Jetzt gilt’s: Vom 12. bis 18. Oktober findet die Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank statt, kombiniert mit einem Treffen der G20-Finanzminister*innen. Olaf Scholz und seine Kolleg*innen aus den G20-Staaten und die internationalen Finanzinstitutionen müssen hier endlich Farbe bekennen und ihrer weltweiten Verantwortung gerecht werden. Die entscheidende Frage: Werden sie als wesentliche Gläubigerstaaten die hochverschuldeten Länder im Globalen Süden von ihrer Schuldenlast befreien?

Bleiben sie untätig, drohen in den Ländern im Kampf gegen das Corona-Virus und den dadurch bedingten ökonomischen Sturzflug fatale Folgen: Leere Staatskassen und Kürzungen bei Bildung, Gesundheit und sozialer Sicherung. Und das heißt: mehr Kinder, die nicht zur Schule gehen können, mehr Menschen, die keine medizinische Versorgung erhalten und Millionen, die in die Armut abrutschen. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 500 Millionen Menschen weltweit aufgrund der Corona-Folgen in die Armut gedrängt werden könnten. Die Weltbank warnt, dass im Globalen Süden im kommenden Jahr weltweit bis zu 150 Milliarden US-Dollar weniger für Bildung ausgegeben werden könnten als ursprünglich geplant.

Soweit darf es nicht kommen. Die G20 müssen jetzt da weitermachen, wo sie im Frühjahr aufgehört haben. Da haben sie schnell reagiert und 73 Ländern in einem Schuldenmoratorium angeboten, den Schuldendienst bis Jahresende auszusetzen. Auch der IWF zog mit und erließ 25 Ländern mit besonders niedrigen Einkommen ihren Schuldendienst für dieses Jahr. Aber die Krise ist an Neujahr nicht vorbei, sie wird auch in den kommenden Jahren verheerende Auswirkungen haben. Mit Sambia hat nun das erste Land angekündigt, dass es aufgrund der Corona-Folgen seine Schulden nicht mehr bezahlen kann – dass weitere folgen werden, ist absehbar.

Bundesregierung muss umfassenden Schuldenerlass voranbringen

Die G20-Finanzminister*innen müssen nun die notwendigen Schritte einleiten, um den Ländern zu helfen. Klare Aussagen fehlen bislang, auch von deutscher Seite: Finanzminister Scholz hat sich bislang kaum geäußert, wie es weiter gehen soll. Auch von Entwicklungsminister Müller, im Frühjahr noch Vorreiter beim Werben für einen Schuldenerlass, war in letzter Zeit erstaunlich wenig zu hören.

Um Druck auf Olaf Scholz und andere Finanzminister*innen zu machen, haben über 800.000 Menschen Petitionen unterschrieben und einen umfassenden Schuldenerlass gefordert. Heute haben wir die Petition ans Bundesfinanzministerium übergeben. Wir erwarten von Finanzminister Scholz, dass er sich jetzt bewegt!

Die Bundesregierung muss jetzt drei Forderungen voranbringen:

  • Erstens sollte sie sich jetzt dafür einsetzen, dass die Schuldeninitiative auf alle Länder, die Schuldenerlass benötigen, ausgeweitet wird. Bislang fallen hochverschuldete Länder wie Sri Lanka und Libanon durch das Raster, obwohl sie Unterstützung benötigen.
     
  • Zweitens muss die im Frühjahr verabschiedete Schuldeninitiative verlängert werden und zu einer echten Schuldenstreichung führen. Die Zahlungen wie bislang zu stunden reicht nicht aus, das Geld muss dann ja später zurückgezahlt werden. Derzeit zeichnet sich hier unter den G20, wie man hört, eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, sprich eine weitere Stundung, ab. Das ist zu wenig! Die G20 müssen sich darauf verständigen, die Schuldenrückzahlungen bis einschließlich 2022 komplett zu streichen. Und Deutschland sollte hier vorangehen.
     
  • Drittens müssen alle Gläubiger mitmachen. Weltbank (Moment mal, haben die nicht gerade erst davor gewarnt, dass die Bildungsausgaben weltweit gekürzt werden?) und private Gläubiger wie Banken und Fondsgesellschaften pochen noch immer auf die Rückzahlung der Schulden, obwohl paradoxerweise gerade erst Weltbank-Chef Malpass Schuldenschnitte für hochverschuldete Länder gefordert hat. Deutschland muss seinen Einfluss in der Weltbank geltend machen und darauf hinwirken, dass sich eine Bank, deren Auftrag es ist, Länder im Globalen Süden zu unterstützen und die genau das Gegenteil tut, nicht weiter seiner Verantwortung entziehen kann. Und während die G20-Länder auf Schuldenrückzahlungen in diesem Jahr verzichten, kassiert der Privatsektor munter weiter. Auch dies ist ein Unding, dem die Bundesregierung – gemeinsam mit anderen im Pariser Club der Gläubigerstaaten – im Rahmen des IWF und der Vereinten Nationen durch die Einführung von Gleichbehandlungsgrundsätzen einen Riegel vorschieben muss.

Für die G20 heißt es nun: Schulden streichen, Leben retten – ein Auftrag, bei dem es keine faulen Kompromisse geben darf.

3 Kommentare

Die Schulden der sog. "Entwicklungsländer" - sind "unsere" Gewinne, und das ist noch grob, fahrlässig grob, vereinfacht: Je weniger Schulden, also Minusgelder, die "Entwicklungsländer" machen, desto weniger Gewinne können "wir" machen. ICH habe jedenfalls keinem Entwicklungsland einen Kredit gegeben, mit dem es bei MIR einkaufen könnte. Ich gebe aber zu, dass ich mich bei der Wahrnehmung meiner demokratischen Rechte schon des öfteren verwählt habe. Das wird mir in Zukunft nicht mehr passieren!

https://taz.de/Entwicklungslaender-in-der-Coronakrise/!5718639/

Soweit ich als Laie weiß, haben die Industrieländer direkt oder indirekt zu dieser großen Verschuldung beigetragen. Wir haben den lokalen Handel und die lokalen kleinen Unternehmen durch Billigimporte und andere Maßnahmen zu einem großen Teil zerstört und so die Abhängigkeit der sog. Dritten Welt von den Industrieländern erst erzeugt. Dazu auch oft noch korrupte Regierungen, die sich vor allem selbst bedienten und bereicherten, politisch gestützt. Schon deshalb denke ich, dass wir diesen Länder viel schulden - ein Schuldenerlass wäre ein mehr als angemessener Beitrag dazu.

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