Wir fordern, dass europäische Unternehmen Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte in ihren Lieferketten übernehmen. Freiwillig tun sie das nicht. Denn das bedeutet oft höhere Löhne oder verbesserte Arbeitsbedingungen mit höheren Kosten für die Unternehmen.  

Es braucht gesetzliche Regeln zum Schutz der Menschen- und Arbeitsrechte. Die Möglichkeit, gegen Ausbeutung in Lieferketten Beschwerden einzulegen und zu klagen, gibt Arbeiter*innen erstmals Instrumente an die Hand, sich wirksam zu wehren. 

Spürbare Effekte für tausende Arbeiter*innen 

Die gute Nachricht lautet: Unsere Arbeit beim Lieferkettengesetz wirkt. Das zeigt unsere Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zusammen mit der ecuadorianischen Gewerkschaft ASTAC, die Arbeiter*innen im Bananensektor vertritt. Schon unmittelbar nach unserer Beschwerde reagierte das dortige Unternehmen Otisgraf, damals Zulieferer von REWE, mit deutlich höheren Löhnen und einer gerechteren Arbeitszeitabrechnung. Das BAFA erkannte im Zuge unserer Beschwerde an, dass die Gewerkschaft und ihre Arbeiter*innen im gesamten Verfahren beteiligt werden müssen und Akteneinsicht erhalten.  

Das Lieferkettengesetz ist keine unnütze Bürokratie. Es schützt die schwächsten Glieder in den internationalen Lieferketten vor Ausbeutung.
Steffen Vogel, Referent für globale Lieferketten bei Oxfam.

Es braucht ein stärkeres, kein schwächeres Lieferkettengesetz 

Trotzdem regen sich nach nur zwei Jahren in Kraft schon wieder Bemühungen, das Lieferkettengesetz abzuschaffen. Das wäre ein deutliches Signal gegen den Schutz von Menschen und Natur und für eine reine Profitorientierung der Wirtschaft. Wir setzen uns dafür ein, das Lieferkettengesetz nicht nur beizubehalten, sondern auch weiterzuentwickeln, damit sich die Rechte und Arbeitsbedingungen von Arbeiter*innen in aller Welt – aber auch hier in Europa – verbessern. 

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Pressemitteilungen

Pressemitteilung | 26. Februar 2025

Neuer Vorschlag der EU-Kommission macht Lieferkettengesetz zu einer leeren Hülle

Soeben hat die EU-Kommission ihr Vorhaben für das europäische Lieferkettengesetz (CSDDD) im Rahmen der Omnibus-Gesetzgebung vorgestellt. Diese sieht katastrophale Änderungen im Bereich der zivilrechtlichen Haftung sowie eine fatale Abkehr von Klimaschutzregelungen vor – was das EU-Lieferkettengesetz im Kern aushebelt.
Pressemitteilung | 22. Oktober 2024

Oxfam: "Lieferkettengesetz ist kein nice-to-have"

Nach Wirtschaftsminister Habeck sorgt auch Bundeskanzler Scholz beim Thema Lieferketten für Verunsicherung. Dabei ist das EU-Lieferkettengesetz längst beschlossene Sache. Steffen Vogel, Referent für Gerechte Lieferketten bei Oxfam, kommentiert: „Das Lieferkettengesetz ist kein nice-to-have und keine unnütze Bürokratie. Es schützt die schwächsten Glieder in den internationalen Lieferketten vor Ausbeutung, also zum Beispiel die Menschen, die das Essen anbauen das wir im Supermarkt kaufen. Das zeigt Oxfams Arbeit mit Bananenarbeiter*innen aus Ecuador und Costa Rica. Eine Verwässerung würde diese Fortschritte gefährden.
Pressemitteilung | 03. November 2023

Was taugt das Lieferkettengesetz? Oxfam reicht Beschwerde gegen Edeka und Rewe ein

Hungerlöhne und manipulierte Betriebskontrollen bei Rewe- und Edeka-Zulieferern
Arbeit im giftigen Pestizidnebel, Hungerlöhne, Niederschlagung von Gewerkschaften: Immer wieder hat Oxfam Menschenrechtsverletzungen auf Bananenplantagen in Ecuador und Costa Rica aufgedeckt, die deutsche Supermärkte beliefern, zuletzt in diesem Sommer. Daher haben Oxfam und ASTAC, die ecuadorianische Gewerkschaft für Bananenarbeiter*innen mit Unterstützung von Misereor und dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) gegen Edeka und Rewe Beschwerde nach dem Lieferkettengesetz eingereicht. Die Beschwerde ist gleichzeitig der Praxistest: Was taugt das deutsche Lieferkettengesetz?

Publikationen

Publikation | 22. Mai 2023

„Das hier ist nicht Europa“

Die Saisonarbeiter*innen, die Ware für deutsche Supermärkte ernten, erleben Ausbeutung und schlechte Arbeitsbedingungen. Lohndumping, Wuchermieten und unzureichender Krankenversicherungsschutz sind allgegenwärtig.
Publikation | 01. März 2022
Neue Studie

Grenzenlose Ausbeutung: Arbeitsmigrant*innen in den Lieferketten deutscher Supermärkte

Migrant*innen, die in der Landwirtschaft arbeiten, müssen oft prekäre und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in Kauf nehmen. Diese Studie deckt Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen im Ananas- und Bananenanbau in Costa Rica sowie im Wein- und Tafeltraubensektor Südafrikas auf. Die Früchte liegen in den Regalen deutscher Supermärkte .
Publikation | 27. Januar 2022

Ein Ende der Ausbeutung?

Was das Lieferkettengesetz für Arbeitsmigrant*innen und Frauen in der Landwirtschaft im Globalen Süden bringt

Blogbeiträge

Flaggen der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland hängen neben zwei mikrofonierten Redepulten
Blog | 30. Mai 2024
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So stehen die Parteien zu unseren Forderungen für eine gerechtere Welt

Was sollte die EU-Politik tun, um unserem Ziel einer gerechten Welt ohne Armut näher zu kommen? Wir haben da ziemlich konkrete Vorstellungen. Und wir haben die wichtigsten Parteien gefragt, wie sie dazu stehen. Wer ist bereit, die Weichen für eine sozial-ökologische Transformation zu stellen? Wenn Sie noch unsicher sind, wo Sie bei der Wahl Ihr Kreuz machen, lesen Sie weiter.