Die Vorfälle sexueller Ausbeutung durch Oxfam-Mitarbeiter während des Nothilfe-Einsatzes in Haiti 2011, die im Februar vergangenen Jahres publik wurden, haben unsere Organisation schwer erschüttert. Kollegen von uns hatten Menschen ausgenutzt, die sie schützen und unterstützen sollten. Und unsere Organisation ging nicht konsequent und aufrichtig genug gegen dieses Verhalten vor.

Doch die Erschütterung setzte auch Veränderungswillen frei. Mit unserem 10-Punkte-Aktionsplan arbeiten wir seither beharrlich daran, dass es bei Oxfam für sexuelle Ausbeutung, Belästigung und Missbrauch keinen Raum gibt. Wir wollen eine Organisation sein, in der Machtmissbrauch gesehen und sanktioniert wird, in der Betroffene gehört und geschützt werden, in der eine Kultur des Miteinanders und Füreinanders herrscht und in der Probleme offen angesprochen werden.

Doch es reicht nicht, etwas zu wollen. Damit man es erreicht, muss man sich auf den Weg machen, muss hinschauen, hinhören und handeln – auch wenn es weh tut. Wir mussten uns der Tatsache stellen, dass auch eine Hilfsorganisation wie Oxfam nicht frei von ausbeuterischem Verhalten ist. Das mag angesichts von #MeToo und der Allgegenwärtigkeit von Belästigung und Missbrauch in der Gesellschaft, was heute vielen präsenter ist als früher, wenig überraschen. Doch die Öffentlichkeit erwartet von uns zu Recht, dass wir gegen solches Verhalten besonders gründlich vorgehen.

Bericht der unabhängigen Kommission

Deshalb haben wir im März vergangenen Jahres eine unabhängige Kommission eingesetzt, mit dem klaren Mandat, unsere gesamte Organisation zu durchleuchten und Probleme schonungslos offenzulegen. Diesen Auftrag nahmen renommierte Menschenrechtsexpert*innen an, von der früheren Frauenministerin Haitis bis hin zu internationalen Expert*innen für sexualisierte Gewalt in Konflikten. Wir baten die Kommission, tief zu graben, mit Mitarbeiter*innen zu sprechen, dorthin zu reisen, wo Oxfam und andere Hilfsorganisationen in einem komplexen humanitären Umfeld tätig sind und über ihre Erkenntnisse zu berichten – öffentlich und transparent.

Der nun vorliegende Abschlussbericht der Kommission ist genau das, worum wir gebeten haben: ein Bericht, der Klartext spricht, der uns hilft, den nötigen grundlegenden Wandel bei Oxfam zu schaffen. Die Kommission beschreibt Fälle von Ausbeutung, Mobbing und Missbrauch. Es tut uns aufrichtig leid, dass es diese Vorfälle gab und Menschen durch unsere Fehler zu Schaden gekommen sind. Wir haben vieles auf den Weg gebracht, um auf solche Vorfälle besser zu reagieren als in der Vergangenheit. Die entsprechenden Empfehlungen der unabhängigen Kommission werden wir vollständig umsetzen.

Unsere Hauptlektion ist jedoch, dass es nicht damit getan ist, Regeln und Prozesse zu verbessern, sondern dass wir uns den Problemen in unserer Organisationskultur stellen müssen, die solche Vorfälle überhaupt möglich machen. Es gilt, Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde in allem sichtbar werden zu lassen, was wir tun. Es geht um die Veränderung uralter und tief verankerter Denk- und Handlungsweisen. Dies ist der Schwerpunkt unserer Anstrengungen.

Auch bei Oxfam Deutschland haben wir in diesem Zusammenhang vieles auf den Weg gebracht: Unter anderem haben wir mit externer fachlicher Begleitung ein Schutzkonzept zur Prävention von und zum Umgang mit sexualisierter Gewalt entwickelt und eingeführt. In Workshops wurden alle Mitarbeiter*innen informiert und für das Thema sensibilisiert. Einzelne Mitarbeiter*innen wurden zusätzlich fortgebildet, um Vorfälle professionell und mit größtmöglicher Sensibilität zu bearbeiten. Und wir haben einen Prozess etabliert, um über unsere Organisationskultur zu sprechen, über den Umgang mit Macht, über Teilhabe, Wertschätzung und Anerkennung.

UK Charity Commission

Neben der unabhängigen Kommission hat gestern auch die britische Regulierungsbehörde für NGOs, die UK Charity Commission, einen Bericht vorgelegt. Dieser untersucht den Umgang unserer Schwesterorganisation Oxfam Großbritannien mit Vorfällen sexueller Ausbeutung, Belästigung und Missbrauch, während des Nothilfe- Einsatzes in Haiti im Jahr 2011 und darüber hinaus. Auch dieser Bericht offenbart Schwächen und Probleme, denen sich die Kolleg*innen in Großbritannien wie im gesamten Oxfam-Verbund stellen werden. Den Bericht verstehen wir als einen weiteren wichtigen Beitrag zu unserer Veränderung.

Uns ist bewusst, dass der Weg weit ist und wir noch ein gutes Stück vor uns haben. Doch wir werden ihn konsequent weitergehen. Wir tun dies im Wissen, dass sich die große Mehrzahl unserer Mitarbeiter*innen mit viel Engagement und Überzeugung für eine gerechte Welt ohne Armut einsetzt, ihre Arbeit respektvoll leistet und dazu beiträgt, das Leben von Menschen in Armut positiv zu verändern. Darauf werden wir aufbauen.